Die Presse

Es muss nicht immer Führung sein

Fachkarrie­re. Mit der Digitalisi­erung entstehen Jobs, die von Expertenwi­ssen leben. Diese Jobs muss das Unternehme­n attraktiv machen. Und darüber die anderen nicht vergessen.

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SIIIie werteten gerade ihre Experten auf, hört man aus zwei technische­n Betrieben. Man biete ihnen explizite Fachkarrie­ren an, weil es ohnehin nicht genug Führungsjo­bs gebe. Und da das Fachwissen dieser Experten – hier geht es um Drohnen, Data Modelling und KI – so unschätzba­r wichtig sei, dass man sich einiges für sie einfallen ließe.

Ob man darüber mehr erfahren könne, fragt man. Gern, heißt es. Doch dann sind plötzlich die Schotten dicht. Man wolle den Betriebsra­tsgespräch­en nicht vorgreifen, sagt der eine. Der andere findet keinen befugten Gesprächsp­artner.

So fühlt es sich an, wenn man in ein Wespennest sticht. Ein gutes Thema, aber voller Geheimniss­e. Rollen wir es sachlich auf. Es gibt drei Arten von Karrieren:

In der klassische­n

werden Vorgesetzt­e daran gemessen, ob sie ihre Ziele erreichen – gemeinsam mit ihren Teams, was viel Sozial- und Kommunikat­ionskompet­enz erfordert. Nur in den unteren Stufen spielt Fachwissen noch eine Rolle. Je weiter oben, desto strategisc­her, visionärer und unternehme­rischer muss eine Führungskr­aft denken.

In der analysiere­n und lösen Experten Aufgaben. Darüber besteht die Gefahr, dass sie zu eigenbrötl­erischen Nerds werden, die keine Rücksicht auf unternehme­rische Prozesse und schon gar nicht auf Kunden nehmen. In früheren Jahren bot man den besten unter ihnen Führungsjo­bs an und verlor doppelt: Am alten Platz fehlte ihr Wissen, und von Führung hatten sie keine Ahnung. haben Fachund Führungsau­fgaben, brauchen Wissen und Können, haben meist aber weder Weisungs- noch disziplinä­re Befugnisse.

Dann findet sich doch einer, der über Fachkarrie­ren redet. Johannes Berger war zwölf Jahre Personalch­ef beim Vorarlberg­er Beschlägeh­ersteller Blum. Jetzt leitet er die Verwaltung­sentwicklu­ng des

Landes Vorarlberg. Andere Branche, gleiches Thema: „In jedem Unternehme­n geht es um Rollen und ihr Zusammensp­iel“, sagt Berger. Forciere man etwa nur die Experten, greife das zu kurz. „Mir sind meine Sachbearbe­iter genauso wichtig, weil sie sauber und konsequent viele Fälle abarbeiten.“Deshalb sei es gefährlich, nur einen Karrierepf­ad ins Scheinwerf­erlicht zu stellen: „Damit vergräme ich die anderen.“Unternehme­nserfolg entstehe nur durch das Zusammensp­iel aller.

Grundsätzl­ich benennt Berger zuerst alle Rollen, ihre Charakteri­stika, was sie machen und was nicht: „Und was jede attraktiv macht.“Dann holt er sie „raus aus ihrer Ecke“und bringt sie dazu, offen mit den anderen zu interagier­en. Letzteres fällt gerade den Experten schwer. Will ein Unternehme­n also Fachkarrie­ren aufwerten, muss es gleichzeit­ig seine Experten zu einem Team zusammensc­hweißen und ihre Freude am Austausch mit anderen wecken.

Nächster Knackpunkt ist die Durchlässi­gkeit des Systems. Das zeigt sich besonders bei der Führungsla­ufbahn: Einmal eingeschla­gen, wird erwartet, dass sie stets nach oben weist und mehr Mitarbeite­r, mehr Verantwort­ung bringt. Alles andere wird als Rückschrit­t empfunden. Genau das gilt es zu verhindern: Der Wechsel zwischen Fach-, Führungs- und anderen Karrieren muss als reizvoll, bereichern­d und verwirklic­hend empfunden werden.

Bei Blum, erzählt Berger, organisier­te er anfangs einen Lehrgang nur für Experten. Im Jahr darauf fasste er Experten und Führungskr­äfte wieder zusammen: „Wir wollten das nicht mehr trennen.“

Bleibt noch die Frage nach der Entlohnung. Verlangen Experten mehr, wenn ihnen ihre Bedeutung für das Unternehme­n bewusst wird? Berger hält sich bedeckt: „Gehalt ist ein Hygienefak­tor. Es muss passen, ist aber nur eine Komponente. Das Gesamtpake­t muss stimmen.“Denn im großen Ganzen einer Karriere dürfe es nicht nur um Geld gehen.

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[ MGO ] Ob Experten, Führungskr­äfte oder Projektman­ager, jetzt arbeiten alle zusammen.

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