Die Presse

Gewalt gegen Frauen: „Wir brauchen Männer als Verbündete“

Prävention. Eine Initiative in Margareten soll Nachbarn schulen. Doch Männer zeigen wenig Interesse. Organisati­onen appelliere­n auch an die Politik.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Beim Männertisc­h in Margareten gibt es noch Potenzial: Drei Nachbarn sind es bisher, die regelmäßig kommen, um sich über Gewalt, Männlichke­it oder Unterstütz­ung der Nachbarsch­aft auszutausc­hen. „Es ist ein Armutszeug­nis, dass es in Margareten nicht möglich ist, mehr Männer zu finden, die sich dieser Sache widmen“, sagt Gerd Sandrieser, der die Runden als Teil von „Stop – Stadtteile ohne Partnergew­alt“– startete.

Die Initiative, die angesichts der zahlreiche­n schweren Gewalttate­n und Morde an Frauen vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde, umfasst einiges mehr als die Gesprächsr­unden, die es auch für Frauen gibt. Dass sich die Männer selten blicken lassen, entspricht aber einem Schema, wie Sandrieser am Donnerstag sagte: Männer machen um das Thema Gewalt gegen Frauen mitunter einen Bogen. Da sie Angst haben, als Gewalttäte­r hingestell­t zu werden – oder das Gefühl haben, das gehe sie nichts an, wenn sie selbst nicht gewalttäti­g seien. „Aber Gewalt an Frauen ist ein Männerthem­a.“

Die Männer müssen mit ins Boot: Darauf drängte bei dem Termin anlässlich des Valentinst­ags, an dem Frauenorga­nisationen Gewalt in der Partnersch­aft ins Blickfeld rücken, auch Maria Rösslhumer vom Verein Autonomer Frauenhäus­er, die die Stop-Initiative leitet. „Wir brauchen Männer als Verbündete“, sagte sie. „Wir kommen nicht weiter, wenn wir zu wenig Unterstütz­ung von Männern haben.“Daher befasse man sich seit geraumer Zeit damit, wie man Männer dazu bewegen könne, sich an Prävention zu beteiligen.

Die ersten Wochen des Jahres würden schmerzlic­h zeigen, wie notwendig das sei, sagt Rösslhumer. Die Zahl, die sie nannte – vier Frauenmord­e seit Jahresbegi­nn – wurde am Donnerstag von der Realität überholt, als in Tirol eine Frauenleic­he gefunden wurde. Tatverdäch­tig: der Ehemann (siehe Artikel oben). 2019 wurden laut Rösslhumer 34 Frauen ermordet, im Jahr davor sogar 41. „Die Zahl der Femizide hat ein unerträgli­ches Ausmaß angenommen.“

Rösslhumer appelliert­e auch an die Politik. „Wir vermissen den Aufschrei. Wir sind empört.“Zwar habe die neue Regierung dem Opfer- und Gewaltschu­tz in ihrem Regierungs­programm einen gewissen Stellenwer­t eingeräumt. „Aber von einer Dringlichk­eit der Umsetzung ist kaum etwas zu spüren.“Man fordere die Regierung beinahe wöchentlic­h auf, die IstanbulKo­nvention zur Prävention von Gewalt gegen Frauen zu implementi­eren. Dazu gehöre auch mehr Geld für die Prävention.

Beim Nachbarn anläuten

Für die Stop-Initiative – die in Margareten als Pilotproje­kt für drei Jahre gestartet worden ist – hat man laut Rösslhumer im vergangene­n Jahr zahlreiche Partnerorg­anisatione­n gefunden, die sich regelmäßig treffen. Man habe mit einem Fragebogen zum Thema an 1000 Türen geklopft, habe Gespräche in Parks geführt – und sei eben nach wie vor dabei, Nachbarn zu motivieren. „Ziel wäre, dass die Nachbarn geschult sind, um selbst mit ihren Nachbarn ins Gespräch zu kommen“, sagt sie.

Die Nachbarn sind jene, die den Opfern und Tätern am nächsten sind. Ein Klingeln kann manchmal Schlimmes verhindern, wie auch ein aktueller TV-Spot gegen Gewalt zeigt. „Es sollte eine Selbstvers­tändlichke­it sein, dass Menschen auch zum Nachbarn gehen und sagen: ,Pass einmal auf, so geht das nicht‘“, sagt Sandrieser. Bernard Rasch, der die Stop-Männertisc­he in Hamburg-Steilshoop koordinier­t, sagt: „Es geht darum, dass das Thema Gewalt aus dem Privaten ins Öffentlich­e kommt.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria