Es ist erst der Anfang
Der Handelsstreit ist nur eine Front in der konfliktreichen Beziehung zwischen den USA und China. Doch eine Einigung könnte wegweisend sein.
Nach gut eineinhalb Jahren ist es soweit: Am Mittwoch unterschreiben die USA und China eine erste Einigung im Handelsstreit. Doch von Euphorie an den Enden des Pazifik kann keine Rede sein. Der Handelskrieg sei noch lange nicht vorüber, schreibt Taoran Notes, ein regierungsnaher Kommentator. Viel mehr noch: Die Teileinigung sei nur ein Schritt, um die vielen Differenzen zwischen Peking und Washington in den Griff zu bekommen. Noch nie befanden sich die Staaten in einer solchen Situation, so der renommierte Autor. „Das ist ein Weg, den noch niemand bestritten hat“. Tatsächlich ist der Handelskrieg nur ein Auswuchs in der Neuordnung der Beziehung zwischen den USA und der Volksrepublik. Auf lange Sicht werden die Reibereien zwischen der weltweiten Nummer eins und der Nummer zwei zunehmen. Ein Überblick über die Brennpunkte.
Technologie
Die USA betrachten China als die größte geopolitische, wirtschaftliche und militärische Herausforderung für ihre Vormachtstellung im 21. Jahrhundert. Beide Staaten sehen Technologie als Schlüssel, um die eigene Führungsposition auszubauen. Dass die Tech-Front die wichtigste Konfliktlinie zwischen den Rivalen ist, wurde schon 2019 deutlich. Das prominenteste Opfer war Huawei: Im Mai setzte Washington den weltgrößten Netzwerkausrüster auf eine Verbotsliste und untersagte US-Firmen, Komponenten an den Chinesen zu liefern.
Ein Todesurteil für den SmartphoneGiganten, der vor allem auf US-Halblei
ter angewiesen ist. Zwar entschärften die Amerikaner die Maßnahmen später, doch Huawei bleibt ein Verhandlungsjoker. In ihrem Tech-Feldzug versuchen die USA auch, ihre Verbündeten unter Druck zu setzen. Etwa in der Diskussion um den neuen Netzwerkstandard 5G. Bei der Entwicklung des superschnellen Internets ist Huawei führend. China reagiert und will sich von seiner westlichen Tech-Abhängigkeit lösen.
Werte
Im Rennen um die Technologie-Weltführung haben die USA eine weitere Bruchlinie aufgerissen, die vor allem Peking sauer aufstößt. Die KP-Führung spricht vordergründig von einem wirtschaftlichen Wettstreit. Die US-Administration sieht auch eine ideologische Auseinandersetzung – immer lauter werden Warnungen vor einem neuen Kalten Krieg. Die Sorge: China könnte mit dem Export von ausgeklügelter Überwachungstechnik seinen digitalen Autoritarismus – insbesondere in Entwicklungsländern – verbreiten. Peking weist Vorwürfe, sein autoritäres Modell als Demokratie-Alternative durchsetzen zu wollen, zurück.
Doch China ist mehr als je zuvor bedacht, seine politische Botschaft für alle Welt klar zu machen. Das zeigte die Auseinandersetzung um den Tweet eines NBA-Funktionärs, der die Demokratie-Proteste in der Sonderverwaltungszone Hongkong unterstützt hatte. Die Folge waren ein Aufschrei chinesischer Internetnutzer und ein Ende von Sponsoren- und Ausstrahlungsverträgen im Basketball-Milliardenmarkt. Dass die NBA den Tweet später löschte, löste in den USA eine Debatte um Meinungsfreiheit aus.
Menschenrechte
Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen Technologie- und Ideologie-Wettstreit: Im Oktober verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen 28 chinesische HighTech-Firmen und Behörden wegen der „Unterdrückung, Masseninternierung und HighTech-Überwachung“der muslimisch, uigurischen Minderheit in der westchinesischen Provinz Xinjiang. Kurz darauf stellte sich USPräsident Donald Trump mit einem Gesetz hinter die Protestbewegung in Hongkong: Es erlaubt Sanktionen gegen Personen, die der Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, und verlangt eine jährliche Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in der Hafenstadt.
Territorialkonflikte
In Taiwan bescherten die rund sieben Monate anhaltenden Hongkonger Demonstrationen gegen den wachsenden Einfluss Pekings Präsidentin Tsai Ing-wen und ihrer Festland-kritischen DPP einen deutlichen Wahlsieg. Das Ergebnis erhöht den Druck auf Xi. Er versprach der zunehmend nationalistischen Bevölkerung, die in der Volksrepublik als abtrünnig geltende Insel bis 2049 an das „Mutterland“anzugliedern – notfalls militärisch. Taiwans Verbündeter Washington würde diesen Schritt unter heutigen Vorzeichen mit einem Gegenschlag quittieren.
Auch der Konflikt im Südchinesischen Meer gilt als brandgefährlich. Ein Zwischenfall zwischen Einheiten der Volksbefreiungsarmee und der US-Streitkräfte könnte schnell eskalieren. Die Volksrepublik beansprucht 80 Prozent des rohstoffreichen Gebiets und liegt daher im Streit mit südostasiatischen Staaten. Washington sieht nicht nur die freie Schifffahrt in der für den Welthandel wichtigen Region bedroht. Es fürchtet, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute militärische Vormachtstellung im Vorhof Chinas zu verlieren.
Letztlich wird der Verlauf des Handelsstreits wegweisend für die weiteren Beziehungen zwischen Peking und Washington sein. Je mehr sich die USA wirtschaftlich von China loslösen, desto schwerer wird es den Gegenspielern fallen, eine Gesprächsbasis für die Lösung von Krisen wie dem Klimawandel oder dem Nahost-Konflikt zu finden.