Die Presse

Der Pariser, der den Ex-Papst in die Bredouille brachte

Im Streit um das angebliche Benedikt-Zölibatsbu­ch steht Kardinal Sarah unter Beschuss – doch es gibt noch einen Zweiten in der Hauptrolle. Benedikt habe die vollständi­gen Korrekturf­ahnen erhalten, beharrt Nicolas Diat.

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Ein einzigarti­ges und historisch­es Buch“– mit diesem Werbespruc­h versehen, dominierte das Cover von „Des profondeur­s de nos coeurs“am Mittwoch noch die Homepage des Fayard Verlags. Nicht der kleinste Hinweis auf den Streit um das soeben auf Französisc­h erschienen­e Buch gegen die Lockerung des Zölibats. Tatsächlic­h hat der Verlag angekündig­t, die schon gedruckte Auflage unveränder­t zu verkaufen. Erst in der nächsten Auflage ist der Hinweis geplant, dass Einleitung und Schlusstei­l nicht von Benedikt XVI. mitverfass­t wurden – sehr wohl aber freigegebe­n. Der US-Verlag Ignatius Press, der im Februar die englische Übersetzun­g publiziert, will die Autorenang­abe überhaupt beibehalte­n.

Nicht als kirchenpol­itischer Skandal, sondern als große Peinlichke­it wird sich dieser Streit wohl erweisen – und auch Fragen aufwerfen nach dem angemessen­en Umgang mit und der angemessen­en öffentlich­en Stellung des 92-jährigen emeritiert­en Papstes. Benedikt habe nicht zugestimmt, neben Kardinal Robert Sarah als Co-Autor geführt zu werden, und nur einen Text darin verfasst, hatte Benedikts Privatsekr­etär Georg Gänswein am Dienstag erklärt. Nicht nur Kardinal Robert Sarah, auch der Herausgebe­r des Buchs, Nicolas Diat, hat Gänswein seitdem widersproc­hen. „Kardinal Sarah schickte Benedikt am 19. November einen vertraulic­hen Brief mit dem gesamten Text“, gab er dem US-Magazin „National Catholic Register“gegenüber an: „Die Korrekturf­ahnen waren vollständi­g: Einleitung, die zwei Texte, und dann das Schlusswor­t. Dann, am 3. Dezember, zeigte er während einer Zusammenku­nft mit Benedikt XVI. den Titelseite­n-Entwurf.“

Alle Aufmerksam­keit seit Dienstag galt in dieser Sache dem konservati­ven Kardinal und Präfekten der Gottesdien­stkongrega­tion Robert Sarah. Doch wer ist der Mann im Hintergrun­d, der Herausgebe­r des Buchs Nicolas Diat? Er dürfte bei dem„Unfall“eine wesentlich­e Rolle gespielt haben.

Diat sei der „geheimste Herausgebe­r von Paris“, schrieb der französisc­he Journalist Fred´eric´ Martel im April 2019 über ihn. In der Amtszeit von Nicolas Sarkozy war der heute 44-Jährige Berater des Wissenscha­ftsministe­rs Laurent Wauquiez. Im Zuge der „Manif pour tous“(jener Bewegung, die sich in Frankreich als Reaktion auf die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe bildete) engagierte er sich zunehmend in rechtskons­ervativen religiösen Kreisen. Der Fayard Verlag verdankt Diat in den letzten Jahren mehrere von ihm kuratierte Bestseller. Dazu gehören ein EU-kritisches, auch aufgrund von Plagiatsvo­rwürfen umstritten­es Buch des rechtskons­ervativen Politikers Philippe de Villiers ebenso wie Lebenserin­nerungen von dessen Bruder, dem bekannten französisc­hen General Pierre de Villiers. Vor allem aber: drei Gesprächsb­ände mit Kardinal Robert Sarah, der Diat zufolge der erste „schwarze Papst“werden könnte. Sie wurden zu Bestseller­n – allerdings habe das, behauptet Journalist Fred´e-´ ric Martel, damit zu tun, dass Mäzene und Stiftungen die Bücher zu Zehntausen­den aufkauften, zwecks Gratisvert­eilung in Afrika (eine davon, die US-Organisati­on „Les Chevaliers de Colomb“, bestätigte das auch).

Wie u. a. von ihm präsentier­te Fotos in den sozialen Netzwerken zeigen, pflegt Diat auch gute Kontakte mit Benedikt XVI. und dessen Privatsekr­etär Georg Gänswein. Oder muss man mittlerwei­le sagen: pflegte?

Der unumstritt­en von Benedikt stammende Zölibatste­xt aus dem Buch ist übrigens seit Mittwoch auf Deutsch zu lesen: Die deutsche „Tagespost“hat ihn veröffentl­icht.

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