„Europäer agieren etwas seltsam“
US-Handelsminister Wilbur Ross im „Presse“-Interview zu Nord Stream 2 und Huawei.
Die Presse: Führten Sie fruchtbringende Gespräche in Wien? Wilbur Ross: Bis jetzt schon. Sie haben hier auch über die Digitalsteuer gesprochen, mit der Österreich Gewinne von grenzüberschreitenden Unternehmen wie Google oder Facebook besteuert.
Wir haben das Gefühl, dass das eine sehr protektionistische und diskriminierende Maßnahme ist. Wir können die Versuchung nachvollziehen. Auch wir denken, dass etwas unternommen werden muss, allerdings auf globaler Basis und gerecht. Aber wir mögen nicht, wenn ein System so designt wird, dass es ausschließlich amerikanische Firmen trifft. Wie würden die USA reagieren, wenn Länder wie Frankreich oder Österreich die Digitalsteuer weiter vorantreiben?
Es wäre ein Albtraum, wenn jedes Land andere Regeln hätte. Wir hoffen, dass die OECD einen Mechanismus bietet, um eine Lösung zu finden. Mit dem Konzept einer globalen Minimalsteuer können wir uns anfreunden, andererseits darf die Besteuerung von Unternehmen, die grenzübergreifend und ohne physische Präsenz in einzelnen Ländern agieren, nicht nur den Digitalbereich betreffen. Sie beschweren sich über europäischen Protektionismus. Ist es nicht umgekehrt? Trumps Handelspolitik ist doch durch und durch protektionistisch.
Wir haben mehr als alle anderen, insbesondere mehr als unsere Kritiker, dafür getan, Handelsschranken zu reduzieren. Worin bestehen unsere Deals mit China, mit Mexiko und Kanada, mit Japan? Im Abbau von Handelsbarrieren! Europäer sind sehr gut darin, über Freihandel zu reden, aber sehr schlecht darin, Freihandel auch zu praktizieren. Europa ist der protektionistischste Ort, den man sich vorstellen kann. Nach dem ersten Deal, den die USA im Handelsstreit mit China geschlossen haben, sind in Europa so manche nervös geworden. Wird sich Donald Trump nun Europa zuwenden?
Die USA haben sich nie von Europa abgewendet. Die Europäer errichten die Barrieren, nicht die USA. Sie wollen nicht über Landwirtschaft verhandeln und behaupten, Standards seien keine Handelsthemen. US-Präsident Trump hat in Davos bemerkt, dass es schwieriger sei, mit den Europäern zu verhandeln als mit den Chinesen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Es stimmt. Mit China haben wir die großen Phase-1-Verhandlungen abgeschlossen. Mit Europa hingegen haben wir nicht wirklich viel zusammengebracht. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kam vor eineinhalb Jahren, und es gab eine kleine Aufregung um Sojabohnen. Das war doch ein Erfolg damals.
Es war ein netter Anfang. Aber wir glauben, die Sojabohnen hätte Europa sowieso gekauft. Der Punkt ist: Es ist komplexer, mit Europa zu verhandeln als mit China. Der EUHandelskommissar braucht ein Mandat aller 27 Mitgliedstaaten. Ein Land sagt, wir können Landwirtschaft nicht in die Verhandlungen einbeziehen, und damit hat es sich. Ein anderes Land weigert sich, Standards anzurühren, und schon ist das Thema vom Tisch. Erwarten Sie, dass der Handelsstreit mit Europa noch heuer beigelegt werden kann?
Präsident Trump kündigte in Davos nach dem Treffen mit EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Handelskommissar Phil Hogan an, das Thema bis zum Ende des Jahres abzuschließen – auf die eine oder andere Weise. Und davon getrennt wollen wir mit dem Vereinigten Königreich verhandeln. Für die Briten wäre ein Handelsabkommen mit den USA essenziell. Ist das bis Ende des Jahres machbar?
Das hoffen wir. Mit dem Vereinigten Königreich haben die USA viel weniger Streitpunkte als mit der EU. Die britische und die amerikanische Wirtschaft sind einander deutlich ähnlicher. Beide sind im Grunde genommen Dienstleistungswirtschaften, in denen der Finanzsektor eine große Rolle spielt. Als eine Achillesferse der europäischen, insbesondere der deutschen Wirtschaft könnte sich die exportorientierte Autoindustrie erweisen. Werden die USA, wenn es hart auf hart kommt, die Einfuhrzölle auf europäische Autos erhöhen?
Wir hatten sehr ermutigende Diskussionen mit den Autoherstellern selbst. Wir können keine Verträge mit den einzelnen Unternehmen machen, aber unser Ziel ist es, dass die Hersteller verstärkt in den USA produzieren und forschen. Es ist gut möglich, dass wir eher mit den Firmen als mit der EU zu einem Ergebnis kommen. Es gibt doch schon viele europäische Autofabriken in den USA.
Das sind hauptsächlich Montagewerke. Wir streben an, dass auch höherwertige Teile in den USA hergestellt werden: Motoren, Batterien, außerdem Forschung und Entwicklung für Elektroautos etc. Haben Sie denn Hinweise, dass die Regierung Trump infolge Ihrer Handels- und Wirtschaftspolitik tatsächlich Jobs in die USA zurückholte?
Sicher. Wir haben 500.000 Industriejobs und wahrscheinlich Zehntausende neue Fabriken geschaffen, seit Trump sein Amt antrat. Wir drehten frühere Trends um. Aber Sie können all diese Zahlen doch nicht auf Ihre „America First“-Politik zurückführen.
Nein, nicht alle. Aber Sie müssen auf die Politik des Präsidenten in ihrer Gesamtheit schauen. Die stärksten Auswirkungen auf den Handel hatten die Steuersenkungen und die Deregulierungsmaßnahmen. Die Energiekosten sind deutlich niedriger geworden. Dies alles hat es viel attraktiver gemacht, Werke in den USA zu eröffnen und zu betreiben, auch für österreichische Unternehmen wie Voest, Red Bull oder Borealis. Die USA exportieren Flüssiggas. Mit Nord Stream 2, das Gas von Russland nach Deutschland bringen soll, ist Ihre Regierung auch deshalb nicht sehr glücklich . . .
Wir sind überhaupt nicht glücklich damit. Nord Stream 2 reduziert nicht die Abhängigkeit Europas von russischem Erdgas. Die Europäer agieren etwas seltsam, wenn sie die Nato einspannen, um Europa vor einer möglichen Aggression Russlands zu bewahren, und gleichzeitig von russischer Energie abhängig sind. Ist das ein Grund, um Unternehmen mit Sanktionen zu bestrafen, die an der Herstellung der Pipeline beteiligt sind?
Wir haben diese Sanktionen verhängt, weil wir sie für angemessen halten. Souveräne Staaten müssen doch souverän entscheiden können, woher sie ihre Energie beziehen.
Es ist auch eine souveräne Entscheidung, Sanktionen zu verhängen. OMV ist an Nord Stream 2 beteiligt. Müssen auch österreichische Firmen Sanktionen fürchten?
Wenn wir Sanktionen verhängen, kündigen wir das an. Wir haben keine weiteren Sanktionen angekündigt. Sie haben wiederholt vor Huawei gewarnt. Was ist so gefährlich daran, wenn diese chinesische Telekommunikationsfirma das 5G-Netz aufbaut?
China schreibt Privatunternehmen per Gesetz vor, mit der Volksbefreiungsarmee und den nationalen Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten. Wir mögen die Idee nicht, dass ein Unternehmen unter diesen Bedingungen eine zentrale Telekommunikationsinfrastruktur zur Verfügung stellt. Das ist ein sehr gefährliches Sicherheitsrisiko. Denn 5G soll das Internet der Dinge ermöglichen, das alles miteinander vernetzt. Wenn jemand Schaden anrichten will, kann er die gesamte Wirtschaft lahmlegen. Macht es Ihnen keine Sorgen, dass die US-Staatsverschuldung unter Trump schwindelerregende Höhen erreicht hat?
Der richtige Weg, mit dem Schuldenproblem umzugehen, ist es, das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen. Trump trieb aber die Schulden in Zeiten außergewöhnlichen Wirtschaftswachstums hoch.
Das passiert überall. Nennen Sie mir Länder, die ihre Schulden reduziert haben. Deutschland zum Beispiel.
Deutschland ist die Ausnahme. Deutschland lebt in einer glücklichen und geschützten Welt mit einem relativ schwachen Euro, der ihren Exportmotor auf Touren hält. Deutschland zahlt zudem nicht seinen fairen Beitrag zur Nato. Sie treten für Währungszölle ein, um Länder zu bestrafen, die ihre Währungen manipulieren. Wie soll das funktionieren?
Künftig soll in Zollberechnungen berücksichtigt werden, ob Währungen in besonderem Ausmaß unterbewertet sind, um einzelne Industrien zu bevorteilen. An welche Staaten denken Sie?
Dieses Werkzeug soll breit anwendbar sein. Wir hatten kein besonderes Land im Visier, als wir diese Regeln einführten. Wir hatten immer die Macht, so vorzugehen. Aber um fair zu allen zu sein, wollten wir klarmachen, was wir in solchen Fällen tun werden. Wären Sie bereit, Trump in einer zweiten Amtszeit zu dienen?
Versuchen wir zuerst, seine Wiederwahl sicherzustellen.