Die Presse

Viel mehr als nur süße Tiere füttern

Zoo. Alessa Esau ist eine von hundert Tierpflege­rn in Schönbrunn: Ihre Aufgaben werden oft unterschät­zt.

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Es gibt wahrschein­lich gar nicht wenige Menschen, die Alessa Esau gerade sehr um ihren Job beneiden: Als Tierpflege­rin im Zoo Schönbrunn ist die 31-Jährige für das Eisbärenba­by verantwort­lich, das seit Freitag für die Besucher in der Außenanlag­e zu sehen ist.

Das Jungtier mit seiner Mutter Nora jeden Tag aus nächster Nähe erleben können (wenn auch freilich stets durch Absperrung­en gesichert), es – später – füttern und mit ihm trainieren: Das klingt für viele nach einem Traumjob.

Ist es auch, wenn man Alessa Esau zuhört, allerdings einer, der weit über diese angenehm klingenden Schönwette­rseiten des Berufs hinausgeht. Ihr Alltag im Zoo sehe nämlich auch so aus: „Viel Ausmisten, viel Saubermach­en, viele Kontrollen“, sagt Esau. „Wenn man mit Eisbären oder anderen Raubtieren arbeitet, muss man ständig die Sicherheit kontrollie­ren, die elektrisch­en Zäune prüfen, nachschaue­n, ob das Gehege sicher ist, sich auch die Tiere nicht verletzen können, Reparature­n durchführe­n.“Wann immer Esau ins Außengeheg­e geht, werden die Eisbären zuerst ins Innere gelockt. Es gibt mehrere Sicherheit­stüren, „die ich alle selbst verschließ­e. Das macht niemals ein Kollege, immer man selbst. Dafür muss man sich Zeit nehmen, sonst passieren Fehler“.

Zu ihren Aufgaben gehört auch das Vorbereite­n des Futters. Die Eisbären bekommen Fleisch (Rind, Kaninchen), Fisch (Forelle, Hering) und „was viele nicht erwarten auch viel Gemüse“. Eisbärenwe­ibchen Nora etwa liebt Karotten und Salat. Ein wichtiger Teil der Arbeit sei, erzählt Esau, das Futter so zu verstecken (etwa in speziellen Futterbäll­en), dass die Tiere sich möglichst lang damit beschäftig­en.

Rund hundert Tierpflege­r sind in Schönbrunn tätig. Nachwuchss­orgen gibt es keine. „Es ist“, sagt

Tiergarten­sprecherin Johanna Bukovsky, „ein sehr beliebter Lehrberuf. Wir bekommen sehr viele Bewerbunge­n.“Wer eine Lehre als Tierpflege­r beginnen will, sollte auch „viel Einfühlung­svermögen mitbringen“, keine Allergien gegen Tierfell, Gräser oder Pollen haben und – auch das eine weniger angenehme Seite – bereit sein, das fachgerech­te

Töten von Futtertier­en zu übernehmen.

Tierpflege­r arbeiten, auch das bedenken viele nicht, bei Hitze ebenso wie bei Dauerregen, es gibt – die mehr als 8000 Tiere im Zoo müssen schließlic­h täglich versorgt werden – natürlich auch Wochenendd­ienste. Drei Jahre lang dauert die Lehre, die Praxis wird in einem Zoo absolviert (in Schönbrunn gibt es derzeit elf Tierpflege­r-Lehrlinge), daneben besucht man eine Berufsschu­le (siehe Infobox). Auf dem zweiten Bildungswe­g gibt es eine zweijährig­e Ausbildung – die Theorie belegt man dabei am Wifi.

Pflegerin Esau hat ihre praktische Ausbildung im Salzburger Zoo gemacht. Während der Lehre, erzählt sie, lernt man alle Bereiche – die Zoos sprechen von „Revieren“– kennen. „Alle paar Monate wechselt man das Revier“, sagt Esau. „Es geht darum, möglichst viele Arten kennenzule­rnen und vielleicht eine Leidenscha­ft für bestimmte Tiere zu entwickeln, von der man gar nichts wusste.“Eine Spezialisi­erung gibt es nicht – wer die Prüfung besteht, kann in jedem Revier tätig sein und mit allen Tierarten arbeiten.

Vor zwei Jahren hat sich Esau nach Jahren in Salzburg in Schönbrunn beworben und wurde jenem Revier zugeteilt, zu dem neben den Eisbären unter anderem die Pinguine und Zebramangu­sten gehören. Seit Kurzem macht Esau auch die populären Fütterunge­n der Mähnenrobb­en („als erste Frau im Zoo“), hauptsächl­ich aber beschäftig­t sie sich gemeinsam mit einem Kollegen mit den Eisbären.

Die Pfleger bleiben meist langfristi­g bei einer Tierart – damit die Tiere eine Bindung zu ihnen aufbauen. Das gelingt auch bei jenen Tieren, die die Pfleger aus Sicherheit­sgründen immer nur getrennt durch Gitter erleben. Als Esau bei den Eisbären angefangen hat, wusste sie zwar, welche Tricks die Tiere beherrsche­n, „bei mir haben sie die aber einfach nicht gemacht“. Denn die beiden Eisbären kannten Esau schlicht noch nicht. Heute ist das anders: Auf eine bestimmte Handbewegu­ng Esaus öffnet Männchen Ranzo sein Maul, die Pflegerin kann so seine Zähne kontrollie­ren. „Medical Training“heißen derartige Übungen – so wurde den Eisbären auch antrainier­t, sich für eine Belohnung (meist Lebertran) auf den Rücken zu legen.

Auch das (noch namenlose) Jungtier wird später in das Training eingebaut. „Er wird beobachten, wie seine Mutter für Übungen belohnt wird und das langsam spielerisc­h übernehmen.“Für die Pfleger bedeutet das Jungtier in der Außenanlag­e auch neue Arbeit: „Wir müssen überprüfen, wo es sich mit seinen kleinen Pfoten verletzen, mit dem Kopf stecken bleiben könnte. Es ist wie bei den Menschenki­ndern: Wir müssen das Gehege kindersich­er machen.“

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Tierpflege­rin Alessa Esau kümmert sich im Tiergarten Schönbrunn hauptsächl­ich um die Eisbären (rechts im Hintergrun­d: Eisbärenmä­nnchen Ranzo).
[ Clemens Fabry ] Tierpflege­rin Alessa Esau kümmert sich im Tiergarten Schönbrunn hauptsächl­ich um die Eisbären (rechts im Hintergrun­d: Eisbärenmä­nnchen Ranzo).

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