Das Brot aus fremden Händen
Migration. Zwei Bäcker aus Sri Lanka arbeiten in der rumänischen Landgemeinde Ditrau. Das sorgt für Feindseligkeiten bei Anwohnern – und für Wirbel im Karpatenstaat.
Noch backen die beiden Bäcker aus Sri Lanka in der 5000 Seelen zählenden Landgemeinde Ditrau im Nordosten Rumäniens ihr Brot. Doch geht es nach dem Willen empörter Anwohner, sollen die beiden 22 und 49 Jahre alten Bäckermeister trotz gültiger Arbeitspapiere ihre erst vor Kurzem angetretenen Posten in der örtlichen Backwarenfabrik verlassen – und verschwinden: Fast die Hälfte der Anwohner unterzeichnete eine Petition für ein Referendum gegen die „Überfremdung“des zu 98 Prozent von Angehörigen von Rumäniens ungarischer Minderheit bewohnten Ortes.
Mit dem Mangel an heimischen Fachkräften hatten die Betreiber der 60 Mitarbeiter zählenden Fabrik die Anstellung der beiden ersten Gastarbeiter des Ortes begründet – und für eine ungekannte Welle des Volkszorns gesorgt. Die Migranten würden die „Kultur und Sicherheit“von Ditrau gefährden, erregten sich die Teilnehmer einer Bürgerversammlung zu Monatsbeginn. Wenn auch noch andere Betriebe Ausländer anheuern sollten, würden diese ihre Familien nachholen und „wir in fünf Jahren von farbigen Menschen umgeben sein“, so eine erboste Hausfrau. „Und davor haben wir Angst.“
Auf drei bis vier Millionen Menschen wird die Zahl der im Ausland lebenden und arbeitenden Rumänen geschätzt: Die Diaspora macht fast ein Fünftel der gesamten Bevölkerung des Karpatenstaats aus.
Der anhaltende Emigrationsexodus ins Ausland hat nicht nur Rumäniens Arbeitslosenquote auf bescheidene 3,9 Prozent gesenkt, sondern auch Fachkräfte zu einem kargen Gut gemacht. Knapp 100.000 Arbeitsplätze können laut Angaben der nationalen Arbeitsbehörde nicht besetzt werden.
Bukarest hat darum 2019 die Genehmigung zur Beschäftigung von 30.000 Gastarbeitern aus Nicht-EU-Staaten erteilt – und damit für fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Die meisten Arbeitsimmigranten im Emigrationsstaat kommen aus China, der Türkei, den Philippinen und Vietnam.
Zwar sollen die beiden Bäcker von ihren Kollegen gut aufgenommen worden sein. Doch nicht nur deren Arbeitgeber, sondern auch die Vermieter, bei denen sie wohnten, haben den Volkszorn mit geballter Wucht zu spüren bekommen. Vom Vorwurf, dass die Firma mit den angeheuerten Gastarbeitern die ohnehin kärglichen Löhne weiter drücken wolle, bis zur Sorge, dass die Fremden das Coronavirus einschleppen könnten, reichen die Einwände. Er wolle kein Brot essen, das „von fremden Händen gebacken“sei, so ein aufgebrachter Bürger.
Aufgrund der Proteste sind die beiden Bäcker von Ditrau in eine Nachbarstadt umgezogen. Doch statt sie wie gefordert zu entlassen, will die Fabrik noch einen weiteren Bäcker aus Sri Lanka anstellen. Begründung: Trotz der Proteste habe sich weiter kein Anwohner für die angebotenen Stellen gemeldet. Die
Arbeitslosenrate im Ort liege bei „über zwei Prozent“, erregten sich diese Woche dennoch die Unterzeichner einer erneuten Petition: Statt Ausländer anzuheuern, solle die Firma dazu beitragen, dass „die Jugend nicht das Land verlässt“.
Manche würden wohl vergessen, dass viele Rumänen auch im Ausland arbeiten würden und ähnlich angefeindet werden könnten, ärgert sich Rumäniens geschäftsführende Arbeitsministerin, Violeta Alexandru. Den sich in der ungarischen Minderheit offenbarenden Fremdenhass hält die Zeitung „ADZ“für auch von Ungarns Staatsmedien importiert: „Dies ist die direkte Folge der Hassrhetorik von Viktor Orban.“´
Das katholische Portal romkat.ro klagt derweil über den Realitätsverlust als Folge des „Medienkriegs“gegen die vermeintliche Migrantengefahr: „Es gibt Menschen, die wortwörtlich zittern, wenn jemand mit anderer Kultur oder Hautfarbe in ihre Nähe kommt.“