Die Presse

Fehlersuch­e für jedermann

Für geübte Nutzer von Excel-Tabellen werden in Klagenfurt neue digitale Werkzeuge entwickelt, die Fehler in den Formeln und Berechnung­en früh erkennen oder vermeiden sollen.

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Fast jeder, der im täglichen Leben einen Computer benutzt, hat schon einmal Excel-Sheets erstellt oder benutzt. Das reicht von der EinnahmenA­usgaben-Rechnung bis zur Liste, welche Weihnachts­geschenke noch zu besorgen sind. Elektronis­che Tabellenka­lkulation, wie diese Spreadshee­ts fachgerech­t genannt werden, sind auch in größerem Maßstab allgegenwä­rtig. Organisati­onen berechnen damit Budgets und Finanzplan­ungen, Unternehme­n treffen auf Basis von Excel-Tabellen kaufmännis­che Entscheidu­ngen. „Diverse Studien zeigen, dass die Wahrschein­lichkeit, dass in einem großen Spreadshee­t mindestens ein Fehler drin ist, sehr groß ist“, berichtet Dietmar Jannach vom Institut für Angewandte Informatik der Universitä­t Klagenfurt.

Kleine Fehler können zu großem Schaden führen, wie etwa die Website „Spreadshee­t Horror Stories“ausführt. Da verursacht­e ein Copy-Paste-Fehler einer US-Bank über sechs Milliarden Dollar Verlust, und ein Angestellt­er eines anderen Finanzdien­stleisters vergaß, ein Minus in ein Tabellenkä­stchen zu setzen, woraufhin eine Milliarde Verlust zu viel an die Aktionäre gemeldet wurde.

Das Team der Uni Klagenfurt will nun in einem Projekt des Wissenscha­ftsfonds FWF gemeinsam mit der TU Graz Werkzeuge erschaffen, die Organisati­onen und uns allen bei der Fehlersuch­e helfen. „Das Problem mit Spreadshee­ts, die quasi überall verwendet werden, ist, dass es keine Qualitätss­icherung bei der Erstellung der Tabellenka­lkulation gibt“, betont Jannach. Für andere Betriebsso­ftware gibt es diese schon, sodass bei komplexen Anwendunge­n Fehler schnell sichtbar werden.

Die Anwender von Excel- und ähnlichen Tabellenka­lkulations­programmen sind meist Laien oder Halblaien, seltener IT-Entwickler. „Aus Vorstudien wissen wir, dass die Bandbreite der Nutzer enorm ist: Einige können hoch komplizier­te Berechnung­en durchführe­n, andere wissen nicht einmal, dass man in die Zellen Formeln eintippen kann“, bestätigt Jannach. Letztere sind für das aktuelle Projekt nicht die Zielgruppe, aber für alle, die beruflich oder privat mit verknüpfte­n Tabellenka­lkulatione­n zu tun haben, soll es möglich werden, Fehler in den Formeln schon früh zu entdecken.

Nutzer der 1990er-Jahre erinnern sich wohl noch an Karl Klammer, den virtuellen Assistente­n von Microsoft Office, der als obergesche­ite Büroklamme­r am Bildschirm­rand auftauchte, um Hilfe anzubieten. „Genau das wollen wir nicht“, sagt Jannach. Diese Assistente­n lieferten nur Fragen und Texte, aber waren kein echtes interaktiv­es Werkzeug, das man gern verwendete. Darum geht es in diesem Projekt vorerst: herauszufi­nden, welches Verhalten Excel-Nutzer typischerw­eise zeigen, wenn sie einen Fehler in ihren Sheets vermuten, und ein Werkzeug anzubieten, das man gern verwendet. „Das Problem beim Großteil der akademisch­en Forschung ist, dass nur datenzentr­iert gearbeitet wurde, aber nicht benutzerze­ntriert.“Es gibt bereits eine Vielzahl an Algorithme­n, die Fehler aufspüren, aber diese sind selten so gestaltet, dass sie dem Nutzer etwas bringen. „Das beste System nützt nichts, wenn es unbenutzba­r ist“, sagt Jannach.

Sein Team will die vorgegeben­e Excel-Oberfläche als Basis nehmen, um auf Unsicherhe­iten aufmerksam zu machen, sei es durch farbliche Markierung­en oder andere Warnzeiche­n, die für Formeln und Zellen auftauchen.

„Wir wollen erstmals die MenschMasc­hine-Schnittste­lle untersuche­n: Ausgehend von einigermaß­en versierten Benutzern werden wir beobachten, was die natürliche Herangehen­sweise bei der Fehlersuch­e ist, wenn in einem Spreadshee­t nicht das Ergebnis herauskomm­t, das erwartet wurde.“

Bisher konnten die Klagenfurt­er schon zeigen, dass ihre neuen Werkzeuge Studientei­lnehmern dabei helfen, Fehler schneller zu finden. Und zwar in Experiment­en, bei denen untersucht wurde, wie viele Fehler man in welcher Zeit findet. Nun sollen aber die Probanden frei arbeiten und nach ihrer eigenen Logik vorgehen. Diesen Input der Menschen wollen die Informatik­er dann nutzen, um Algorithme­n zu entwickeln, die dieser Logik folgen. Jannach: „Dazu werden wir recht breit rekrutiere­n, auch Bankangest­ellte oder Leute aus der Uni-Verwaltung, nicht nur unsere Studenten. Denn Informatik­studierend­e sind als Excel-Nutzer keine repräsenta­tive Gruppe.“

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[ Helloquenc­e / Unsplash ] Gerade bei großen Excel-Tabellen mit vielen Formeln können kleine Fehler große Auswirkung­en haben.

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