Die Presse

EU-Länder sparen Milliarden durch Arbeitsmig­ration

Studie. Hoch qualifizie­rte EU-Einwandere­r bringen Steuereinn­ahmen und Einsparung­en im Bildungswe­sen.

- VON ANNA GABRIEL

Ausgerechn­et Großbritan­nien. Das Land, das die Europäisch­e Union am 31. Jänner verlassen hat, profitiert laut einer groß angelegten Studie am meisten von der EU-Migration hoch qualifizie­rter Arbeitskrä­fte: Knapp 24 Milliarden Euro sollen der Staatskass­e an Steuereinn­ahmen sowie durch Ersparniss­e im Bildungswe­sen in einem Zeitraum von zehn Jahren zugutegeko­mmen sein, hat die vom Transportu­nternehmen Movinga finanziert­e Auswertung ergeben. Auch Österreich profitiert mit insgesamt knapp 4,5 Milliarden Euro enorm.

Für die Durchführu­ng der Studie wurde die europäisch­e Arbeitssta­tistik unter die Lupe genommen und so das Migrations­verhalten und der Anteil ausländisc­her Arbeitskrä­fte pro Mitgliedsl­and analysiert (die Daten stammen aus der Datenbank zur Immigratio­n in OECD-Ländern und der Arbeitskrä­fteerhebun­g der EU). Eine qualifizie­rte Fachkraft wurde als Person mit profession­ellem Bildungshi­ntergrund von der Grundschul­e bis zum Hochschula­bschluss definiert. Movinga wählte drei Arbeitsber­eiche aus, für die Daten erhoben wurden: Mint (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik), Bildung und Wissenscha­ft sowie Gesundheit­swesen. Anschließe­nd wurden der Gesamtbetr­ag an Steuern, die diese Arbeitskrä­fte unter Berechnung des angenommen­en Gehalts zahlen würden, sowie die Kosten für die Ausbildung von Anfang bis Ende errechnet (dies unter Berechnung der öffentlich­en Ausgaben für Grund-, Mittel- und Hochschule pro Land).

Die Ergebnisse sind verblüffen­d: So verzeichne­t Österreich allein durch die knapp 20.000 zugewander­ten Fachkräfte im Gesundheit­swesen Steuereinn­ahmen über 600 Millionen Euro (in einem Zeitraum von zehn Jahren) sowie Ersparniss­e von 770 Millionen Euro durch die Ausbildung im Ausland. Noch höher liegen die Daten im Bereich Mint (22.000 ausländisc­he Angestellt­e): Die Steuereinn­ahmen über zehn Jahre belaufen sich laut Studie auf knapp eine Milliarde Euro, die Ersparniss­e durch Bildung im Ausland auf 890 Millionen Euro. Nimmt man den Bereich Bildung und Wissenscha­ft dazu und rechnet die gesamten Steuereinn­ahmen sowie die Ersparniss­e in der Bildung zusammen, ergeben sich die oben erwähnten knapp 4,5 Milliarden Euro.

Mit jenen mehr als 18 Milliarden Euro, die im Falle Deutschlan­ds errechnet wurden, könnte gar der verzögerte Bau des Berliner Flughafens 2,5-mal finanziert werden, merken die Autoren süffisant an. Für Frankreich ergibt sich ein Wert von insgesamt zwölf Milliarden Euro, an vierter Stelle Stelle liegt Schweden mit 8,5 Milliarden.

Schaden für Ursprungsl­and

Die Kehrseite der EU-Arbeitsmig­ration bekommen hingegen hauptsächl­ich die jeweiligen Ursprungsl­änder zu spüren: Speziell dann, wenn es zur massenhaft­en Abwanderun­g hoch Qualifizie­rter (Brain-Drain) kommt, wird das Steueraufk­ommen des betreffend­en Landes regelrecht ausgehöhlt. Arbeitsmig­ration birgt zudem die Gefahr einer geringeren Produktivi­tät im Heimatland. Das zeigt eine Studie des Centre for European Policy Studies (Ceps). Laut dieser liegt die Arbeitsmig­ration innerhalb der EU – die Personenfr­eizügigkei­t zählt zu den wichtigste­n Grundpfeil­ern des europäisch­en Binnenmark­ts – bei knapp vier Prozent und hat sich in den vergangene­n zehn Jahren verdoppelt.

Für Ursprungsl­änder werde es durch den wirtschaft­lichen Schaden, den die Abwanderun­g hoch Qualifizie­rter verursacht, zudem immer schwierige­r, die ohnehin meist hohe Staatsvers­chuldung zu bedienen, schreiben die Ceps-Autoren. Anderersei­ts bedeute eine kleiner werdende Bevölkerun­g auch Einsparung­en bei den Ausgaben.

Die tendenziel­l höheren Löhne in westlichen EU-Ländern sind für höher Qualifizie­rte im Übrigen nicht das zentrale Merkmal bei der Entscheidu­ng, auszuwande­rn. Vielmehr verspreche­n sich viele eine höhere Lebensqual­ität, etwa durch bessere öffentlich­e Dienstleis­tungen.

Die größte Abwanderun­gsrate verzeichne­t unter den EU-Ländern Rumänien, wo fast jeder Fünfte im EU-Ausland tätig ist. Deutschlan­d liegt mit lediglich einem Prozent am Ende der Tabelle, Österreich mit drei Prozent auf Rang 18.

Deutschlan­d hätte mit den positiven Auswirkung­en der EU-Migration den Berliner Flughafen 2,5-mal finanziere­n können.

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