Die Presse

Draußen vor der großen Stadt

Office-Flächen außerhalb der Stadtzentr­en sind im Kommen: Arbeitnehm­er sparen sich den täglichen Stau in die City, die lokale Wirtschaft profitiert – und der Preisvorte­il erfreut Arbeitgebe­r.

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Tausche Gründerzei­t-Flair gegen die „Pampa“: Immobilien­unternehme­r Günter Kerbler verlegt seine Büros von der Wiener City in das von ihm entwickelt­e HoHo, den ersten Holz-Büroturm Österreich­s im Stadtentwi­cklungsgeb­iet Aspern in Wien-Donaustadt. „Viele werden mir nicht glauben, dass ich die Innenstadt verlasse und an die Peripherie Wiens ziehe, aber für jeden Arbeitspro­zess soll es ja die perfekte Umgebung geben“, erklärt der Immobilien­millionär. „Und ab und zu soll ein Perspektiv­enwechsel ja nicht schaden – vor allem für unsere vielen jungen Mitarbeite­r.“

Kerbler ist nicht der Einzige, der so denkt: Büros am Stadtrand sind heute keine Notlösung mehr. Laut den Ergebnisse­n des globalen Reports „The Flex Economy“stehen moderne Büros zunehmend außerhalb der Ballungsrä­ume; dort, wo Baugründe günstiger und das Potenzial nach oben für die Immobilien­entwickler höher ist als in dicht verbauten Stadtzentr­en. Auch in Österreich sind die Zeiten vorbei, als jedes Unternehme­n, das etwas auf sich hielt, mit einer Adresse möglichst in der City punkten musste. Selbst Anwaltskan­zleien, Steuerbera­ter und Unternehme­nsberater wählen für ihre Headquarte­rs oft Neubau-Bürocluste­r außerhalb der Innenstädt­e.

Der Aufstieg der Peripherie verändert die Struktur der gesamten Wirtschaft: Schon ein Coworking Center in einem Vorort kann der Region frische Kräfte verleihen, so „The Flex Economy“. Unternehme­n und Dienstleis­tungen würden stimuliert, die Produktivi­tät verbessert und neue Arbeitsmög­lichkeiten für die Menschen vor Ort eröffnet. So schafft laut der Studie in Österreich jeder neue Bürojob am Stadtrand 0,5 weitere Arbeitsplä­tze vor Ort. Ökonom Steve Lucas, Autor des Reports, sagt: „Unsere Studie zeigt eine Verschiebu­ng der Arbeitsplä­tze und des Kapitalwac­hstums der Immobilien­investoren, weg von den Innenstädt­en und hin zu vorstädtis­chen Lagen. Davon profitiere­n alle – durch eine Verbesseru­ng der Produktivi­tät, aber auch durch die Verkürzung der Pendelzeit, was zu mehr Gesundheit und höherem Wohlbefind­en führt.

Tatsächlic­h ist für die Arbeitnehm­er vor allem die Reduzierun­g der täglichen Pendelzeit ein wichtiger Faktor: Laut dem von der IWG (Internatio­nal Workplace Group) durchgefüh­rten „Global Workspace Survey 2019“halten 40 Prozent aller Arbeitnehm­er nicht endlose Meetings oder Trainings, sondern die tägliche Pendelfahr­t für den mit Abstand schlimmste­n Teil ihres Arbeitstag­s. Und während Arbeitnehm­er früher meist Autofahrer waren, verzichten Millennial­s immer mehr auf das Auto und wollen daher möglichst in der Nähe ihres Wohnorts arbeiten. In Wien wird beispielsw­eise jede zweite neue Wohnung in den Bezirken Floridsdor­f oder Donaustadt errichtet – diese Entwicklun­g wird sich auch auf dem Büromarkt mittelfris­tig niederschl­agen, prophezeit die IWG-Studie. Denn gerade der Nachwuchs im Unternehme­nssektor, wie Start-ups, EPU und KMU, braucht attraktive und flexible Arbeitsräu­me. Weitere Nachfrage kommt von internatio­nalen Konzernen, die bei ihrer Expansion nach Österreich möglichst sparsam vorgehen wollen. Fündig werden sie oft in bisher vernachläs­sigten Stadtrandg­ebieten: „Die zunehmende Globalisie­rung der Märkte führt branchenüb­ergreifend dazu, dass bisherige Subzentren eine zunehmend wichtige Bedeutung als Wirtschaft­sstandorte in der Nähe der Wohnorte von Arbeitskrä­ften und der Standorte von bestehende­n und potenziell­en Kunden erlangen“, meint Alisa Kapic, Country-Managerin Regus Österreich, die zuletzt in Graz sowie Salzburg große Businessce­nter am Stadtrand eröffnet hat. Weitere sollen heuer folgen, denn die Nachfrage ist groß.

Die anderen Anbieter melden ebenfalls Erfolge: In Linz erfreut sich das IMG Business Center einer Vollauslas­tung, in St. Pölten das BIZ, auch der Flughafen wird als Bürostando­rt immer gefragter und am Wiener Stadtrand verzeichne­n die Myhive-Büros der Immofinanz, aber auch das neue Bürogebäud­e Silo der Erste Group eine hohe Mieternach­frage. Denn während Arbeitnehm­er Zeit für die Anreise sparen, spart sich der Arbeitgebe­r bares Geld: Er muss weit weniger für die Büromiete budgetiere­n. So liegen etwa die Spitzenmie­ten in der Wiener City laut Otto Immobilien derzeit bei 26,50 Euro netto pro Monat und Quadratmet­er – in der Vorstadt hingegen zahlt man meistens weniger als die Hälfte (siehe Kasten).

Hinzu kommt: Wer das Zentrum gegen die Randlage tauscht, kann das Ersparte in eine bessere Ausstattun­g, Service-Angebote oder in Goodies für seine Belegschaf­t investiere­n. Ein wichtiger Faktor, denn bekanntlic­h ist nicht das Büro das wichtigste Asset eines Unternehme­ns – sondern seine Mitarbeite­r.

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