Zugangsbeschränkungen treffen die ärmsten Studierenden
Österreichs Universitäten sind überlaufen. Aufnahmetests und Studiengebühren müssen fair ausgestaltet sein.
An der Wirtschaftsuniversität Wien sind Atomuhren verhasst. Das liegt nicht an der Liebe zur Unpünktlichkeit der Studierenden, sondern daran, dass sie nötig sind, um sich für Kurse zu registrieren. Um in die gewünschte Lehrveranstaltung zu kommen, muss man Zehntelsekunden, nachdem die Anmeldung möglich ist, auf den richtigen Knopf drücken. Sonst ist sie schnell ausgebucht.
Überlaufene Bachelor-Studiengänge sind nicht neu. Sie sind der Grund, warum mehr und mehr Universitäten Zugangsbeschränkungen einführen. An der Universität Wien haben mittlerweile 19 Bachelor- und Diplomstudien Aufnahmetests. Und diese wirken, wie die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zeigte: In Fächern wie Soziologie, Anglistik und Amerikanistik sowie Rechtswissenschaften gab es so wenige Anmeldungen, dass der Test nicht durchgeführt werden musste.
Eine Win-win-Situation, in der Studierende vorab testen, ob das Fach das richtige für sie ist, während die Uni nicht mit Überbelegung zu kämpfen hat? Nein. Ein solches System ist unfair. Nicht nur, dass die Anmeldefrist mitten in der Maturazeit liegt; es werden auch 50 Euro Gebühr pro Testanmeldung fällig. Findet der Test nicht statt, wird der Betrag nicht zurückerstattet. Anstatt die Universitäten auszufinanzieren, wird der Zugang auf Kosten jener Menschen beschränkt, die es ohnehin schwer haben. Menschen aus niedrigen Schichten sind an Österreichs Unis unterrepräsentiert. Gerade 16,7 Prozent der Studienanfängerinnen und -anfänger hatten laut Studierendensozialerhebung aus dem Jahr 2015 Eltern, deren höchster Bildungsabschluss eine Lehre war.
Eine Universität soll Studierende nicht abschrecken, sondern dazu motivieren, es zu versuchen. Es ist gut, dass hierzulande, anders als in Deutschland, Schulnoten für die UniAufnahme nicht zählen und, anders als in England und den USA, keine horrenden Gebühren fällig werden. Österreichs Hochschulsektor ist vergleichsweise niederschwellig, ein Wert, den wir bewahren müssen. Wer die Matura geschafft hat, darf sich neu erproben und erfinden – und doch ist klar: Wer ziellos und unproduktiv herumstudiert, kommt die Uni teuer. Frustrierend ist es für die Betroffenen auch. Sinnvoller als kostenpflichtige und aufwandsintensive Aufnahmetests wäre deshalb die flexible Studieneingangsphase, die sich Türkis-Grün ins Regierungsprogramm geschrieben hat. Im Rahmen eines „Pilotprojekts“sollen Studierende zwei Semester lang verschiedene Lehrveranstaltungen besuchen dürfen. Die erworbenen ECTS können sie auf das gewählte Studium anrechnen.
Ein anderer Punkt aus dem Regierungsprogramm, der jüngst die ÖH Uni Wien auf die Facebook-Barrikaden trieb, ist die Ankündigung, die Studienbeiträge zu valorisieren. Die Semestergebühr von 363,63 Euro ist seit ihrer Einführung im Jahr 2000 unverändert; seit 2008 zahlen sie neben ao. Studierenden und jenen aus Drittstaaten nur Studierende, die die Regelstudienzeit plus zwei Toleranzsemester überschritten haben. Es betrifft rund 20 Prozent der Inskribierten.
Anders als in den sozialen Medien zunächst verbreitetet wurde, soll diese Valorisierung allerdings nicht rückwirkend angewandt werden. Trotzdem wäre sie ein falsches Signal: Die Studiengebühren betreffen vielfach jene Studierende, die sie sich ohnehin nicht leisten können – also die, die neben dem Studium arbeiten müssen. Das sind 61 Prozent der Studierenden. Im Schnitt arbeiten sie knapp 20 Stunden pro Woche; allerdings schränken schon elf Stunden Erwerbstätigkeit den Studienfortschritt ein.
Wer beim Studieren bummelt, tut es also nicht immer freiwillig. Erwerbstätige waren bis 2016 von Studiengebühren ausgenommen; der VfGH hob diese Regelung wegen eines Fehlers als gleichheitswidrig auf. Die Forderung der ÖH, dies zu reparieren, ist eine vernünftige. Die Finanzierung der Unis darf nicht von einkommensschwachen jungen Menschen getragen werden.