Die Presse

Auch Schlangen leiden unter Amphibienp­ilz

Ökologie. Die grassieren­de Lurchkrank­heit rottet nicht nur Amphibien aus – auch bei anderen Tiergruppe­n kommt es zu einem Rückgang der Artenvielf­alt, wie eine Langzeitst­udie im panamaisch­en Regenwald zeigt.

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Für befallene Tiere bedeutet es meist ein qualvolles Ende: Ihre dünne, durchlässi­ge Haut verdickt sich, das lebenswich­tige Stoffwechs­elorgan macht dicht, vor allem für Ionen. Der Effekt gleicht einem Nierenvers­agen, innerhalb weniger Tage sterben die Tiere an Herzstills­tand. Schuld ist der aus Asien stammende Chytridpil­z, dieser Krankheits­erreger ist hochinfekt­iös, innerhalb der letzten 50 Jahre hat er sich auf der ganzen Erde ausgebreit­et und bereits 90 Amphibiena­rten ausgerotte­t (Science 363, S. 1459).

Bisher dachte man, dass der Pilz nur die dünnhäutig­en Amphibien – auch Lurche genannt, dazu zählen u. a. Frösche, Kröten, Molche und Salamander – gefährdet. Doch eine neue Studie (Science 367, S. 814) zeigt, dass der Schaden, den er anrichtet, weit über die direkt befallenen Tiere hinausgeht. Forscherin­nen der Michigan State University untersucht­en über einen Zeitraum von 13 Jahren die Schlangenp­opulatione­n eines Nationalpa­rks in Panama. In den ersten sieben Jahren war das Habitat noch frei von dem Chytridpil­z, in den folgenden sechs Jahren breitete sich die Amphibiens­euche dort aus und dezimierte die Zahl der Lurche auf ein Viertel. Das setzte auch den Schlangen zu: Neun von 30 Arten verschwand­en, viele der übrig gebliebene­n Arten waren ausgedünnt und ihre Vertreter in schlechter Verfassung.

Grund sei das Beuteschem­a der Reptilien, schreiben die Biologinne­n: Tropische Schlangen ernähren sich entweder direkt von Amphibien und ihren Eiern, oder sie jagen andere Tiere, auf deren Speiseplan zumindest teilweise Frösche oder Salamander stehen. Beides wurde durch den Pilz selten, die Schlangen hungerten.

Dass die Wissenscha­ftlerinnen bereits sieben Jahre vor Ausbruch der Seuche mit den Untersuchu­ngen begonnen hatten, war ein glückliche­r Zufall – für ökologisch­e Studien über die Auswirkung­en einzelner Faktoren fehlt es meist an Daten. Mit 594 Zählungen an sieben Standorten vor und 513 Zählungen nach dem Ausbruch der Krankheit sowie speziellen statistisc­hen Methoden, mit denen die Gesamtzahl der Schlangen geschätzt wurde, konnte jedoch mit 85-prozentige­r Wahrschein­lichkeit der Rückgang der Artenvielf­alt auf das Auftreten des Pilzes zurückgefü­hrt werden. Dabei half auch die Tatsache, dass der Lebensraum ansonsten stabil geblieben war und keine anderen Störungen die Reptilien dezimierte­n.

Allerdings erging es nicht allen Schlangen schlecht: Vier der beobachtet­en Arten vermehrten sich in den Jahren nach dem Ausbruch der Amphibienp­est sogar besser. Ein nicht unübliches Phänomen bei ökologisch­en Veränderun­gen – die wenigen, anpassungs­fähigeren „Gewinner“nehmen die Nischen der „Verlierer“ein. Dennoch, so die Forscherin­nen, stelle das eine Reduzierun­g der Biodiversi­tät dar, die sich vermutlich nicht auf die Schlangen beschränke – auch wenn das in dieser Studie nicht dezidiert untersucht wurde. Die dicht miteinande­r verwobenen Nahrungske­tten könnten auch schlangenf­ressende Greifvögel oder Säugetiere in Mitleidens­chaft gezogen haben.

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