Insolvenz trotz vollen Lokals
Restaurants. Lubin und Irodion mussten Insolvenz anmelden. Die Gastronomie spricht von immer schwierigeren Bedingungen.
Wenn ein Lokal voll ist, muss der Wirt gut verdienen. Das mag sich mancher Gast denken. Der Wirt sieht die Sache naturgemäß anders, bedeutet doch eine gute Auslastung noch lang kein gutes Geschäft. Weshalb Jahr für Jahr Restaurants Insolvenz anmelden müssen. Sehr oft sind das übrigens Lokale mit einem hohen Waren- und Personaleinsatz, in denen man gut isst, die gut besucht sind und sich trotzdem nicht rentieren.
Das kroatische Fischrestaurant Lubin gehört da ebenso dazu wie der Grieche Irodion. Beide sind im dritten Wiener Bezirk angesiedelt – und das schon über viele Jahre (Lubin seit 13, Irodion seit 23 Jahren). Und beide wollen mithilfe eines Sanierungsverfahrens den Betrieb aufrecht erhalten.
„Ich wollte das nicht, das Finanzamt hat den Konkurs angemeldet, weil ich bei ihm und der Krankenkasse Schulden von 50.000, vielleicht 70.000 Euro habe“, sagt Nikolaos Maniotis, Inhaber des Restaurants Irodion. Natürlich sei es nicht richtig, Schulden zu machen, er hätte aber gehofft, dass sich die Insolvenz vermeiden hätte lassen. „20 Jahre lang ist alles gut gelaufen, die letzten zwei, drei Jahre war es schwierig. Ich finde es schon hart, dass jetzt gleich Konkurs angemeldet wird“, sagt er.
Die Konkurrenz sei größer geworden, auch durch Lieferservices. „Und die Gäste konsumieren weniger, trinken Wasser statt Wein“, sagt Maniotis. Heute bereut er, das Lokal einst auf 230 Sitzplätze vergrößert zu haben. Mit 120 Plätzen hat er begonnen, das war ideal. Mehr Platz bedeute auch mehr Aufwand und Personal, was sich nicht immer rentiert. Auch die bürokratischen Auflagen machen ihm zu schaffen. „Ich brauche eine eigene Person, die alles aufschreibt, bis hin zur Temperatur des Kühlschranks.“
Ähnlich geht es Vedran Markic, dem Inhaber des Fischrestaurants Lubin, zu dem auch ein Fischgeschäft gehört. Er hat vor viereinhalb Jahren das Restaurant von seinem Vater übernommen, als dieser gestorben ist. „Ich hatte damals keine Ahnung von der Gastronomie, war frisch von der Uni in Zagreb“, sagt er. Mittlerweile bezeichnet er die Mitarbeiter aber als seine zweite Familie. Vor Kurzem musste Markic selbst Insolvenz anmelden, die Passiva liegen hier bei rund 350.000 Euro. „Der Grund war mein Unfall vor zwei Jahren. Ich konnte fast ein Jahr nicht richtig arbeiten, weil ich mir meinen Fuß nach acht Monaten ein zweites Mal gebrochen hatte.“In der Zeit habe er drei zusätzliche Mitarbeiter angestellt. „Diese haben mich im Jahr 75.000 Euro gekostet.“Die Schulden beim Finanzamt und der Krankenkasse haben sich angehäuft. „Und der Einkaufswert von Fisch ist in den letzten sechs Monaten drei Mal gestiegen.“Er überlegt jetzt, zusätzliche Angebote wie kommentierte Verkostungen oder Sushi anzubieten.
Ein Blick in die Statistik des Alpenländischen Kreditorenverbands (AKV) macht allerdings keine gehäuften Insolvenzen in den letzten zehn Jahren deutlich. Und auch keinen Anstieg seit der Einführung der Registrierkasse 2016, die stets mit einer Marktbereinigung in Verbindung gebracht wurde.
Wobei die Statistik nur bedingt aussagekräftig ist, werden doch alle gastronomischen Betriebe mit der Hotellerie zusammengefasst. In der Gastronomie selbst beteuert so gut wie jeder, wie hart das Geschäft sei. „Die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren durchaus geändert“, sagt Peter Dobcak, Obmann der Sparte Gastronomie in der Wiener Wirtschaftskammer. „Die Personalkosten und die Einkaufspreise sind gestiegen, aber es gibt die kollektive Angst vorm Gast. Viele Wirte trauen sich nicht, die Preise so zu erhöhen, dass sie kostendeckend sind.“Im internationalen Vergleich sei man um 25 bis 30 Prozent zu billig, so Dobcak. „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man gut verdient, wenn ein Lokal voll ist. Niemand fragt nach dem Deckungsbeitrag.“