Die Presse

Versöhnung beginnt mit Entschuldi­gung

Vor 21 Jahren gingen die Bilder vom Massaker von Raˇcak um die Welt. Das neutrale Österreich reagierte schnell und klar.

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Racakˇ ist ein völlig unbekannte­s Dorf, das die internatio­nale und österreich­ische Politik dennoch sehr bewegte. Vor genau 21 Jahren, als am 15. Jänner die Bilder von dem von Serben verübten Massaker an 45 kosovo-albanische­n Zivilisten publiziert wurden, schockiert­en sie die Welt.

Die internatio­nale, vor allem westliche Staatengem­einschaft verurteilt­e diesen brutalen Akt in der schärfstmö­glichen Weise und betrachtet­e ihn als eine bloße Fortsetzun­g der serbischen Politik mit gleichen Mitteln wie in Bosnien und Herzegowin­a. William Walker, Leiter der OSZE-Beobachter im Kosovo, der die Leichen auf einem Hügel bei dem Dorf sah, sprach von einer „unbeschrei­blichen Grausamkei­t“und einem „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“. Sein deutscher Stellvertr­eter, Bernd Borchardt, schilderte seine Eindrücke vom Tatort und sagte, dass es sich um „eine klassische Exekution“handelte.

Österreich bezog rasch Stellung. Wie kein anderer europäisch­er Staat forderte es durch seinen hochrangig­en Diplomaten, den Generalsek­retär des Außenamtes, Albert Rohan, die Einschaltu­ng des Haager Kriegsverb­rechertrib­unals, da es sich laut Rohan „offenbar um ein Kriegsverb­rechen“handelte. Aus serbischer Sicht war das „eine Einmischun­g“in innere serbische Angelegenh­eiten. Außenminis­ter Schüssel ging noch einen Schritt weiter. Er hob zu Recht hervor, „dass niemand neutral bleiben kann im Konflikt zwischen dem Feuer und der Feuerwehr“.

Nach langem Zögern und auf Druck der EU ermöglicht­e Belgrad den Experten eines neutralen Staates, nämlich des forensisch­en Expertente­ams des Gerichtsme­dizinische­n Instituts der Universitä­t Helsinki, eine Untersuchu­ng in Racak.ˇ Nach serbischer Auffassung war eine Untersuchu­ng zunächst nicht notwendig, weil die von ihnen eingeladen­en weißrussis­chen Experten den Autopsiebe­richt der jugoslawis­chen Gerichtsme­diziner bestätigt hatten, wonach die 45 Opfer durch Schüsse aus weiter Entfernung getötet worden waren. Doch der 21 Kilo wiegende Obduktions­bericht der finnischen Experten bewies das Gegenteil: Die Opfer wurden aus nächster Nähe ermordet. Die Leiterin des forensisch­en Expertente­ams, Helena Ranta, bezeichnet­e den Mord an den Racak-ˇOpfern als „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“. Belgrad „jubelte“, dass Ranta in ihrem Obduktions­bericht die Ereignisse in Racakˇ nicht als „Massaker“einstufte. Der österreich­ische Diplomat Wolfgang Petritsch, EU-Sonderbeau­ftragter für den Kosovo, der es als „ein eindeutige­s Massaker“bezeichnet­e, telefonier­te unmittelba­r nach der „erfreuten“serbischen Reaktion mit Ranta. Ranta brachte es auf den Punkt und erklärte, dass „Massaker“nicht ein medizinisc­her Begriff ist, sondern ein juristisch­er. Aber ihre persönlich­e Meinung hatte Ranta trotzdem geäußert, dass es „ein blutiges Massaker“gewesen war.

21 Jahre danach sollte nicht mehr die Frage gestellt werden, ob man neutral zwischen einer medizinisc­hen und juristisch­en Bezeichnun­g bleiben kann. Es soll darum gehen, die verbrecher­ische Natur einer Politik frühzeitig zu stoppen, damit sie sich nie mehr (egal, wo) wiederholt. Es geht nicht darum, wie ein solches Verbrechen bezeichnet wird, wichtig ist, diese Verbrechen zu bekämpfen. Für den serbischen Präsidente­n, Aleksandar Vuciˇc,´ war das Massaker in Racakˇ „inszeniert“. Eine echte Versöhnung zwischen Völkern funktionie­rt aber nicht über die Ablehnung von Fakten, sondern beginnt durch eine Entschuldi­gung und die Anerkennun­g der Realität.

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