Schuld an Scheidung künftig egal?
Regierungsplan. Bei der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft sollen neue Unterhaltsregeln gelten.
Die türkis-grüne Regierung plant Reformen im Familienrecht. Auch das Verschuldensprinzip soll überprüft werden.
Die türkis-grüne Regierung plant Reformen im Familienrecht. So sollen sich die Ehe und die eingetragene Partnerschaft stärker voneinander unterscheiden. Und bei der Scheidung könnte es künftig bei beiden Modellen keine Rolle mehr spielen, wer am Ende der Beziehung schuld ist. Doch was würden diese Änderungen bedeuten?
Dass Ehe und eingetragene Partnerschaft (EP) so ähnlich sind, hat damit zu tun, dass sie ursprünglich einen unterschiedlichen Adressatenkreis hatten. Die EP sollte nach dem Wunsch des Parlaments nur gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen, heterosexuelle Paare nur die Ehe schließen dürfen. Doch nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs stehen seit 2019 beide Rechtsinstrumente allen Paaren offen.
Nun gibt es zwar kleinere Unterschiede zwischen Ehe und EP. Etwa, dass in der Ehe ein Partner die vom anderen gewollte Scheidung sechs Jahre lang hinauszögern kann, was unterhaltsrechtlich von Vorteil ist. Bei einer EP geht das nur drei Jahre lang. Auch eine dauerhaft offene Beziehung lässt sich in einer EP leichter vereinbaren. Doch im Großen und Ganzen haben beide Rechtsinstrumente dieselben Grundideen. Man ist zu Unterhalt während der Beziehung und unter bestimmten Umständen auch nach der Scheidung zu Zahlungen verpflichtet.
Laut dem Regierungsprogramm ist das Familienrecht besser an die „heutigen gesellschaftlichen Lebensrealitäten anzupassen, unter anderem durch Herausarbeiten von Unterschieden zwischen dem Institut der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft als alternativem Modell“. Ebendies wäre auch sinnvoll, meint Rechtsanwalt Helmut Graupner, der für seine Mandanten vor Gericht die Gleichstellung von homound heterosexuellen Paaren erstritt.
Frankreich als mögliches Vorbild
So solle man sich das französische Modell zum Vorbild nehmen. Dort gebe es einen Zivilpakt, der beiden Partnern gegenseitige Rechte und Pflichten gibt. Der Pakt sei aber jederzeit einseitig aufkündbar, und danach gebe es grundsätzlich keinen Unterhalt mehr, sagt Graupner im Gespräch mit der
„Presse“. Das Modell habe sich als Einstiegsmodell für junge Leute bewährt, die später (wenn Kinder da sind) dann oft in die klassische Ehe wechseln. Mit deutlich stärkeren Verpflichtungen, auch nachehelichen.
Apropos: In welcher Höhe in Österreich nach der Scheidung Unterhalt für den ExPartner fällig wird, ist stark davon abhängig, wer am Ende der Beziehung schuld war. Familienrichter meinen, dass das zu einer gegenseitigen Beschuldigung führe. Diese erschwere dann friedliche Lösungen im Streit um Kinder. Befürworter des Verschuldensprinzips wenden ein, dass der unschuldig verlassene Part nicht noch mit nachehelichen Zahlungen behelligt werden solle.
Justizministerin Alma Zadic´ (Grüne) sagt bisher nicht, was sie im Detail plant. Im Regierungsprogramm steht, dass „das Verschuldensprinzip überprüft und gegebenenfalls neu gefasst werden soll“. Österreich sei eines der letzten Länder, in denen es das Verschuldensprinzip noch gebe, meint Graupner. Man solle sich mehr am deutschen Modell orientieren. Demnach gäbe es unabhängig vom Verschulden Unterhalt, wenn der schwächere Part nach dem Ende der Ehe Geld benötigt (etwa, weil man wegen Kindern lang zu Hause geblieben ist). Im Gegenzug könnte man von der in Österreich praktizierten Idee abkommen, nach der ein Partner umfassend vom Einkommen des schuldigen Ex-Partners profitiert. Stattdessen würde Unterhalt nur noch „nach Billigkeit“zugesprochen werden.
Staat will vor Ehe die Bürger beraten
Per Ehepakt (umgangssprachlich Ehevertrag) kann man zwar schon jetzt einen Unterhalt nach der Scheidung weitgehend ausschließen und Regelungen für eine Vermögensteilung vorab treffen. Doch gerade dafür würden hohe Gebühren an den Staat fällig werden, was dann viele von solchen Regelungen abhalte, erklärt Graupner. Diese Gebühren solle der Staat senken. Denn vorzeitige Regelungen könnten Streit vermeiden.
Und dass die Ehe auch aus Paragrafen besteht, will die Koalition den Bürgern klarmachen. So sieht das Regierungsprogramm eine „rechtliche Information vor Eheschließung und Verpartnerung“vor. Das sei zwar „äußerst unromantisch“, meint Graupner, aber „aus juristischer Sicht sehr sinnvoll“.