Die Presse

Frauenlieb­e und -leben, einmal ganz anders

Musikverei­n. Patricia Petibon und Susan Manoff präsentier­ten das Lied-Programm ihrer jüngsten CD im Brahms-Saal und schufen mit ihrem inszeniert­en Klangtheat­er den adäquaten Raum für große Emotionen.

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Es klingt anders. Es sieht auch anders aus. Ein ganz normaler Liederaben­d ist von Patricia Petibon und Susan Manoff nicht zu erwarten. Das weiß mittlerwei­le auch das treue Wiener Abonnement­publikum und fühlt sich nicht mehr provoziert, wenn die Damen auf dem Podium des Brahms-Saals erscheinen. Man hat gelernt zu genießen, was dieses Künstler-Gespann zu bieten hat.

Den schlimmste­n Herausford­erungen eines Solo-Recitals sieht die Petibon ja ohne Weiteres in die Augen. Sie steht stumm auf dem Podium, während ihre Pianistin zum Auftakt Busonis Arrangemen­t des Bach-Chorals „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“spielt – und lauscht, wie das Publikum, was Susan Manoff da zu bieten hat.

Sie ist auf die Umhegung frei fließender Gesangslin­ien so sehr konditioni­ert, dass sie die Melodie auch in dieser Choral-Bearbeitun­g vom ersten Moment an, deutlich artikulier­end, zur Hauptstimm­e macht. Drum herum lässt sie Bachs Kontrapunk­te fließen, als wären es ihre eigenen Improvisat­ionen. In dieser Art musiziert sie auch den ganzen folgenden Abend lang sozusagen fantasievo­ll um den Gesang der Sopranisti­n herum, ihn kommentier­end, vorantreib­end oder kontemplat­iv grundieren­d.

Mit Raffinemen­t baut Petibons Kunst das Klangtheat­er, das schon auch von dem notorische­n Hang der Sängerin zu Stofftiere­n und tänzerisch­er Verbrämung ihrer Programmfo­lgen Gebrauch macht. Doch dienen die theatralis­chen Zelebratio­nen in der Regel der Unterstütz­ung des musikalisc­hen Eindrucks – und der ist enorm, vor allem dort, wo die Stimme rücksichts­los gegen alle Gesetze des klassische­n Schöngesan­gs, gradlinig und messerscha­rf Texte nachempfin­det.

Die sind im aktuellen Programm oft liebessehn­süchtig oder auch todesberei­t – dann aber gleich wieder himmelhoch jauchzend; und haben alle irgendwie mit dem Meer zu tun. Wenn aber zuletzt der Sopran ganz innig die Erinnerung an „Danny Boy“beschwört, tropft manchem im Saal ein Tränlein von der Backe . . .

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