Sappada: Skating auf der Sprachinsel
Friaul-Julisch Venetien II. Versteckt in den Bergen im Nordwesten Friauls liegt Sappada. Hier lernen Kinder langlaufen sehr früh – sie peilen ja die Weltspitze an. Man isst alpin-italienisch und spricht Deutsch, aber auf Plodnerische Art.
Ein bisschen fühlt es sich an wie auf einer Insel der Seligen: Im norditalienischen Sappada ist der Lebensstil gelassen und sportlich. Beides überträgt sich schnell auf die Besucher. Auf den ersten Blick etwas verschlafen, entpuppt sich der lang gezogene Ort auf 1250 Metern Höhe als Langlauf-Paradies: dank der Höhe meistens mit viel Schnee und dank der sportlichen Erfolge einiger Einheimischer auch weltweit bekannt.
Stolz auf ihre Heimat sind die mehrfachen Langlauf-Olympiameister Silvio Fauner und Pietro Piller Cottrer, die insgesamt neun Olympiamedaillen gewannen. Auch Lisa Vitozzi stammt von hier. Ab einem Alter von drei Jahren stehen Kinder in Sappada schon auf Langlaufskiern und lernen von den Besten. Wenn das kein sportlicher Anreiz ist, denn man kann die Champions auch als Trainingsbegleitung in der Loipe buchen.
Das Insel-Gefühl hier rührt allerdings auch von der eigenen Sprache her: „Plodarisch ist eine Variante des österreichischen Dialekts, die im Lauf der Jahrhunderte intakt geblieben ist, weil es keine weiteren sprachlichen Einflüsse gab“, erklärt Monica Bertarelli vom örtlichen Tourismusverband. Sie selbst ist aus der Großstadt nach Sappada gezogen, um der Hektik zu entfliehen. Der Name „Plodn“bedeutet Sappada auf plodarisch.
Erreichbar ist Sappada von zwei Seiten: aus der Provinz Belluno und aus Richtung Tolmezzo/Tarvis (Udine). Daher ist die Ortschaft auch von zweierlei Gebirgen umgeben: den Karnischen Alpen auf der östlichen Seite und von den Dolomiten im Westen. Beide formen eine markante Silhouette aus bis zu 2700 Meter hohen Gipfeln, die den Ort schützend umgeben. Und zwar keinesfalls nah und eng, sondern genau so, dass es reichlich Sonnenschein auch im Winter gibt. Am Fuße des Monte Peralba entspringt – wenig spektakulär als kleine Quelle – die bekannte Piave (im Winter via Skitour erreichbar).
Der historische Ortskern „Sappada Vecchia“ist in 15 Weiler unterteilt, die sich über eine Länge von fünf Kilometern aneinanderketten. Spaziert man oberhalb der langen Hauptstraße durch das Dorf, sieht man immer noch viele der uralten und ursprünglichen
Holzhäuser, die überwiegend intakt geblieben sind und die deshalb mit der Auszeichnung „Die schönsten Orte Italiens“versehen worden sind. Jeder Weiler hat eine eigene Kapelle, die jeweils einem anderen Heiligen gewidmet ist und einen Steinbrunnen.
Etwas höher liegt der Ortsteil „Cima Sappada“. Dort finden sich ebenso alte Bauernhäuser. Ein Spaziergang lohnt sich auch hier und der sollte unbedingt an einem hübschen B&B vorbeiführen: Das „Graz Trojarhaus“von Loredana ist seit sechs Generationen in Familienbesitz. Das Haus stammt aus dem Jahr 1831 und ist das älteste B&B. Wer Glück hat und dort zu Gast ist, kann manchmal frische „Hose Neazlan“, kleine Krapfen, kosten und es sich am gemütlichen „Kochlouvn“(deutsch Kachelofen) in der Stube gemütlich machen.
Diesen ursprünglichen Charakter von Sappada, das durch geflüchtete Familien aus Sillian und dem Villgratental entstanden ist, hat der amerikanische Drehbuchautor Terrence Malick in seinem jüngsten, hochkarätig besetzten Filmdrama „Ein verborgenes Leben“genutzt. Es zeigt das Schicksal des österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der sich der Kriegslust der Nazis mutig verweigerte und 1943 hingerichtet wurde.
Durch die Gassen treiben sich im Februar zum Karneval finstere Gestalten mit hölzernen Masken, die von Generation zu Generation weitergegeben werden: Eine der bedeutendsten Traditionen von Sappada ist die „vosenocht“.` Die Protagonisten dürfen nicht erkannt werden! Die Karnevalsfeiern von Sappada finden an den drei Sonntagen vor der Fastenzeit statt und sind drei verschiedenen Gesellschaftsschichten gewidmet: Der Sonntag der Armen sowie der Bauernsonntag, der an die alten landwirtschaftlichen Arbeiten erinnert, und dann der „Sonntag der Herren“– eine Gelegenheit mit vornehmsten Kostümen zu protzen. Zu den Masken werden je nach Sonntag passende Kleider getragen und lustige Situationen inszeniert, in die auch die Zuschauer und die Bewohner der besuchten Häuser einbezogen werden.
In Sappada hat nicht nur der Karneval Tradition, sondern auch der kulinarische Genuss. Ausgezeichnet essen und trinken lässt es sich bei Paolo Kratter im Ristorante „Mondschein“, direkt in der Ortsmitte. In der Nähe der Pisten und Loipen. Paolo hat viele Jahre in Südbayern gelebt und erklärt einem in bestem Deutsch und mit Leidenschaft die Ideen zu seinen raffinierten Gerichten und Zubereitungsarten, sodass man es kaum erwarten kann, wenn er mit den Tellern um die Ecke kommt.
Unbedingt sollte man sich aus Sappada ein paar Spezialitäten mit nach Hause nehmen. Schinken, Speck und Käse gibt es bei Massimo Casciaro in der „Bottega di Sappada“; geduldig erklärt er die Unterschiede zwischen all den Sorten und lässt so lang kosten, bis man sich endlich entscheiden kann. Lokal-Favorit ist der „Saurnschötte“, ein Frischkäse mit Estragon von den eigenen Almen.
Wenn es schließlich heimwärts Richtung Österreich geht, kommt man zehn Kilometer östlich von Sappada ins etwas tiefer – und schattiger – gelegene Forni Avoltri auf 888 Meter. Das enge Tal mag manche abschrecken, aber Langläufer und Biathleten zieht es magisch an. In dem Sportzentrum mit Restaurant, Bar und Gästezimmern tummeln sich Athleten aus aller Welt (etwa Norwegen und Japan) und auch Gäste nutzen die perfekte Infrastruktur. Keine Sonne von Oktober bis Februar: Das sorgt für die passende Schneegrundlage. Hungrig verlässt niemand Forni Avoltri. Dafür sorgt Tiziana im „Albergo al Sole“, seit 112 Jahren in Familienbesitz. Spezialität sind die Teigtaschen. Was dem Kärntner die Kasnudln sind, sind in dieser Region die Cjarsons – üppig, pikant, ein bisschen süß, je nach Machart und auf jeden Fall mit Geschmack und Kalorien.