Klimawandel als Innovationsmotor
Baustoffe. Emissionsarm bauen, nachhaltig nutzen: Viele zukunftsweisende Ideen und Technologien sind das Ergebnis österreichischer Forschungsarbeit.
Es weht ein frischer Wind im Baubereich: Nicht nur das neue Regierungsprogramm bringt einige Verschärfungen mit sich, die Bauträger wie Produzenten unter Zugzwang setzt. „Ökologische Aspekte kommen immer stärker ins Spiel“, erklärt Thomas Hayde von HD Architekten den Trend: Die Klimadebatte zwingt die als eher innovationsträge geltende Baubranche zum Umdenken und zu technologischem Fortschritt. Zum einen gilt es dabei, emissionsarm zu bauen, um den Klimawandel nicht noch stärker voranzutreiben, zum anderen ist die Wohnqualität angesichts der Auswirkungen des Wandels sicherzustellen.
Hauptproblem ist der Spagat zwischen ökologischen Ambitionen, Wirtschaftlichkeit und gesetzlichen Vorgaben. Peter Skala von meineraumluft.at bringt es auf den Punkt: „Gefragt sind schon jetzt Gebäudelösungen für Probleme, die erst in 30 bis 40 Jahren auf uns zukommen werden.“Intelligente Hightech-Baustoffe könnten, so der Experte, Teil dieser Lösungen sein. Holz als nachwachsende Ressource hat da aus ökologischer Sicht einen klaren Startvorteil. Die
Technische Universität Graz ist federführend bei der Entwicklung neuer Ansätze und verfügt seit drei Jahren über eine Professur für Holzbau. Tom Kaden, Inhaber des Lehrstuhls, schätzt, dass derzeit etwa sechs Prozent aller mehrgeschoßigen Wohnhäuser in Österreich teilweise aus Holz errichtet sind, Tendenz steigend. Möglich ist dies unter anderem durch die Entwicklung des Brettsperrholzes durch Forscher der Grazer TU. Erfinder Gerhard Schickhofer ist stolz, die Entwicklung dieser kreuzweise verklebten Massivholzteile inzwischen so weit vorangetrieben zu haben, „dass es kaum mehr limitierende Faktoren für seinen Einsatz gibt“. Die Erzeugung dieses Baustoffs hat sich in Europa in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht. „Es geht aber nicht darum, so viel Holz wie möglich zu verbauen, sondern hybride Bauweisen zu verwenden, bei denen die Vorteile der einzelnen Komponenten bestmöglich genutzt werden“, erklärt Kaden.
Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Baustoffindustrie der Wirtschaftskammer, räumt ein, dass dem gegenüber bei der Herstellung von Beton, Zement und Ziegeln große Mengen CO2 anfallen, doch bemühe sich die Branche, durch kurze Transportwege, ermöglicht durch die
Vielzahl an Produktionsstätten in Österreich, graue Energie einzusparen. Neue Verfahren ermöglichen es zudem, die bei der Erzeugung freigesetzten Emissionen abzusaugen, zu speichern und als Energieträger zu nutzen. „Da stehen wir mit Pilotprojekten im europäischen Ausland aber erst am Beginn“, so Pfeiler.
Erfolge gibt es bereits bei der Optimierung von Verbundmaterialien im Betonbau, die zur Stabilisierung Textilfasern anstelle von Stahl verwenden und damit nicht nur den Einsatz von Stahl minimieren, sondern auch geringere Bauteildicken, also die Verwendung von weniger Zement, erlauben. Peter Skala von meineraumluft.at setzt große Hoffnungen auf „lebenden Beton“: „Mikrobakterien überleben 200 Jahre in der Betonstruktur und reparieren aufkommende Schäden durch die Produktion von Kalkstein. Damit können die Instandhaltungskosten von Gebäuden und auch die CO2-Emissionen deutlich verringert werden.“
Darüber hinaus hat der weltweit führende Ziegelhersteller, Wienerberger, Steine mit integrierter Wärmedämmung aus Mineralwolle entwickelt, die so stabil sind, dass sie mehrgeschoßiges Bauen mit Ziegeln ermöglichen. „Damit erhält man bestes Wohnklima das ganze Jahr über, und der Energieverbrauch ist gering“, sagt Geschäftsführer Mike Bucher. Denselben Dämmeffekt will der Grazer Wissenschaftler Horst Gamerith mit bloßer Luft erreichen, die in den Lamellen den von ihm erfundenen, durch einen hohen Lehmerde-Anteil ebenfalls sehr tragfähigen Tralam-Ziegeln zirkuliert. Versuche dazu laufen derzeit an der Grazer TU.
Architekt Hayde sieht neben dem Einsatz neuer Baustoffe einen weiteren Trend: Immer mehr Bauträger lassen Dächer und Fassaden begrünen. Diese Maßnahme trägt wesentlich zur Kühlung der Städte im Sommer und damit zur Sicherung der Lebensqualität bei. Obwohl „die technischen Möglichkeiten beim Bauen weiter sind als in den Bauvorschriften abgebildet“, wie Tom Kaden sagt, zieht der Gesetzgeber in vielen Punkten mit.
Nicht nur, was die Verpflichtung zur Begrünung von NeubauFlachdächern betrifft, sondern etwa auch beim von der neuen Bundesregierung angepeilten phasenweisen Ausstieg aus der fossilen Wärmegewinnung in den nächsten 15 Jahren. Michael Mattes, Bundesinnungsmeister der Heizungstechniker, rechnet vor: „Mit einer Sanierung der Wohnung oder des Hauses in Verbindung mit einer Anpassung des Heizsystems kann man nicht nur umweltfreundlichere Energieträger nutzen, sondern auch bis zu 70 Prozent Energie einsparen.“Die Nutzung von Solarenergie im Wohnbau sei mittlerweile bereits State of the Art, hier müssen die Anstrengungen der Forschung den Experten zufolge dahin gehen, die Speichermöglichkeiten zu optimieren, um „grünen Strom“das ganze Jahr über effizient nutzen zu können.