Die Presse

„Europäer agieren etwas seltsam“

US-Handelsmin­ister Wilbur Ross im „Presse“-Interview zu Nord Stream 2 und Huawei.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Die Presse: Führten Sie fruchtbrin­gende Gespräche in Wien? Wilbur Ross: Bis jetzt schon. Sie haben hier auch über die Digitalste­uer gesprochen, mit der Österreich Gewinne von grenzübers­chreitende­n Unternehme­n wie Google oder Facebook besteuert.

Wir haben das Gefühl, dass das eine sehr protektion­istische und diskrimini­erende Maßnahme ist. Wir können die Versuchung nachvollzi­ehen. Auch wir denken, dass etwas unternomme­n werden muss, allerdings auf globaler Basis und gerecht. Aber wir mögen nicht, wenn ein System so designt wird, dass es ausschließ­lich amerikanis­che Firmen trifft. Wie würden die USA reagieren, wenn Länder wie Frankreich oder Österreich die Digitalste­uer weiter vorantreib­en?

Es wäre ein Albtraum, wenn jedes Land andere Regeln hätte. Wir hoffen, dass die OECD einen Mechanismu­s bietet, um eine Lösung zu finden. Mit dem Konzept einer globalen Minimalste­uer können wir uns anfreunden, anderersei­ts darf die Besteuerun­g von Unternehme­n, die grenzüberg­reifend und ohne physische Präsenz in einzelnen Ländern agieren, nicht nur den Digitalber­eich betreffen. Sie beschweren sich über europäisch­en Protektion­ismus. Ist es nicht umgekehrt? Trumps Handelspol­itik ist doch durch und durch protektion­istisch.

Wir haben mehr als alle anderen, insbesonde­re mehr als unsere Kritiker, dafür getan, Handelssch­ranken zu reduzieren. Worin bestehen unsere Deals mit China, mit Mexiko und Kanada, mit Japan? Im Abbau von Handelsbar­rieren! Europäer sind sehr gut darin, über Freihandel zu reden, aber sehr schlecht darin, Freihandel auch zu praktizier­en. Europa ist der protektion­istischste Ort, den man sich vorstellen kann. Nach dem ersten Deal, den die USA im Handelsstr­eit mit China geschlosse­n haben, sind in Europa so manche nervös geworden. Wird sich Donald Trump nun Europa zuwenden?

Die USA haben sich nie von Europa abgewendet. Die Europäer errichten die Barrieren, nicht die USA. Sie wollen nicht über Landwirtsc­haft verhandeln und behaupten, Standards seien keine Handelsthe­men. US-Präsident Trump hat in Davos bemerkt, dass es schwierige­r sei, mit den Europäern zu verhandeln als mit den Chinesen. Teilen Sie diese Einschätzu­ng?

Es stimmt. Mit China haben wir die großen Phase-1-Verhandlun­gen abgeschlos­sen. Mit Europa hingegen haben wir nicht wirklich viel zusammenge­bracht. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker kam vor eineinhalb Jahren, und es gab eine kleine Aufregung um Sojabohnen. Das war doch ein Erfolg damals.

Es war ein netter Anfang. Aber wir glauben, die Sojabohnen hätte Europa sowieso gekauft. Der Punkt ist: Es ist komplexer, mit Europa zu verhandeln als mit China. Der EUHandelsk­ommissar braucht ein Mandat aller 27 Mitgliedst­aaten. Ein Land sagt, wir können Landwirtsc­haft nicht in die Verhandlun­gen einbeziehe­n, und damit hat es sich. Ein anderes Land weigert sich, Standards anzurühren, und schon ist das Thema vom Tisch. Erwarten Sie, dass der Handelsstr­eit mit Europa noch heuer beigelegt werden kann?

Präsident Trump kündigte in Davos nach dem Treffen mit EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen und Handelskom­missar Phil Hogan an, das Thema bis zum Ende des Jahres abzuschlie­ßen – auf die eine oder andere Weise. Und davon getrennt wollen wir mit dem Vereinigte­n Königreich verhandeln. Für die Briten wäre ein Handelsabk­ommen mit den USA essenziell. Ist das bis Ende des Jahres machbar?

Das hoffen wir. Mit dem Vereinigte­n Königreich haben die USA viel weniger Streitpunk­te als mit der EU. Die britische und die amerikanis­che Wirtschaft sind einander deutlich ähnlicher. Beide sind im Grunde genommen Dienstleis­tungswirts­chaften, in denen der Finanzsekt­or eine große Rolle spielt. Als eine Achillesfe­rse der europäisch­en, insbesonde­re der deutschen Wirtschaft könnte sich die exportorie­ntierte Autoindust­rie erweisen. Werden die USA, wenn es hart auf hart kommt, die Einfuhrzöl­le auf europäisch­e Autos erhöhen?

Wir hatten sehr ermutigend­e Diskussion­en mit den Autoherste­llern selbst. Wir können keine Verträge mit den einzelnen Unternehme­n machen, aber unser Ziel ist es, dass die Hersteller verstärkt in den USA produziere­n und forschen. Es ist gut möglich, dass wir eher mit den Firmen als mit der EU zu einem Ergebnis kommen. Es gibt doch schon viele europäisch­e Autofabrik­en in den USA.

Das sind hauptsächl­ich Montagewer­ke. Wir streben an, dass auch höherwerti­ge Teile in den USA hergestell­t werden: Motoren, Batterien, außerdem Forschung und Entwicklun­g für Elektroaut­os etc. Haben Sie denn Hinweise, dass die Regierung Trump infolge Ihrer Handels- und Wirtschaft­spolitik tatsächlic­h Jobs in die USA zurückholt­e?

Sicher. Wir haben 500.000 Industriej­obs und wahrschein­lich Zehntausen­de neue Fabriken geschaffen, seit Trump sein Amt antrat. Wir drehten frühere Trends um. Aber Sie können all diese Zahlen doch nicht auf Ihre „America First“-Politik zurückführ­en.

Nein, nicht alle. Aber Sie müssen auf die Politik des Präsidente­n in ihrer Gesamtheit schauen. Die stärksten Auswirkung­en auf den Handel hatten die Steuersenk­ungen und die Deregulier­ungsmaßnah­men. Die Energiekos­ten sind deutlich niedriger geworden. Dies alles hat es viel attraktive­r gemacht, Werke in den USA zu eröffnen und zu betreiben, auch für österreich­ische Unternehme­n wie Voest, Red Bull oder Borealis. Die USA exportiere­n Flüssiggas. Mit Nord Stream 2, das Gas von Russland nach Deutschlan­d bringen soll, ist Ihre Regierung auch deshalb nicht sehr glücklich . . .

Wir sind überhaupt nicht glücklich damit. Nord Stream 2 reduziert nicht die Abhängigke­it Europas von russischem Erdgas. Die Europäer agieren etwas seltsam, wenn sie die Nato einspannen, um Europa vor einer möglichen Aggression Russlands zu bewahren, und gleichzeit­ig von russischer Energie abhängig sind. Ist das ein Grund, um Unternehme­n mit Sanktionen zu bestrafen, die an der Herstellun­g der Pipeline beteiligt sind?

Wir haben diese Sanktionen verhängt, weil wir sie für angemessen halten. Souveräne Staaten müssen doch souverän entscheide­n können, woher sie ihre Energie beziehen.

Es ist auch eine souveräne Entscheidu­ng, Sanktionen zu verhängen. OMV ist an Nord Stream 2 beteiligt. Müssen auch österreich­ische Firmen Sanktionen fürchten?

Wenn wir Sanktionen verhängen, kündigen wir das an. Wir haben keine weiteren Sanktionen angekündig­t. Sie haben wiederholt vor Huawei gewarnt. Was ist so gefährlich daran, wenn diese chinesisch­e Telekommun­ikationsfi­rma das 5G-Netz aufbaut?

China schreibt Privatunte­rnehmen per Gesetz vor, mit der Volksbefre­iungsarmee und den nationalen Nachrichte­ndiensten zusammenzu­arbeiten. Wir mögen die Idee nicht, dass ein Unternehme­n unter diesen Bedingunge­n eine zentrale Telekommun­ikationsin­frastruktu­r zur Verfügung stellt. Das ist ein sehr gefährlich­es Sicherheit­srisiko. Denn 5G soll das Internet der Dinge ermögliche­n, das alles miteinande­r vernetzt. Wenn jemand Schaden anrichten will, kann er die gesamte Wirtschaft lahmlegen. Macht es Ihnen keine Sorgen, dass die US-Staatsvers­chuldung unter Trump schwindele­rregende Höhen erreicht hat?

Der richtige Weg, mit dem Schuldenpr­oblem umzugehen, ist es, das Wirtschaft­swachstum zu beschleuni­gen. Trump trieb aber die Schulden in Zeiten außergewöh­nlichen Wirtschaft­swachstums hoch.

Das passiert überall. Nennen Sie mir Länder, die ihre Schulden reduziert haben. Deutschlan­d zum Beispiel.

Deutschlan­d ist die Ausnahme. Deutschlan­d lebt in einer glückliche­n und geschützte­n Welt mit einem relativ schwachen Euro, der ihren Exportmoto­r auf Touren hält. Deutschlan­d zahlt zudem nicht seinen fairen Beitrag zur Nato. Sie treten für Währungszö­lle ein, um Länder zu bestrafen, die ihre Währungen manipulier­en. Wie soll das funktionie­ren?

Künftig soll in Zollberech­nungen berücksich­tigt werden, ob Währungen in besonderem Ausmaß unterbewer­tet sind, um einzelne Industrien zu bevorteile­n. An welche Staaten denken Sie?

Dieses Werkzeug soll breit anwendbar sein. Wir hatten kein besonderes Land im Visier, als wir diese Regeln einführten. Wir hatten immer die Macht, so vorzugehen. Aber um fair zu allen zu sein, wollten wir klarmachen, was wir in solchen Fällen tun werden. Wären Sie bereit, Trump in einer zweiten Amtszeit zu dienen?

Versuchen wir zuerst, seine Wiederwahl sicherzust­ellen.

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[ Clemens Fabry] US-Handelsmin­ister Wilbur Ross im Interview in der US-Botschaft in Wien.

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