Wieso mit der Kassenfusion raue Zeiten anbrechen
Sozialversicherung. Arbeitnehmervertreter Andreas Huss wird künftig alle sechs Monate Chef der neuen Österreichischen Gesundheitskasse. Das wird spannend: Er ist gleichzeitig ein vehementer Systemkritiker.
Die Sache war von Anfang an höchst umstritten: Die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse – ein türkis-blaues Prestigeprojekt – hat für viel Aufregung gesorgt. 14 Beschwerden gingen beim Verfassungsgerichtshof ein. Nutzte alles nichts: Das Höchstgericht entschied im Dezember und hatte gegen die Sozialversicherungsreform nichts einzuwenden. Das betraf auch die Entmachtung der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat der neuen ÖGK: Bisher hatten diese einen deutlichen Überhang – jetzt gibt es dort einen Gleichstand mit den Arbeitgebern. Alles rechtens also. Was natürlich keineswegs bedeutet, dass Frieden einkehrt.
Mit Jahresbeginn ist die ÖGK mit zusammen 7,2 Millionen Versicherten entstanden, und in den vergangenen Tagen fanden konstituierende Sitzungen der Landesstellen statt. In Vorarlberg, Tirol und Salzburg ging alles recht reibungslos über die Bühne. Gestern war Niederösterreich dran, und auch dort gab man sich gesittet.
Im Burgenland kam es am Montagabend freilich zum Krach: Die Wirtschaftskammer als Arbeitgebervertretung beharrte darauf, dass sie für den Posten des Direktors der Landesstelle ein Nominierungsrecht hat – denn der jetzige geht im Laufe des Jahres in Pension. Die Arbeitnehmer protestierten und bestanden darauf, dass ausgeschrieben wird.
Und so endete das Ganze, wie es in Österreich gern endet: mit einer Vertagung. Heißt: Auch die Frage, wer in Zukunft Obmann der
Landesstelle sein soll, wurde auf den 5. Februar verschoben.
Soll sein – es gibt größere Katastrophen. Allerdings: Der Vorfall lässt nicht gerade erfreuliche Prognosen für das gedeihliche Auskommen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der ÖGK zu.
Dafür wird auch sorgen. Er kommt von der Arbeitnehmerseite und wird sich in Hinkunft den Vorsitz der ÖGK mit dem blauen
teilen: Krenn ist also jetzt einmal für ein halbes Jahr Obmann, die zweite Jahreshälfte wird dann Huss als Chef bestreiten. Und so fort.
Nur: Während Matthias Krenn gut und gern „eines der größten Reformprojekte der Zweiten Republik“lobt, lässt sein Kollege Andreas Huss keine Gelegenheit aus, die fusionierte ÖGK zu kritisieren. Er sehe in ihr „keinen Mehrwert“, sagt er immer wieder öffentlich. Im Gespräch mit der „Presse“relativiert er das freilich: Er kritisiere keinesfalls die Struktur der neuen Kasse, sagt er. Sondern vielmehr den Umstand, dass durch Beschlüsse der alten Regierung in den nächsten drei Jahren 600 Mio. Euro fehlen würden. „Wie soll ich da die kommenden Herausforderungen meistern?“, fragt er.
Das scheint rhetorisch gemeint zu sein, denn den recht gut dotierten Job hat er trotzdem gern angenommen. Und so wird die ÖGK in Hinkunft halbjährlich einen „Firmenchef“haben, der mit der „Firma“ziemlich unzufrieden ist. Huss sieht das natürlich nicht so: „Die Sozialversicherung kann man nicht mit einer Firma vergleichen“, sagt er, „weil sie dem politischen System ausgeliefert ist“. Und so werde er „auch als Obmann auf mehr Geld pochen, damit die gesundheitliche Versorgung in Österreich nicht schlechter wird“.
Klingt eher nicht nach friedlichen Zeiten. Wir bleiben natürlich dran.