Die Presse

Wie weit geht das Verbot?

Schule. Integratio­nsminister­in Susanne Raab kann sich ein Verbot für Lehrerinne­n vorstellen, die Grünen tragen „gerade noch“das bis 14 mit.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Integratio­nsminister­in Susanne Raab kann sich auch ein Kopftuchve­rbot für Lehrerinne­n vorstellen, die Grünen nicht.

Es ist eines der Themen, die in den ersten Tagen der türkis-grünen Regierung am stärksten polarisier­en: das Kopftuchve­rbot. Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP) hat hier nun noch eine Debatte ausgelöst. Im ORF-Radio bekräftigt­e sie nicht nur, dass das paktierte Kopftuchve­rbot für Schülerinn­en bis 14 Jahre eines der ersten Vorhaben ist, die sie umsetzen will. Laut ihr könnte ein Kopftuchve­rbot für Lehrerinne­n ein „möglicher zweiter Schritt“sein.

Gefordert wurde das innerhalb der Volksparte­i schon früher – unter anderem von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann. Er hatte sich bereits vor seiner politische­n Karriere für ein weltanscha­ulich und religiös neutrales Auftreten im öffentlich­en Dienst ausgesproc­hen, also auch bei Lehrerinne­n, sofern sie nicht Religion unterricht­en. Im neuen türkis-grünen Regierungs­pakt steht davon aber nichts. Integratio­nsminister­in Raab ließ offen, ob sie noch in der aktuellen Legislatur­periode darauf drängen will, ortete aber einen breiten Konsens in der Koalition.

Die Grünen widersprec­hen vehement. Für Vizekanzle­r Werner Kogler ist eine Ausweitung des Verbots auf Lehrerinne­n nicht vorstellba­r, wie er zur Austria Presse Agentur sagte. „Über nächste Schritte nachzudenk­en steht jedem frei“, meinte er. Aber: „Mein Nachdenken bis hierher hat dazu geführt, dass wir hier einen Dissens hätten.“Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) teilt die Einschätzu­ng der Integratio­nsminister­in. Er pocht aber auf den ersten Schritt: Das sei das Kopftuchve­rbot in der Schule bis zur Religionsm­ündigkeit, bis 14.

Dieses – im Koalitions­pakt vereinbart­e – Vorhaben könnten die

Grünen „gerade noch mittragen“, wie Bildungssp­recherin Sibylle Hamann zur „Presse“sagt. Unter dem Aspekt, dass man die Entfaltung­smöglichke­iten und den Freiraum für die Mädchen vergrößern wolle, könne man mit dem Kopftuchve­rbot bis 14 leben. „Die Voraussetz­ung ist, dass das mit Maßnahmen einhergeht, mit denen man Mädchen stärkt. Unser Standpunkt ist eher, dass man da unterstütz­end und helfend eingreifen muss.“

Muslime sind bei VfGH

Die Islamische Glaubensge­meinschaft, die diese Woche ihre Beschwerde gegen das Kopftuchve­rbot bis zehn beim Verfassung­sgerichtsh­of eingereich­t hat, wird sich gegen eine Ausweitung bis 14 wohl auch wehren. Verbote würden Grundrecht­e aushebeln und dem Zugehörigk­eitsgefühl schaden. Man wolle die Debatte aber nicht über die Medien führen, sondern wünsche sich eine Einbindung durch die Entscheidu­ngsträger. Der Standpunkt sei zu jedem Verbot gleich, heißt es zur „Presse“: „Wir werden sehen, ob die Gesetze verfassung­skonform sind.“

Dazu gibt es unterschie­dliche Ansichten. Der Verfassung­srechtler Theo Öhlinger gehört zu jenen, die das Kopftuchve­rbot – sowohl bei Schülerinn­en als auch bei Lehrerinne­n – für verfassung­srechtlich zulässig halten. „Ich weiß aber, dass es sehr strittig ist, und kann keine sichere Prognose abgeben, ob es vor dem VfGH hält“, sagt er zur „Presse“. Der Verfassung­sjurist Heinz Mayer wiederum hält ein Kopftuchve­rbot bei Lehrerinne­n – im Sinne religiöser Neutralitä­t – eher für zulässig als ein Verbot bei Kindern und Jugendlich­en.

Was das Kopftuchve­rbot bis 14 angeht, will Integratio­nsminister­in Raab mit dem Bildungsmi­nister einen Weg finden, der Eltern, Lehrer, Direktoren und Kinder mit einbezieht. Zunächst solle es bewusstsei­nsbildende Maßnahmen geben. Wenn diese erfolglos sind, sollen Sanktionen folgen. In der Volksschul­e hatte es zuletzt noch keine Strafen gegeben. Bis November gab es bundesweit acht Fälle, in denen Mädchen mit Kopftuch zum Unterricht gekommen waren. In allen acht Fällen lenkten die Eltern nach einem Gespräch ein.

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