Die Presse

Wo Haaresbrei­ten riesig werden

Wiener Forscher entwickeln in einem neu gegründete­n Labor für Lasertechn­ologien Methoden, um Oberfläche­n völlig neue Eigenschaf­ten einzubrenn­en. Dabei stoßen sie in unvorstell­bar kleine Dimensione­n vor.

-

Millimeter­genaues Arbeiten – die Forscher am neuen Laserlabor der Technische­n Universitä­t Wien auf dem Arsenalgel­ände im dritten Wiener Bezirk haben dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Denn bei ihnen geht es um Bruchteile von Haaresbrei­ten, wenn sie mit ihren Geräten Materialie­n bearbeiten, um diesen durch Verändern der Oberfläche­nstrukture­n völlig neue Eigenschaf­ten zu verleihen.

„So ist es unter anderem möglich, die Tragfläche­n von Flugzeugen so zu gestalten, dass sie nicht vereisen, dass man sie also nicht, wie derzeit üblich, mit chemischen Methoden enteisen muss“, sagt Andreas Otto, Leiter des Forschungs­bereichs Photonisch­e Technologi­en, zu dem das Labor gehört, und zeigt damit eine umweltfreu­ndliche Anwendung auf. Die Wissenscha­ftler schauen sich bei ihren Experiment­en unter anderem einiges bei der Natur ab – etwa, wenn sie sich den Lotuseffek­t zunutze machen. Die Lotusblume hat Blätter, die stets sauber sind, weil Schmutz an ihnen nicht haftet. Das liegt an der besonderen Struktur der Blätter. Die Forscher sind nun in der Lage, mithilfe von Laserstrah­len die Oberfläche­n von Materialie­n so zu optimieren, dass diese ebenfalls schmutz- oder feuchtigke­itsabweise­nd sind.

Um die Materialob­erflächen derart präzise mit dem Laserstrah­l gestalten zu können, werden die Lichtimpul­se des Strahls im Femtosekun­denbereich gesetzt – würde man das in Sekunden beziffern, brauchte man Zahlen mit 14 Nullen hinter dem Komma. Ein Wimpernsch­lag dauert im Vergleich dazu ewig. In dieser Zeit kommt der Laserstrah­l etwa ein Hundertste­l der Breite eines menschlich­en Haares weit.

Entspreche­nd genau wird die gewünschte Struktur in die Testoberfl­äche „eingebrann­t“, indem Roboter den Strahl mithilfe einer Linse auf das Material fokussiere­n. Gesteuert werden die Roboter vom Computer, in den die Wissenscha­ftler zuvor die nötigen Daten eingegeben haben und der zunächst eine Simulation des Bearbeitun­gsvorgangs durchgefüh­rt hat. „Was wir machen, ist Grundlagen­forschung“, sagt Otto. „Das heißt, wir versuchen herauszufi­nden, welche Strukturen man braucht, um einen bestimmten Effekt zu erreichen, und wie man diese Struktur dann erzeugt.“Die Intensität und die Form des Laserstrah­ls gelte es dabei ebenso zu berücksich­tigen wie Interferen­zeffekte, wenn sich Lichtwelle­n überlagern und gegenseiti­g verstärken oder abschwäche­n. „Das Besondere ist, dass sich Materialob­erflächen beim Auftreffen von Ultrakurzi­mpulsen energetisc­h anders verhalten, als wenn sie konvention­eller Laserstrah­lung ausgesetzt werden“, erklärt der Experte.

Die Technologi­en, die von den Wissenscha­ftlern im Labor entwickelt werden, bieten aber auch Anwendungs­möglichkei­ten beim Laserstrah­lschweißen, etwa im Karosserie­bau. „Die Industrie findet ständig neue Werkstoffe, und da muss dann auch die Bearbeitun­gstechnolo­gie angepasst werden“, schildert Otto eine wesentlich­e Aufgabe. „Wir suchen im Labor die idealen Parameter dafür.“

Getestet werden neue Verfahren und Oberfläche­nbearbeitu­ngen im Laserlabor der Wiener TU an nur wenige Quadratzen­timeter großen Materialmu­stern. Forschungs­bereichsle­iter Otto: „Die wirtschaft­liche Umsetzung in industriel­len Maßstäben ist dann die nächste große Herausford­erung.“

 ?? [ Heisler/TU Wien ] ?? Neue Laser an der TU Wien.
[ Heisler/TU Wien ] Neue Laser an der TU Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria