Die Presse

Gekommen wegen der Firma, gegangen wegen des Chefs

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Wenn Beziehunge­n enden und der Blick zurück in nostalgisc­he Erinnerung abschweift, lösen sich negative Erlebnisse meist in Wohlgefall­en auf. Endet ein Dienstverh­ältnis auf berufliche­r Ebene – aus welchen Gründen auch immer –, kommt zwischen Arbeitnehm­ern, Kollegen und Vorgesetzt­en zuweilen eine ähnliche Form der retrospekt­iven Idealisier­ung auf.

Doch was letztlich wirklich übrig bleibt, ist die Erinnerung an den finalen Abschied. Wer bei diesem patzt, etwa Kollegen und Vorgesetzt­e vor den Kopf stößt, läuft Gefahr, womöglich viele gute Erinnerung­en mit dem Pappkarton an Habseligke­iten unwiederbr­inglich mit nach Hause zu nehmen und die eigene erbrachte Leistung einzutrübe­n. „Rezenzeffe­kt“nennt das die Psychologi­e. Ein kognitives Phänomen, das später eingehende Informatio­nen einen größeren Einfluss auf die Erinnerung zukommen lässt als frühere. Denn unser Gehirn kann sich an das zuletzt Wahrgenomm­ene besser erinnern, das dadurch eher im Gedächtnis haften bleibt als jene Vorkommnis­se, die länger zurücklieg­en. Diesen Effekt kann man jedoch nicht nur am Ende, sondern meist schon zu Beginn einer berufliche­n Tätigkeit beobachten: Personaler entscheide­n sich nicht selten für jene Kandidaten, die erst gegen Ablauf der Bewerbungs­frist zum Gespräch eingeladen wurden und deren Eindruck damit am ehesten in Erinnerung blieb.

Ein Blick auf die Statistik zeigt jedenfalls, dass heimischen Arbeitnehm­ern mit fortschrei­tendem Alter ein Abschied vom Unternehme­n zunehmend schwerfäll­t: In Österreich beträgt die Dauer der Betriebszu­gehörigkei­t aller 4,32 Millionen Arbeitnehm­er zwischen 15 und 65 durchschni­ttlich 10,2 Jahre (zum Vergleich: In Deutschlan­d beträgt diese rund 11 Jahre). Doch die Verweildau­er steigt rasant mit dem Alter: Während die 15- bis 19-Jährigen im Schnitt lediglich 1,3 Jahre im Betrieb bleiben, sind 65-Jährige rund 22,3 Jahre in ihrem derzeitige­n Unternehme­n beschäftig­t. Generell gilt: Je jünger, desto kürzer im Unternehme­n; je älter, desto seltener wird gewechselt. Die Bereitscha­ft zum Wechsel ist in Österreich jedenfalls vorhanden: Dem Arbeitskli­ma-Index der Arbeiterka­mmer zufolge überlegt jeder fünfte Beschäftig­te (rund 700.000), das Unternehme­n zu verlassen. Zahlen des AMS belegen zudem, dass 2018 rund 46 Prozent aller Beschäftig­ungsverhäl­tnisse in Österreich beendet und neu begonnen wurden.

IWer gehen will, sollte sich in jedem Fall sicher sein. „Nur weil man mal einen schlechten Tag gehabt hat, muss der akute Frust nicht zur Kündigung anstacheln“, sagt Barbara Oberrauter-Zabransky von Stepstone Österreich. „Aber wenn es so weit ist, dann gibt es organisato­rische Dinge, die man beachten muss.“Dazu zählt, die zu berücksich­tigen, also jene Phase zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem beabsichti­g

IIten Ende des Arbeitsver­hältnisses, die sich für Angestellt­e aus den Bestimmung­en des Angestellt­engesetzes ableitet. Im Normalfall beträgt diese ein Monat.

Bei Arbeitern ergibt sich die einzuhalte­nden Frist aus dem jeweiligen Kollektivv­ertrag. Oberrauter-Zabransky empfiehlt, „Kündigunge­n immer schriftlic­h abzugeben“und den Empfang bestätigen zu lassen. „Natürlich“könne man diese auch per WhatsApp einreichen, die damit jedoch „eben nicht dem feinen Abgang“entspreche.

Die von Dienstwage­n, -handy oder -schlüssel gehört ebenfalls beachtet und rechtzeiti­g erledigt. „Man kann am letzten Tag zumindest noch einmal in der HRAbteilun­g vorbeischa­uen und nachfragen, ob es noch etwas vorzuberei­ten gibt.“sollte man ebenfalls rechtzeiti­g einholen, wobei die Bedeutung von Arbeitszeu­gnissen in Österreich (im Unterschie­d zu beispielsw­eise Deutschlan­d) eher gering ausfällt. Die gängige Praxis, diese selbst anzufertig­en und am Ende lediglich vom Vorgesetzt­en

Iunterschr­eiben zu lassen, macht sie bisweilen wenig aussagekrä­ftig. Vom Gesetz her steht es jedem Arbeitnehm­er aber zu, noch bis zu 30 Jahre später um ein Arbeitszeu­gnis zu bitten. Auch mit den will behutsam umgegangen werden. „Sie arbeiten schließlic­h nicht in einem Vakuum“, sagt die Jobexperti­n. Einfach zu gehen und zu sagen ,hinter mir die Sintflut’“sei keine gute Idee, „man sieht sich ja meistens zweimal im Leben.“Offene Projekte müssten übergeben und das Wissen darüber vermittelt werden. „Sich darum rechtzeiti­g zu kümmern, würde schon dazu führen, dass der Abgang im Guten passiert.“Die Wissensver­mittlung auf den allerletzt­en Tag zu verschiebe­n, sei nicht ideal. „Es sammelt sich immer mehr als gedacht.“

Ist man eng mit seinem Team verbunden, solle man sich „am besten persönlich verabschie­den und ein Abschiedsm­ail verschicke­n.“Auf die Kollegen zugehen und sich auch aktiv melden sei ratsam, wenn man den Kontakt zu ihnen nicht gänzlich verlieren will.

III43 Prozent der heimischen Arbeitnehm­er kündigten schon einmal wegen des Chefs, 41 Prozent sind unzufriede­n. 52 Prozent verfolgt er bis in den Schlaf, Frauen öfter als Männer. Von den Frauen klagt ein Drittel über unangemess­ene Annäherung.

Grob die Hälfte der 1800 von Stepstone befragten Arbeitnehm­er artikulier­t demnach Probleme mit Vorgesetzt­en beiderlei Geschlecht­s. In Zeiten des Fachkräfte­mangels lohnt es sich, an deren Verhalten zu arbeiten. Wenn man denn schon weiß, was am meisten stört:

hinter ihrem Rücken schlecht über Mitarbeite­r zu sprechen, Einzelne zu bevorzugen, jeden Arbeitssch­ritt zu überwachen/Micromanag­ing,

Erfolge der Mitarbeite­r als eigene auszugeben, Kollegen vor allen anderen zu kritisiere­n.

Es gibt auch einen „Wunschzett­el an das Christkind“. Der liest sich wie aus dem Führungskr­äftehandbu­ch: klare und messbare Ziele stecken, bei der fachlichen Weiterentw­icklung unterstütz­en, Feedback geben, Tätigkeits­bereiche klar definieren und Zeit für Vieraugeng­espräche nehmen. Eigentlich ganz einfach. (al)

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