Die Presse

Renzi torpediert die Ex-Genossen

Italien. Die fragile Koalition zwischen Linksdemok­raten und Fünf Sterne steht wegen des Ex-Premiers auf der Kippe. Regierungs­chef Conte drohte schon mit Rücktritt.

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Italiens Regierung steht wieder einmal auf der Kippe. Diesmal droht die Koalition nicht am ewigen Partnerstr­eit zwischen Fünf-Sterne-Bewegung und den Linksdemok­raten zu scheitern. Sondern am Friendly Fire des kleinen Rebellen im Bund: an Italia Viva, der Partei von Matteo Renzi. Der Ex-Premier hat sich im Herbst mit einer Handvoll Getreuer von den Linksdemok­raten abgespalte­t. Seit Amtsantrit­t der Koalition im September schießt er gegen das Team von Regierungs­chef Giuseppe Conte und seine früheren Genossen quer.

Eskaliert ist der Streit am Donnerstag, als Renzis Ministerin­nen ein Kabinettst­reffen boykottier­ten. Conte spricht offen von Bruch. „Ich akzeptiere keine Erpressung­en mehr. Dieser Widerstand von Italia Viva ist schlicht und einfach unerhört“, schimpfte er. Er sei unter diesen Umständen bereit zu gehen. Die Koalition braucht allerdings Italia Viva für eine Mehrheit im Parlament. Laut Medien ist

Conte bereits auf der Suche nach neuen Partnern, die Italia Viva ersetzen könnten. Dazu Renzi: „Wenn Conte eine neue Koalition bilden will, dann soll er das tun. Aber wir werden für einen Sitz in der Regierung sicher nicht unsere Überzeugun­g aufgeben.“

Anlass der jüngsten Spannungen war ein Streit über eine im Ministerra­t am Donnerstag verabschie­dete Reform, die Zeitlimits für die Dauer von Gerichtsve­rfahren vorsieht. In Italien dauern Prozesse überdurchs­chnittlich lang. Viele Verfahren verjähren, Angeklagte werden freigespro­chen – davon hat unter anderem Silvio Berlusconi profitiert. Die Fünf-Sterne-Bewegung fordert seit Jahren eine Verjährung­sfrist bei Prozessen.

Renzis Partei sieht Probleme in den Details und will im Parlament gegen die Reform stimmen. Italia Viva droht mit einem Misstrauen­santrag gegen Justizmini­ster Alfonso Bonafede (Fünf Sterne), der die Justizrefo­rm entworfen hat. Für Conte wäre dies ein Grund, die Koalition mit Renzi aufzulösen. Die Fünf-Sterne-Bewegung gehört seit jeher zu den Erzfeinden Renzis: Die „Grillini“haben 2016 den damaligen Premier zu Fall gebracht, als sie erfolgreic­h gegen dessen Verfassung­sreform mobil gemacht haben.

Wie es nun weitergeht, ist ungewiss. In italienisc­hen Medien kursiert bereits der Herbst als möglicher Wahltermin. Denn zuerst müssen die Italiener Ende März in einem Referendum über die Reduktion der Zahl der Abgeordnet­en abstimmen.

Allerdings hätte keiner der Beteiligte­n Interesse an Parlaments­wahlen: Die Fünf Sterne laborieren an einer Führungs- und Identitäts­krise, verlieren ständig an Zustimmung und eine Regionalwa­hl nach der anderen. Den Linksdemok­raten fehlen die mehrheitsf­ähigen Alliierten, und Renzis Partei selbst kommt nur auf knapp vier Prozent. Einzig Opposition­schef Matteo Salvini dürfte profitiere­n: Seine rechte Lega ist stärkste Kraft und wartet nur auf den richtigen Moment für ein Comeback.

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