Anteil an Katholiken sinkt auf 56 %
Katholische Kirche. Die Zahl derer, die der Organisation den Rücken kehren, ist binnen eines Jahres um 15 Prozent gestiegen. Der Katholikenanteil sinkt stetig – und liegt bei 56 Prozent.
Die Zahl der Kirchenaustritte ist binnen eines Jahres um 15 Prozent gestiegen.
Wie hoch der Anteil der Katholiken in Österreich ist? Gefühlt wohl 80 Prozent plus angesichts der großen Zahl an Pfarren, Stiften und Klöstern, der vielen kirchlichen für alle arbeitsfreien Feiertage, der Präsenz in und des Einfluss(versuch)es von Bischöfen auf Gesellschaft und Politik. Tatsächlich könnte in wenigen Jahren nur noch die Hälfte der Österreicher der größten Kirche angehören.
Im Vorjahr waren es 56 Prozent, wie sich aus Angaben der katholischen Kirche vom Mittwoch und Daten der Statistik Austria errechnen lässt. Nach mehreren Jahren eines weniger deutlichen Rückganges der Zahl der Mitglieder der katholischen Kirche war der Einbruch im Vorjahr wieder besonders deutlich: Die Zahl der Kirchenaustritte ist 2019 um 14,9 Prozent gestiegen.
Unter Fünf-Millionen-Grenze
Gab es Ende des Jahres 2018 noch 5,05 Millionen Katholiken in Österreich, waren es 2019 dann 4,98 Millionen.
Das entspricht einem Rückgang von 1,35 Prozent. Als Gründe werden Missbrauchsfälle und die Vorwürfe gegen den einstigen Klagenfurter und heutigen St. Pöltener Bischof, Alois Schwarz, vermutet. Unmittelbar nach dessen Versetzung wurden Vorwürfe aus dem Gurker Domkapitel gegen ihn geäußert. Schwarz wurde das Ausschalten von Kontrollen bei der Verwaltung des vermögenden Gurker Bistums vorgehalten – und eine besondere Nähe zu einer Mitarbeiterin. Der Bischof sei im Zusammenhang mit dem Zölibat „erpressbar“gewesen. Ergebnisse einer im Vorjahr abgehaltenen, von Papst Franziskus angeordneten Visitation liegen bis heute genauso wenig vor wie Ergebnisse von Ermittlungen der Justiz gegen Bischof Alois Schwarz.
In absoluten Zahlen traten laut vorläufigen Daten der Bischofskonferenz 67.583 Personen im vergangenen Jahr aus der römisch-katholischen Kirche aus. 2018 waren es laut amtlicher Statistik 58.807. Die Diözesen meldeten dabei unterschiedlich stark akzentuierte Entwicklungen. In einigen gab es moderate Anstiege bei den Kirchenaustrittszahlen, bei anderen waren die Anstiege deutlicher ausgeprägt, wie besonders in Kärnten.
Vergleicht man die Austritte mit jenen der Jahre zuvor, ist diesmal mit den fast 15 Prozent ein überdurchschnittlich starker Anstieg zu verzeichnen. 2018 betrug dieser 8,7 Prozent, 53.698 Menschen verließen damals die Kirche. Einen historischen Höchststand gab es 2010 mit 85.960 Austritten. Dies war zu einem Gutteil auf das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen im kirchlichen Bereich zurückzuführen.
Die Zahl der in Österreich wirkenden Priester ist laut einer gleichfalls am Mittwoch veröffentlichten Statistik, die aber erst das Jahr 2018 umfasst, ebenfalls leicht zurückgegangen (von 3857 im Jahr 2017 auf 3783 im Jahr 2018), jene der Ständigen Diakone hingegen steigt.
Zurückgegangen ist neben der Zahl der Taufen auch die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher, und zwar besonders deutlich. Wurden an Zählsonntagen 2018 zwischen 502.000 und 554.000 Messbesucher registriert, so waren es 2017 noch zwischen 545.000 und 571.000. Zum Vergleich: Ende der 1990er-Jahre hat noch eine Million regelmäßig eine Messe mitgefeiert.
„Tektonische Verschiebungen“
Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak erklärte, hinsichtlich der demografischen und religionssoziologischen Entwicklung finde bereits eine „tektonische Plattenverschiebung“statt, die sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren deutlich manifestieren werde. Immer mehr junge Menschen hätten ein indifferentes Verhältnis zu Religion und Kirche. Religion habe für sie immer weniger Lebensrelevanz.
Eine weitere Entwicklung, die sie diagnostiziert: Im Segment der jungen ungebildeten und der sehr gut gebildeten Männer nehme eine Art von Atheismus mit einer starken religionsfeindlichen Komponente zu. Dies betreffe zum Teil auch junge gebildete Frauen. Polak: „Derzeit sind diese Stimmen noch nicht so laut hörbar, aber das wird sich mittelfristig ganz deutlich zeigen.“
Als einen möglichen Ansatzpunkt verwies die Pastoraltheologin auf die große Attraktivität der Young Caritas. Offenbar gebe es bei jungen Menschen ein großes Bedürfnis, sich sinnvoll für die Gesellschaft zu engagieren. Polak: „Hier gelingt es, dem, was junge Menschen beschäftigt, Raum zu geben und freilich auch mit dem christlichen Narrativ in Verbindung zu bringen.“
Ein anderes Beispiel sei die Beliebtheit der sogenannten AlphaKurse über die Grundlagen des christlichen Glaubens, die aus dem anglikanischen Bereich kommen. Es gebe einen großen Bedarf nach Räumen, „wo man sich einfach über religiöse Fragen austauschen kann, ohne dass gleich bestimmte Erwartungen daran geknüpft werden“. (d. n./kap)