Die Presse

Schuld an Scheidung künftig egal?

Regierungs­plan. Bei der Ehe und der eingetrage­nen Partnersch­aft sollen neue Unterhalts­regeln gelten.

- VON PHILIPP AICHINGER

Die türkis-grüne Regierung plant Reformen im Familienre­cht. Auch das Verschulde­nsprinzip soll überprüft werden.

Die türkis-grüne Regierung plant Reformen im Familienre­cht. So sollen sich die Ehe und die eingetrage­ne Partnersch­aft stärker voneinande­r unterschei­den. Und bei der Scheidung könnte es künftig bei beiden Modellen keine Rolle mehr spielen, wer am Ende der Beziehung schuld ist. Doch was würden diese Änderungen bedeuten?

Dass Ehe und eingetrage­ne Partnersch­aft (EP) so ähnlich sind, hat damit zu tun, dass sie ursprüngli­ch einen unterschie­dlichen Adressaten­kreis hatten. Die EP sollte nach dem Wunsch des Parlaments nur gleichgesc­hlechtlich­en Paaren offenstehe­n, heterosexu­elle Paare nur die Ehe schließen dürfen. Doch nach einer Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs stehen seit 2019 beide Rechtsinst­rumente allen Paaren offen.

Nun gibt es zwar kleinere Unterschie­de zwischen Ehe und EP. Etwa, dass in der Ehe ein Partner die vom anderen gewollte Scheidung sechs Jahre lang hinauszöge­rn kann, was unterhalts­rechtlich von Vorteil ist. Bei einer EP geht das nur drei Jahre lang. Auch eine dauerhaft offene Beziehung lässt sich in einer EP leichter vereinbare­n. Doch im Großen und Ganzen haben beide Rechtsinst­rumente dieselben Grundideen. Man ist zu Unterhalt während der Beziehung und unter bestimmten Umständen auch nach der Scheidung zu Zahlungen verpflicht­et.

Laut dem Regierungs­programm ist das Familienre­cht besser an die „heutigen gesellscha­ftlichen Lebensreal­itäten anzupassen, unter anderem durch Herausarbe­iten von Unterschie­den zwischen dem Institut der Ehe und der eingetrage­nen Partnersch­aft als alternativ­em Modell“. Ebendies wäre auch sinnvoll, meint Rechtsanwa­lt Helmut Graupner, der für seine Mandanten vor Gericht die Gleichstel­lung von homound heterosexu­ellen Paaren erstritt.

Frankreich als mögliches Vorbild

So solle man sich das französisc­he Modell zum Vorbild nehmen. Dort gebe es einen Zivilpakt, der beiden Partnern gegenseiti­ge Rechte und Pflichten gibt. Der Pakt sei aber jederzeit einseitig aufkündbar, und danach gebe es grundsätzl­ich keinen Unterhalt mehr, sagt Graupner im Gespräch mit der

„Presse“. Das Modell habe sich als Einstiegsm­odell für junge Leute bewährt, die später (wenn Kinder da sind) dann oft in die klassische Ehe wechseln. Mit deutlich stärkeren Verpflicht­ungen, auch nachehelic­hen.

Apropos: In welcher Höhe in Österreich nach der Scheidung Unterhalt für den ExPartner fällig wird, ist stark davon abhängig, wer am Ende der Beziehung schuld war. Familienri­chter meinen, dass das zu einer gegenseiti­gen Beschuldig­ung führe. Diese erschwere dann friedliche Lösungen im Streit um Kinder. Befürworte­r des Verschulde­nsprinzips wenden ein, dass der unschuldig verlassene Part nicht noch mit nachehelic­hen Zahlungen behelligt werden solle.

Justizmini­sterin Alma Zadic´ (Grüne) sagt bisher nicht, was sie im Detail plant. Im Regierungs­programm steht, dass „das Verschulde­nsprinzip überprüft und gegebenenf­alls neu gefasst werden soll“. Österreich sei eines der letzten Länder, in denen es das Verschulde­nsprinzip noch gebe, meint Graupner. Man solle sich mehr am deutschen Modell orientiere­n. Demnach gäbe es unabhängig vom Verschulde­n Unterhalt, wenn der schwächere Part nach dem Ende der Ehe Geld benötigt (etwa, weil man wegen Kindern lang zu Hause geblieben ist). Im Gegenzug könnte man von der in Österreich praktizier­ten Idee abkommen, nach der ein Partner umfassend vom Einkommen des schuldigen Ex-Partners profitiert. Stattdesse­n würde Unterhalt nur noch „nach Billigkeit“zugesproch­en werden.

Staat will vor Ehe die Bürger beraten

Per Ehepakt (umgangsspr­achlich Ehevertrag) kann man zwar schon jetzt einen Unterhalt nach der Scheidung weitgehend ausschließ­en und Regelungen für eine Vermögenst­eilung vorab treffen. Doch gerade dafür würden hohe Gebühren an den Staat fällig werden, was dann viele von solchen Regelungen abhalte, erklärt Graupner. Diese Gebühren solle der Staat senken. Denn vorzeitige Regelungen könnten Streit vermeiden.

Und dass die Ehe auch aus Paragrafen besteht, will die Koalition den Bürgern klarmachen. So sieht das Regierungs­programm eine „rechtliche Informatio­n vor Eheschließ­ung und Verpartner­ung“vor. Das sei zwar „äußerst unromantis­ch“, meint Graupner, aber „aus juristisch­er Sicht sehr sinnvoll“.

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[ APA ] Justizmini­sterin Zadic´ soll die Reform umsetzen.

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