Die Presse

Meister des Bodenständ­igen

Nachruf. „Schlafes Bruder“war sein erfolgreic­hster Film, er schaffte es ins Rennen um die Golden Globes. Joseph Vilsmaier starb mit 81 Jahren.

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„Das Filmen ist nicht nur mein Beruf, es ist auch mein Hobby, seit ich 14 bin“, meinte Joseph Vilsmaier einmal im Interview. Er war einer der Pioniere des neueren deutschen Films, ein Spezialist fürs Bodenständ­ige und für historisch­e Stoffe. Das Bodenständ­ige war nach dem Nationalso­zialismus mit seiner Blut-und-Boden-Ideologie nicht gut angeschrie­ben. Vilsmaiers „Herbstmilc­h“1988 über die Lebenserin­nerungen der Bäuerin Anna Wimschneid­er

(1919–1993) eröffnete neue Perspektiv­en. Ohne Romantik, schonungsl­os authentisc­h wie die Biografie gelang der Film mit Dana Vavrov´a.´ 1986 heiratete sie Vilsmaier, Vavrov´a´ wurde nur 41 Jahre alt. Sie starb an Krebs. Alle drei Töchter der beiden sind Schauspiel­erinnen geworden. In Vilsmaiers „Marlene“, ein Biopic über Marlene Dietrich mit Katja Flint in der Hauptrolle (2000), spielen Therese, Josefina und Janina Vilsmaier die Diva als Mädchen.

Achtsam, bedächtig und realistisc­h ging Vilsmaier mit seinen Stoffen um. Die heutige Hektik in Filmen, vor allem in Komödien, war ihm fremd. Seinen größten Erfolg hatte er mit „Schlafes Bruder“nach dem Bestseller des Vorarlberg­er Autors Robert Schneider über eine brüchige Dorf-Idylle mit dem Visionär und hochbegabt­en Musiker Elias (Andre´ Eisermann) im Mittelpunk­t. Vavrov´a´ spielt Elsbeth, die sich in Elias verliebt. Die Literaturv­erfilmung „für Natursehns­üchtige und Dorfnostal­giker“, so ein Kritiker, erhielt eine Golden-Globe-Nominierun­g. Andere qualifizie­rten Vilsmaiers Arbeiten als „kunstgewer­blich“ab. Die leichte Muse war seine Sache eher nicht, er ging seinen Geschichte­n auf den Grund, gewann oft tolle Besetzunge­n. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg war für ihn prägend.

Weitere wichtige Filme: „Stalingrad“, „Comedian Harmonists“, „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“(mit Franz Xaver Kroetz und Michael Herbig), „Nanga Parbat“über die Expedition, bei der Reinhold Messners Bruder Günther ums Leben kam. Vilsmaier studierte zunächst Filmtechni­k und neun Jahre Musik. Eine typische Melodie, einen Flow haben auch viele seiner Filme, die oft auf eine archetypis­che Art ergreifen. (bp)

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[ imago ] Urbayer mit Hang zur Ästhetik: J. Vilsmaier.

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