Bankkauf für 42 Mrd. auf Putin-Art
Bank. Braucht der russische Staat Geld, ist er kreativ. Im aktuellen Fall kauft das Finanzministerium die Hälfte der landesweit größten Bank, der Sberbank. Und zwar mit einem finanziellen Kunstgriff.
Man kann nicht behaupten, dass die bisherige Aktionärsstruktur in der russischen Sberbank, dem immerhin landesweit und osteuropaweit größten Geldinstitut, gewöhnlich wäre. In Wirklichkeit ist sie den restlichen Marktteilnehmern immer schon ein Dorn im Auge gewesen, schließlich besitzt die russische Zentralbank, die unter anderem auch für die Bankenaufsicht zuständig ist, 50 Prozent plus eine Aktie an der Sberbank. Zur ohnehin hyperdominanten Marktposition der Sberbank, die mit ihren 278.000 Mitarbeitern 95 Millionen Kunden im In- und elf Millionen im Ausland bedient, kam immer wieder die nicht unberechtigte Mutmaßung, dass die Zentralbank in einem Interessenkonflikt stehe und ihre extrem erfolgreiche und profitable QuasiHalbtochter dort wie da auch bevorzuge.
Damit soll nun allerdings Schluss sein. Wie in den vergangenen Tagen thematisiert und am Donnerstag in der Regierung gleich beschlossen wurde, verkauft die Zentralbank ihren Hälfteanteil an das Finanzministerium.
Die Transaktion beläuft sich nach derzeitigem Börsenkurs auf etwa 2,9 Billionen Rubel, umgerechnet 42 Milliarden Euro. Es ist damit der zweitgrößte Firmenkauf in der russischen Wirtschaftsgeschichte, nachdem der staatliche Ölkonzern Rosneft 2013 für 56 Milliarden Dollar die private Ölgesellschaft TNK-BP erworben hatte.
War letzteres Geschäft damals eine Renationalisierung, so handelt es sich im aktuellen Bankendeal formal um ein Geschäft, bei dem das Aktienpaket eigentlich von einer staatlichen Institution (Zentralbank) in eine andere (Finanzministerium) wandert. Finanzminister Anton Siluanow bezeichnete die Aktion denn auch als einen formalen Akt.
Und doch ist der Coup mehr als bemerkenswert, wie auch die erstaunte Reaktion in Russland zeigt. „Haushaltsalchimie“, titelt etwa die Zeitung „Kommersant“dieser Tage vielsagend und brachte damit allein das wahre Motiv der
Aktion und die eigenwillige Form ihrer Finanzierung auf den Punkt.
Für die Finanzierung greift der Staat nämlich tatsächlich in die Trickkiste. Denn die 42 Milliarden Euro sollen dem Staatsfonds, genannt Nationaler Wohlstandsfonds, in mehreren Tranchen bis Ende 2022 entnommen werden. In ihm hat der Staat als Krisenvorsorge überschüssige Einnahmen aus dem Ölexport angehäuft – und zwar mittlerweile das Niveau von sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also jener Schwelle, ab der er Geld auch wieder entnehmen darf. Allein, Entnahmen sind gesetzlich auf gewisse Ausgabenzwecke beschränkt.
Mit der Verwendung für den Verkauf der halben Sberbank wird das Geld nun gewissermaßen entfesselt und freier verfügbar. Denn da die Zentralbank, die den Kaufpreis erhält, dazu verpflichtet ist, ihren Gewinn zu 75 Prozent ans Budget abzuliefern, fließt ein beträchtlicher Teil zurück zum Finanzministerium. Und dieses hat plötzlich Zigmilliarden zusätzlich, die es ausgeben kann, ohne die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Bedarf an diesem Geld hat der Finanzminister übrigens genug. Zwar hat er in den vergangenen Jahren – angesichts der langwierigen Wirtschaftskrise nach dem Ölpreisverfall und der Annexion der Krim 2014 – extrem diszipliniert gewirtschaftet und ständig Budgetüberschüsse erzielt.
Weil das Wirtschaftswachstum im Vorjahr aber auf 1,3 Prozent zurückging, ein Ausweg aus der Defacto-Stagnation nicht gelingt und das Rating von Kremlchef Wladimir Putin angesichts der Parlamentswahlen 2021 gesunken ist, hat Putin nicht nur teure Großprojekte in Auftrag gegeben, sondern kürzlich auch substanzielle Ausgabensteigerungen für kinderreiche Familien und andere soziale Initiativen angeordnet. Es gehe um insgesamt 31 Milliarden Dollar, wie das Wirtschaftsportal RBK hochgerechnet hat. Und ein beträchtlicher Teil davon wird eben aus dem Staatsfonds kommen, dessen Gelder durch den Sberbank-Deal über die Zentralbank ins Finanzministerium fließen.
An der Unternehmensstrategie bei der Sberbank sollte sich übrigens trotz künftig neuer Aktionärsstruktur nichts ändern, wie Finanzminister Siluanow soeben festhielt und wie auch SberbankChef Herman Gref zuletzt wiederholt betonte.
Dem heute 56-Jährigen aus dem liberalen Lager, der von 2000 bis 2007 Wirtschaftsminister war, ehe er die Leitung der Sberbank übernahm, ist es in der Tat gelungen, „den Elefanten zum Tanzen zu bringen“, wie er einst seine Aufgabe für das verstaubte ex-sowjetische Geldinstitut umrissen hatte. Inzwischen tanzt die Sberbank freilich auf immer mehr Hochzeiten, weil sie auf dem Weg zu einem Tech- und E-Commerce-Konzern im Dienstleistungsbereich ist. Am laufenden Band ist sie in den vergangenen Jahren neue Joint-Ventures mit Internetfirmen eingegangen – bis hin zur Essenszustellung. Nur im Ausland ist sie weniger aktiv als ursprünglich geplant bzw. hat sie sich von dort wegen Sanktionen oder mangelnder Perspektiven wieder zurückgezogen.