Kritischer Bericht: Österreich nicht für Wandel in Pflege gerüstet
Rechnungshof. Prüfer kritisieren, dass die Finanzierung zwischen Bund und Ländern unklar geregelt ist. Anschober ortet Rückenwind für Reform.
Die Österreicher werden immer älter, es gibt weniger pflegende Angehörige und das professionelle Angebot reicht nicht aus – in diesem Sinn sieht der Rechnungshof (RH) Österreich bei der Pflege nicht ausreichend auf demografische Veränderungen vorbereitet. Erstmals hat der RH auch eine Kostenstatistik erstellt: Mehr als ein Drittel müssen die Bürger privat zahlen.
Wie aus dem am Freitag veröffentlichten Bericht hervorgeht, haben die RH-Prüfer für 2016 Gesamtkosten in der Höhe von 7,9 Milliarden Euro für 452.688 Pflegebedürftige berechnet. 2,9 Milliarden davon kamen vom Bund, rund 2,1 Milliarden von den Ländern und Gemeinden. Der Rest, also 2,9 Milliarden, wurden privat abgedeckt – das sind knapp 37 Prozent.
Der größte Anteil der 7,9 Milliarden ist den Pflegeheimen zuzurechnen (3,4 Mrd.), gefolgt von der Pflege durch Angehörige (3,1 Mrd.). Die 24-Stunden-Betreuung schlägt mit 0,6 Milliarden zu Buche. Hier kritisiert der RH, dass die Kosten sowie Herkunft und Verwendung der Mittel nicht systematisch erfasst werden. Und, dass der Bund zwar mehr als die Länder zahlt, diese aber überwiegend die Pflegezuständigkeit innehaben.
Auch auf das ungleiche Verhältnis von pflegenden Angehörigen und Personen ab 80 Jahren weist der RH hin. Bis 2060 werde sich dies drastisch ändern: von vier auf nur noch 1,6 potenziell Pflegende pro über-80-Jährigem.
Das Pflegeangebot müsse erweitert werden. Nötig wäre dazu eine bundesweit abgestimmte Bedarfsprognose sowie eine Gesamtstrategie zur Weiterentwicklung der Dienstleistungen. Außerdem müsse ein Finanzierungssystem entwickelt werden. Der RH meint weiter: Es brauche eine koordinierte Gesamtsteuerung, eine klare Zuordnung der Verantwortung sowie eine Schnittstelle zwischen Gesundheit und Pflege.
Weitere Kritikpunkte: Österreichweite Vorgaben, wie Heimtarife und Personalausstattung zu managen sind, fehlen. Außerdem gebe es keine bundesweit gültigen Qualitätsstandards für Pflegeheime. Derzeit sei auch nicht klar, welches Leistungsniveau in welchen Pflegeeinrichtungen erwartet werden könne.
Der grüne Sozialminister Rudolf Anschober verspürte am Freitag durch den kritischen Rechnungshofbericht Rückenwind für seine Reformbestrebungen – vor allem in der Kritik an mangelnder Koordination der Akteure und der zersplitterten Finanzverantwortung. Anschober strebt eine gemeinsame Bund-Länder-Steuerung, gemeinsame Standards und eine gemeinsame Finanzierung an. Schwerpunkte der geplanten Reform sei das Erreichen jener 76.000 zusätzlichen Mitarbeiter, die bis 2030 benötigt würden. Bei der 24-Stunden-Pflege sprach Anschober die Qualitätssicherung an. Und die mobilen Dienste müssten ausgebaut werden: Anschober will Bund, Länder und Gemeinden neben anderen Akteuren und Parteien einbinden.
Nach der Kritik des RH sehen sowohl die Oppositionsparteien SPÖ und Neos als auch die Caritas Handlungsbedarf, wie diese am Freitag mitteilten. Die Caritas hofft etwa, dass die „Pflege nicht selbst zum Pflegefall wird“. (APA)