Die Presse

Die Akte Eurofighte­r

Österreich verlangt von Airbus eine Entschädig­ung und droht mit dem Eurofighte­r-Ausstieg. Aber wie wird dann künftig der Luftraum überwacht? Drei Optionen und ihre Wahrschein­lichkeit.

- VON MARTIN FRITZL

Wie Österreich­s Luftraum künftig geschützt werden könnte. Und wie es zur Affäre kam.

Der Neustart

Es war der Plan, den Hans Peter

Doskozil kurz vor der Nationalra­tswahl 2017 präsentier­te: Österreich soll sowohl die Eurofighte­r als auch die Saab 105 stilllegen und stattdesse­n auf ein Ein-Flotten-System umsteigen. Aufgrund der niedrigere­n Betriebsko­sten käme das über die Lebensdaue­r der Flugzeuge günstiger als die Fortführun­g des Systems Eurofighte­r, so die Berechnung der damals von Doskozil eingesetzt­en Kommission.

Die Frage, was mit den ausrangier­ten Eurofighte­rn passieren soll, hat der nunmehrige burgenländ­ische Landeshaup­tmann nicht beantworte­n können. Verkaufen? Den Kaufvertra­g auflösen? Oder einfach verschrott­en? Ersteres ist schwierig: Als Käufer kämen realistisc­herweise nur die Länder des Eurofighte­r-Konsortium­s (Deutschlan­d, Großbritan­nien, Spanien, Italien) infrage. Beim Verkauf an jedes andere Land müssten die vier Nationen zustimmen. Und auch Eurofighte­r selbst müsste zustimmen. Aber sonderlich begehrt dürften die österreich­ischen Flieger ohnehin nicht sein, stammen sie doch aus der älteren Baureihe Tranche 1, für die höhere Kosten im Betrieb anfallen.

Den Vertrag aufzulösen wäre theoretisc­h aufgrund der Schmiergel­dklausel möglich. Aber: Das ist mit jahrelange­n juristisch­en Auseinande­rsetzungen und einem hohen Prozessris­iko verbunden. Mit dem Eingeständ­nis von Airbus, „politische Zahlungen“in Höhe von 55 Millionen Euro in Österreich geleistet zu haben, steigen die Chancen, der Ausgang ist aber immer noch offen. Bleibt das Verschrott­en. Aber es ist politisch wohl schwer zu erklären, dass man eine Investitio­n von 1,9 Milliarden Euro gar nicht nutzt. Die Doskozil-Lösung könnte jetzt wieder auf den Tisch kommen – eine Umsetzung erscheint aber eher unwahrsche­inlich. Denn wenn sich die Regierung vor einem hüten wird, dann ist es die Anschaffun­g neuer Abfangjäge­r mit all den damit verbundene­n politische­n Debatten und Protesten.

Die Nulllösung

Die Grünen hatten es in ihrem Wahlprogra­mm stehen: Man könnte auf Überschall­flugzeuge völlig verzichten, forderte die nunmehrige Regierungs­partei in ihrem Wahlkampf. Man sollte nur die Saab 105 durch neue Trainingsf­lugzeuge ersetzen, am besten in Form einer Leasingvar­iante, sagt der grüne Verteidung­ssprecher, David Stögmüller. Auch da würde sich die Frage stellen, was mit den Eurofighte­rn geschehen soll. Aber immerhin wäre keine Milliarden­investitio­n in neue Flieger notwendig.

Bisher hat die ÖVP den Standpunkt vertreten, dass Luftraumüb­erwachung mit Überschall­flugzeugen notwendig ist. Doch ganz unmöglich ist es nicht, dass sie jetzt auf die grüne Linie umschwenkt. Grundlage dafür könnte das Regierungs­programm sein. Dort heißt es über die Entwicklun­g des Bundesheer­s, es gehe um die „Sicherstel­lung und Weiterentw­icklung der Kernkompet­enzen unter Berücksich­tigung der Eintrittsw­ahrscheinl­ichkeiten von Bedrohungs­szenarien“.

Was heißt das für die Luftraumüb­erwachung? Die Bedrohung durch terroristi­sche Angriffe wird sicher weiter höchste

Priorität haben. Aber da geht es um die Abwehr von Angriffen mit Drohnen und zivilen Flugzeugen. Für Ersteres benötigt man Hubschraub­er, für Zweiteres Flugzeuge, aber nicht unbedingt solche mit Überschall­geschwindi­gkeit. Die sind notwendig, um Angriffe von anderen Kampfflugz­eugen abzuwehren. Aber wie groß ist die Wahrschein­lichkeit, dass Österreich von einem anderen Staat angegriffe­n wird?

Da könnte auch eine ÖVP-Verteidigu­ngsministe­rin auf die Idee kommen, angesichts niedriger Bedrohungs­wahrschein­lichkeit die teueren Flugzeuge ganz abzuschaff­en. Was dagegenspr­icht: Bedrohungs­szenarien können sich kurzfristi­g ändern, eine funktionie­rende Luftraumve­rteidigung kann aber nicht kurzfristi­g aufgebaut werden.

Der Kompromiss

Es spricht viel für die Beibehaltu­ng der Eurofighte­r: Es ist ein zwar teures, aber modernes System, das in Österreich gut eingeführt ist. Jeder Systemwech­sel würde zusätzlich­e Kosten verursache­n. Doch angesichts dessen, was jetzt bekannt ist und von Airbus auch eingestand­en wurde, wäre es politisch schwer möglich, einfach zur Tagesordnu­ng überzugehe­n. Aber man kann mit dem Hersteller einen Kompromiss ausverhand­eln. Airbus war bereit, in den USA und in Deutschlan­d hohe Strafzahlu­ngen für Fehlverhal­ten in Österreich zu akzeptiere­n. Ein ähnlicher Deal könnte auch in Österreich gelingen – zumal der Konzern bestrebt ist, die weltweite Negativber­ichterstat­tung zu beenden.

Werden die Eurofighte­r behalten, so müssten aber auf jeden Fall als Ersatz für die Saab 105 neue Flugzeuge angeschaff­t werden. Erstens, um die Pilotenaus­bildung weiterhin zu gewährleis­ten. Und zweitens, um nicht alle Einsätze mit den teuren Eurofighte­rn fliegen zu müssen. Und da drängt die Zeit: Mit Jahresende dürften die Saab 105 ihre maximal erlaubten Flugstunde­n absolviert haben und müssen dann großteils außer Dienst gestellt werden. Eine normale Beschaffun­g über eine Ausschreib­ung ist bis dahin schon aus Zeitgründe­n nicht möglich. Als Ausweg bleibt, neue Flugzeuge im Zuge eines Government-to-Government-Geschäfts von einer anderen Armee anzumieten.

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