„Nehmen Sie Ihre Integration selbst in die Hand“
Flüchtlinge. Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) war am Freitag zu Gast in einem Kurs für asylberechtigte Frauen.
Vorne stehen zwei Flipcharts. „Arbeit“hat die Kursleiterin in großen Lettern daraufgeschrieben und will wissen, warum es sich lohnt, arbeiten zu gehen. Die Dolmetscherin übersetzt auf Arabisch und blickt in die Runde. Im Sesselkreis haben 22 Frauen Platz genommen. Die meisten tragen Kopftuch. Nach einer Weile kann man auf dem Flipchart die Antworten „Kontakt“, „Sprache“und „Beitrag zur Gesellschaft“lesen.
Plötzlich wird der Kurs unterbrochen. Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab tritt ein, schüttelt eine Hand nach der anderen und heißt jede Frau mit einem „Grüß Gott“willkommen. Dann nimmt auch sie im Sesselkreis Platz. Mit dem Besuch eines Kurses zur Arbeitsmarktintegration im Integrationszentrum Wien hat Raab am Freitag ihre Tour durch Österreich gestartet. Sie soll unter dem Motto „Fördern und fordern“ stehen. Diese Auftritte, die Ankündigungen und die türkise Ministerin selbst werden unter besonderer Beobachtung stehen – sowohl von der Opposition als auch vom Regierungspartner. Immerhin hat Raab jenes Kapitel des Koalitionspakts umzusetzen, in dem die Grünen noch Grauslichkeiten sehen.
Zurück im Sesselkreis. Die Ministerin hat das Wort ergriffen und erzählt den Frauen vom „Land der Chancen“, in dem sie nun leben würden, es liege allerdings „an Ihnen selbst, die Chance auch zu ergreifen“. Dazu müssten sie in erster Linie Deutsch lernen, mit Österreichern in Kontakt treten und ihr eigenes Geld verdienen.
Immerhin, erläutert die Ministerin später vor den Medien, sei die Arbeitslosenquote unter weiblichen Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten besonders hoch. Bei Syrerinnen liege sie bei 67 Prozent. Die Asylwerber würden mit „extrem unterschiedlichen“Vorkenntnissen ins Land kommen. Von der studierten Chemikerin, die sich im Kurs zu Wort meldet, bis zu Analphabeten. Es gebe auch solche, die man „lehren müsse, einen Stift zu halten“, wie es Raab formuliert.
Im Kurs dürfen nun die Frauen Fragen an die Ministerin stellen. Es geht eine Hand hoch. Doch die wird übersehen. Zuerst soll Fatma, mit der man das offenbar vorab besprochen hat, zu Wort kommen. Sie dankt Österreich – auch dafür, dass sie hier gelernt habe, dass Frauen dieselben Rechte wie Männer haben und nicht der eine automatisch für die Finanzen und der andere für die Kinder zuständig sei. Das hört Raab gern und fragt: „Wie funktioniert das in ihrer Familie?“Sie sei nun geschieden, sagt Fatma, aber trotzdem nicht arm. Derzeit würden sie und ihre drei Kinder Mindestsicherung kriegen.
Viele der Frauen in diesem freiwilligen Kurs sind schon drei, vier Jahre in Österreich. Auf Deutsch trauen sich aber nur wenige zu sprechen. Nouralhuda ist eine davon. „Ich lerne YouTube. Nicht Deutschkurs“, sagt sie. Auch die junge Syrerin, die neben der Ministerin sitzt, besucht keinen Sprachkurs. Das sei gar nicht möglich. Sie verfüge noch über keinen Asylbescheid. Der Bund finanziert Deutschkurse für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Die Co-Finanzierung von Deutschkursen für Asylwerber ist allerdings ausgelaufen. Angesichts dessen hat SOS Mitmensch zuletzt über eine Verschlechterung des Kursangebots geklagt. Die Ministerin sieht das anders. Der Bund habe sich dazu entschieden, dann zu investieren, wenn Menschen langfristig in Österreich bleiben, und dafür gebe es genügend Plätze.
Die Frauen versucht die Ministerin zum Deutschsprechen zu animieren. „Trauen Sie sich“, sagt Raab und verabschiedet sich mit dem Satz: „Nehmen Sie Ihre Integration selbst in die Hand.“