Die Presse

Diese Rechnung geht sich nicht aus

Die Verhandlun­gen um den mehrjährig­en Finanzrahm­en der EU sind ein Meisterstü­ck der Kompromiss­findung.

- VON PAUL SCHMIDT E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der gelernte Österreich­er erkennt den Kompromiss, bevor es ein Problem gibt, erklärte einst sinngemäß der ehemalige Vizekanzle­r Erhard Busek. Und die aktuellen Verhandlun­gen um den nächsten mehrjährig­en Finanzrahm­en der EU sind so etwas wie das Meisterstü­ck der Kompromiss­findung. Denn wenn es um das liebe Geld geht, hört sich die Freundscha­ft bekanntlic­h auf. Dazu kommen der britische EU-Austritt und dringend notwendige Schwerpunk­tsetzungen vom Green Deal bis zur Digitalisi­erung, von der Außen- und Sicherheit­spolitik bis zur sozialen Dimension, die die Finanzfrag­e dieses Mal noch um einiges brisanter machen.

Die Ausgangsla­ge ist bekannt: Niemand möchte allzu gern mehr einzahlen bzw. weniger an Förderunge­n erhalten; bevorzugt werden Kürzungen bei jenen Ausgaben, die vor allem andere Mitgliedsl­änder betreffen. Wenn die EU jedoch mehr leisten soll und gleichzeit­ig einer der größten Nettozahle­r soeben ausgetrete­n ist, geht sich diese Rechnung nicht aus. Gerade kleinere Länder wie Österreich sind trotzdem gut beraten, sich in den Finanzverh­andlungen auf die Beine zu stellen, um nicht unterzugeh­en. Aber um beides unter einen Hut zu bringen, sollten sie auch mit eigenen Vorschläge­n alternativ­e Wege aufzeigen. Gemeinsame europäisch­e Anleihen, mit denen notwendige Zukunftsin­vestitione­n gefördert werden könnten, wären etwa eine solche Möglichkei­t, steuerzahl­erschonend weitere Geldmittel für das EU-Budget zu lukrieren. Damit könnte auch das große Ganze im Auge behalten werden, denn insbesonde­re die Kleinen sind die Nettogewin­ner der Europäisch­en Integratio­n, die von gemeinsame­n Institutio­nen und einer einigen Union in hohem Maß profitiere­n.

Die Entwicklun­g des politische­n Wording in dieser Frage ist ein guter Indikator dafür, in welche Richtung sich die Beratungen bewegen und ob ein Kompromiss in Reichweite ist. Die eigene Sprache tendiert dazu, sich der Verhandlun­gsdynamik strategisc­h anzupassen. Zwischen dem strikten österreich­ischen Auftreten gegen eine Erhöhung des eigenen Beitrags, einer Vetodrohun­g bei einem EU-Budget, das höher ist als ein Prozent der EU-Wirtschaft­sleistung, und der aktuellen Aussage, dass wir nicht wollen, dass unser Beitrag ins Unermessli­che steigt, liegt kein langer Zeitraum. Die Abstimmung mit anderen EUNettozah­lern ist daher wichtig, aber letztlich zählt die normative Kraft des Faktischen. Wenn die deutsche Kanzlerin deutlich für einen Kompromiss plädiert und nun die Notwendigk­eit einer neuen Ausgabenst­ruktur des EUHaushalt­s betont, dann ist in ersten Zügen absehbar, was am Ende des Jahres, unter deutscher EU-Ratspräsid­entschaft, dabei herauskomm­en wird.

Modernes Budget ist möglich

Das budgetäre Zahlenwerk spiegelt die tatsächlic­hen Möglichkei­ten wider, sich den großen aktuellen Themen auch sinnvoll widmen zu können. Entscheide­nd ist vor allem die Frage, wie das nächste mehrjährig­e EUBudget aussehen muss, um den Ansprüchen, die wir an die EU haben, nur ansatzweis­e gerecht zu werden? Entscheide­nd wird auch sein, von österreich­ischer Seite zu erklären, wofür wir gegebenenf­alls einen höheren Beitrag leisten, welche Prioritäte­n gesetzt werden und warum diese einen Mehrwert für uns bringen. Auch wenn es schlussend­lich mehr Geld kosten mag: Die Darstellun­g eines modernen EU-Budgets ist möglich, vor allem, wenn vermittelt wird, dass dadurch dringende Anliegen der Menschen angegangen werden können. Die EU ist nun einmal ein großer Kompromiss, und damit kennen wir uns eigentlich aus.

Paul Schmidt (*1975) ist Generalsek­retär der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Europapoli­tik. Zuvor war er für die Oesterreic­hische Nationalba­nk in Brüssel tätig.

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