Frieren Kinder wirklich weniger als Erwachsene?
Kleine Körper produzieren mehr Wärme, aber geben durch die verhältnismäßig größere Oberfläche auch mehr Wärme ab.
Eltern und Großeltern sorgen sich im Winter oft, dass die Kinder draußen nicht warm genug angezogen sind. Ist Kindern weniger kalt als Erwachsenen, oder merken sie nicht, wenn sie frieren? Die Psychologin Stefanie Höhl von der Uni Wien erklärt, warum den Kleinen nicht so schnell kalt ist: „Gerade im Vorschulalter bewegen sich Kinder viel mehr als Erwachsene: Wenn ein Kind rennt, klettert oder rutscht, produziert es mehr Wärme als der Vater oder die Mutter, die daneben stehen oder sitzen.“Dicke Handschuhe und drei Jackenschichten können die Kleinen bei der Bewegung stören.
„Außerdem nimmt die Autonomie-Entwicklung im Vorschulalter zu, sodass es oft zu Konflikten kommt, wenn das Kind nicht will, dass die Eltern alles über seinen Kopf hinweg entscheiden. Das Verweigern von warmer Kleidung kann eine Trotzreaktion sein“, erzählt Höhl.
Empirische Studien darüber, ab wann Kinder frieren, gibt es bisher keine: „Wohl auch, weil das Kälteund Wärmeempfinden sehr subjektiv und mit Kindern schwer objektiv zu testen ist. Was kleinen Kindern zudem noch fehlt, ist das Weiterdenken und In-die-Zukunft-Schauen. Sie müssen das erst lernen, wenn Eltern vorausblickend warnen: Zieh dich warm an, sonst wirst du später krank“, so Höhl.
Physiologisch gesehen haben Kinder zwei Probleme mit der Thermoregulation: Einerseits ist ihr Energie-Umsatz viel höher, sie produzieren im Vergleich zu Erwachsenen zwei bis drei Mal so viel Wärme. Andererseits ist das Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen drei Mal so hoch wie bei Erwachsenen, sodass sie über die verhältnismäßig große Oberfläche mehr Wärme verlieren können.
„Das ist aber im Winter kein Problem, weil die Kleidung den Wärmeverlust hemmt“, sagt Andreas Rössler, Physiologe an der Med-Uni Graz. Das Anziehen von zu vielen Schichten ist eher der Überfürsorge geschuldet. „Bis zur Pubertät ist die Thermoregulation der Kinder nicht sehr exakt: Sie können zum Beispiel kaum schwitzen, um über Verdunstungskälte den Körper zu kühlen“, sagt Rössler. So sei bei Kindern eher darauf zu achten, dass sie nicht überhitzen: Denn das thermoregulatorische Schwitzen entwickelt sich erst in der Pubertät. Jüngere Kinder schwitzen quasi zu spät, wenn der Körper schon erhitzt ist, dann rinnt aber der Schweiß an der Haut ab, anstatt in dünner Schicht für Verdunstungskälte zu sorgen. „Ein zu schnelles Auskühlen aufgrund des ungünstigen Verhältnisses von Körperoberfläche zu Volumen ist in der Luft weniger ein Problem als im Wasser, das Temperatur schnell leitet“, sagt Rössler. So verlieren Kinder im kühlen Wasser, egal wie viel sie sich bewegen, mehr Wärme als Erwachsene, wie man an bibbernden Kindern mit blauen Lippen oft sieht.
Für Wärme im Winter sorgt bei Kindern, denen etwa das Kältezittern als Thermoregulation noch fehlt, aber das braune Fettgewebe, das wie bei Winterschläfern im Tierreich die gespeicherte Energie fast zu 100 Prozent in Wärme umsetzt.
„Die Kinder haben im Nackenbereich braunes Fettgewebe, das mit der Pubertät verloren geht. Dieses produziert Wärme, wodurch vor allem der Kopfbereich thermoneutral bleibt, auch wenn es draußen kalt ist“, erklärt Rössler.