Ein Stall aus Architektenhand
Immer mehr Bauern lassen vom Architekten planen. Eindrucksvolle landwirtschaftliche Gebäude sollen die Qualität hochwertiger Lebensmittel unterstreichen.
Als Ingo Metzler den Bergbauernhof seiner Eltern im Vorarlberger Egg übernahm, war ihm bewusst, dass sich etwas ändern müsse. Im harten Kampf um den Preis von Milchprodukten sah er für seine Landwirtschaft im Bregenzerwald keine Chance. „Mir blieb nur die Möglichkeit, Produkte mit Zusatzwerten anzubieten, mit Qualität und Nachhaltigkeit“, erzählt er. Um die Vorzüge seiner anspruchsvollen Erzeugnisse bewusst zu machen, entschied er sich, Architektur als Marketinginstrument zu nutzen: „Gute Architektur spricht jeden an“, war seine Überlegung.
Die Idee ließ sich anfangs allerdings gar nicht so leicht umsetzen, berichtet Metzler: „Mit vier Architekten hat es nicht geklappt, erst im fünften Anlauf haben wir den richtigen gefunden.“Christian Läßer aus Lustenau wurde schließlich beauftragt, einen neuen landwirtschaftlichen Bau zu entwickeln. Der Planer schuf zwei parallele Baukörper, die durch Holz, Sichtbeton und großzügige Glasflächen außergewöhnlich wirken. Die Gebäude enthalten Stallungen und Verarbeitungsbereiche für die hofeigenen Produkte sowie den Hofladen, und sie werden allen funktionellen Anforderungen des landwirtschaftlichen Betriebes gerecht.
Ein wichtiges Anliegen von Metzler war es beispielsweise, seinen Kunden die Möglichkeit zu bieten, sich selbst ein Bild von der
Tierhaltung zu machen. „Die Konsumenten möchten heute wissen, wo Lebensmittel herkommen, sicher sein, dass sich die Tiere wohl fühlen – diesen Einblick ermöglicht diese Architektur.“Die Ställe, aber auch die Sennerei und der Melkstand verfügen über Galerien. Von dort können Besucher das Geschehen beobachten, ohne die Stallbewohner und den Arbeitsablauf zu stören.
Rund 10.000 Kunden kommen pro Jahr auf den Bauernhof. Das Konzept ist voll aufgegangen. Mit dem landwirtschaftlichen Betrieb aus Architektenhand, der deutlich mehr Geld kostete, ist Metzler deshalb höchst zufrieden. Die zusätzlichen Investitionen haben sich in seinen Augen gelohnt, auch wenn der Trend der industriellen Landwirtschaft heute dahin geht, die Kosten pro Tierplatz so niedrig wie möglich zu halten. „Einen solchen billigen Stall könnte ich mir nicht leisten“, meint er doppelsinnig dazu und resümiert: „Ich würde es heute wieder genau so machen.“
Auch Landwirte mit Fleischtierhaltung schenken der Architektur zunehmend Beachtung. Die Familie Huemer im oberösterreichischen Hausruck hat sich beispielsweise auf Wagyu spezialisiert, das in seiner Heimat Japan Kobe-Rind heißt und auf der ganzen Welt eine begehrte Spezialität mit entsprechendem Preis ist. Huemer verkauft heute sowohl dieses hochwertige Wagyu-Fleisch als auch lebende Rinder. Den Stall für seine Tiere ließ er vom Wiener Architekten Herbert Schrattenecker planen, und dafür gab es sogar den Bauherrenpreis 2019. Schrattenecker ist Spezialist für Holzbauweise und realisierte den Rinderstall in Oberösterreich mit Fichten und Tannen aus der Region, die mit dem Können lokaler Zimmerleute bearbeitet wurden. Bewusst verzichtete er auf Leimholz. „Das ist natürlich eine Herausforderung für die Statik; um so zu arbeiten, bedarf es großer Erfahrung“, erzählt Schrattenecker, der neben seinem Studium auch das Tischlerhandwerk gelernt hat. Bei der Form des Stalls ließ er sich analog zu den Wagyu von japanischen Holzbauweisen inspirieren.
Aber es ging ihm dabei um den Nutzen, erläutert der Planer unter Verweis auf die pagodenartigen Vordächer: „Sie sind eine Geste, aber vor allem haben sie Vorteile: Schutz für die Tiere außerhalb des Gebäudes auf der einen, die Möglichkeit, den Heuwagen darunter abzustellen auf der anderen Seite.“Eine Reminiszenz an Japan sind auch die Seitenwände, die aus senkrechten und horizontalen Stäben errichtet wurden. Auf die hier üblichen schrägen Stäbe hat der Planer verzichtet, was die markante Form des Stalls unterstreicht. „Diese Konstruktion ist sehr elastisch, das ist bei den häufigen Erdbeben in Japan ein Vorteil“, berichtet er. Natürlich kostete der hochwertige Wagyu-Stall mehr als eine Billiglösung, aber er soll – so verspricht der Architekt – 100 bis 150 Jahre halten: „So hat man früher gedacht, das ist die Zeit, die die Bäume zum Nachwachsen brauchen.“
So wie Metzler und die Familie Huemer erkennen immer mehr Landwirte, die auf hochwertige Lebens- und Genussmittel setzen, dass die Architektur der landwirtschaftlichen Gebäude entscheidend mithilft, den Qualitätsgedanken zu signalisieren. Ganz vorn dabei sind die Winzer. Leo Hillinger etwa – ein Beispiel von vielen – hat in seinen Weingärten im burgenländischen Jois schon vor fünfzehn Jahren einen von klaren Linien geprägten, massiv wirkenden Bau mit großer Glasfront errichten lassen, der komplett mit den Traditionen herkömmlicher Winzerhäuser bricht. Aus diesem blickt man auf das Leithagebirge und den Neusiedler See. Die Räumlichkeiten werden außerdem für Feste, Seminare, Firmenfeiern oder Hochzeiten vermietet – bei denen natürlich Wein von Hillinger eine Rolle spielt.