Rendi stellt Vertrauensfrage
Parteichefin RendiWagner macht sich selbst zum Thema: Bei einer Mitgliederbefragung wird über ihren Verbleib an der Spitze abgestimmt werden.
Die SPÖ sprach von einem historischen Moment: Die Vorsitzende, Pamela Rendi-Wagner, bittet die Parteimitglieder zu entscheiden, ob sie als ihre Chefin bleiben soll. Ob sie bleiben darf. Das gab es noch nie in der Sozialdemokratischen Partei.
In einer Mitgliederbefragung sollen die rund 160.000 Genossen in den kommenden Wochen – abgestimmt wird anonym, zwischen 4. März und 2. April per Post oder online – nicht nur entscheiden, wie sie es mit roten Projekten wie einer Vier-Tage-Arbeitswoche oder dem Grundsatz „Integration vor Zuzug“halten, sondern auch, „ob ich Bundesparteivorsitzende bleiben soll“, wie Rendi-Wagner am Freitag erklärte.
Die Schwere der Stunde sah man ihr an, als sie in der Wiener Löwelstraße vor die Presse trat. Sie war ernst. Sie wolle die Frage ganz bewusst stellen, wie sie sagte, „weil es Vertrauen braucht, um gestärkt in die politische Auseinandersetzung“zu gehen: „Die tragfähigste Unterstützung ist die der Basis.“Immerhin: Sie wolle das, was sie tue, „ohne Angst“tun, auch ohne Angst „vor den Mitgliedern“. Sie habe sich die Vertrauensfrage „in den vergangenen Tagen gut überlegt“und werde in den kommenden Tagen und Wochen „intensiv für dieses Vertrauen werben“.
SPÖ-Spitzen wie die Landeshauptmänner Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser waren von Rendi-Wagners Schritt überrascht; einen Präsidiumsbeschluss zur Vertrauensfrage gibt es nicht, ebenso wenig einen bestimmten Abstimmungswert, bei dem Rendi-Wagner abtritt oder im Amt bleibt. „Je höher die Zustimmung, desto besser für mich“, sagte sie am Freitag. Eine weitere von ihr vorgeschlagene Frage an die Mitglieder – nach einer Direktwahl des Parteichefs – wurde vom Präsidium abgelehnt.
Die Mitgliederbefragung ist Teil des Reformprozesses, den Rendi-Wagner nach der Nationalratswahl im Vorjahr initiierte – nach dem historisch schlechten Abschneiden der SPÖ. 15 politische Themen sollen die Genossen also nun bewerten – die Skala geht von „sehr wichtig“bis zu „nicht wichtig“–, gegliedert in die Blöcke Fairness, Arbeit und Sicherheit. Dabei handle es sich um eine Schwerpunktsetzung durch die Mitglieder, erklärte die Parteichefin am Freitag. Wie die Themen von der Basis gewichtet werden, solle letztlich inhaltlicher Kompass der SPÖFührung werden. Eine der letzten Fragen lautet dann: „Soll Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben, um für diese wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen?“
Auch Kern befragte Basis
Gewissermaßen heißt es also zurück an den Start für Rendi-Wagner. Bei ihrem Amtsantritt im Herbst 2018 erbte sie von Christian Kern und Max Lercher eine Parteireform. Auch diese wurde durch eine Mitgliederbefragung legitimiert, an der sich damals 37.000 Genossinnen und Genossen beteiligten. Nachdem Rendi-Wagner den damaligen Bundesgeschäftsführer Lercher durch ihren Vertrauten Thomas Drozda ersetzt hatte, schwächte sie anschließend auch Kerns Reform ab. Radikalere Projekte – etwa verpflichtende Mitgliederbefragungen zu Koalitionsbeteiligungen der SPÖ – sistierten Rendi-Wagner und Drozda quasi als erste Amtshandlung.
Eineinhalb Jahre später gibt es RendiWagners eigene Reform, ihre eigene Mitgliederbefragung. Ob es ihre letzte sein wird? „Um gut kämpfen zu können, braucht man Rückhalt. Ich bin überzeugt davon, dass ich diesen Rückhalt bekommen werde.“
Erst der bescheidene Peter Kaiser (mit seinem Sohn als Kandidaten für die EU-Wahl), dann Korruptionsjäger Hans Peter Doskozil (mit seiner Verlobten im Landesdienst, zuständig für Sozialmärkte und die Wahl des Burgenländers des Jahres). Wäre Josef Cap noch jung, könnte er wieder einmal Fragen an einen burgenländischen Landeshauptmann richten: „Stimmt es, dass du deine künftige Frau bei dir im Büro angestellt hast?“
Offensichtlich fehlt den roten Landesfürsten auch heute noch das Gespür dafür, was im eigenen Umfeld geht und was nicht. Man glaubt es kaum, aber es ist offensichtlich so: Macht macht unsensibel, schränkt das Wahrnehmungsvermögen ein, vor allem, wenn man von der eigenen Umgebung ständig suggeriert bekommt, dass man ohnehin der Größte sei. L’etat´ c’est moi, Edition Eisenstadt.
Und es wäre nicht die SPÖ, wenn nicht ausgerechnet am Tag der Präsentation der Mitgliederbefragung, für die sich die SPÖ-Führung etwas Besonderes hat einfallen lassen, Hans Peter Doskozil der Bundespartei mit seiner semiprivaten Postenbesetzung die „Show“gestohlen hätte. Ein wenig zumindest. Denn dass Pamela Rendi-Wagner in dieser Mitgliederbefragung von sich aus die Vertrauensfrage stellen lässt, stellte dann wiederum sogar das Burgenland in den Schatten.
In der Löwelstraße, jedenfalls in der bundespolitischen Abteilung (die Wiener Partei ist ebenfalls dort angesiedelt), wird man das Vorhaben höchstwahrscheinlich wohldurchdacht haben – und von weitgehend loyalen Mitgliedern an der Basis ausgehen. Sodass Pamela Rendi-Wagner eine satte Mehrheit sicher sein sollte. Dennoch ist es ein Wagnis – es kann auch nach hinten losgehen. Die Befragung ist anonym, und der Genosse von heute ist keinesfalls mehr der loyale Weggefährte von gestern, der alles mitträgt, was von oben kommt.
Der Zweck des Unterfangens ist offensichtlich: Pamela Rendi-Wagner, erst vor über einem Jahr zur Parteichefin gewählt, will sich nachträglich noch einmal legitimieren lassen. Nach all den Querelen, Auseinandersetzungen und dem versuchten „Putsch“von Ende November, der in
Niederösterreich seinen Ausgang genommen hat, schon nach Oberösterreich übergeschwappt ist, dann aber von den wahren Mächtigen in der Partei im Burgenland und in Kärnten, von Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser, gestoppt worden ist.
Pamela Rendi-Wagner hofft nun wohl auf den AKK-Effekt in Briefform. Annegret Kramp-Karrenbauer hat auf dem CDU-Parteitag im November 2019 ebenso überraschend die Vertrauensfrage gestellt: „Wenn euch mein Weg nicht gefällt, dann lasst es uns hier und jetzt und heute beenden.“Das Ende kam allerdings trotzdem. Nur ein wenig später.
Einen Unterschied gibt es allerdings: Bei AKK maß sich die Zustimmung in Applaus, bei Rendi-Wagner wird es die tatsächliche Zustimmung der Mitglieder sein. Bekommt sie das Vertrauen ausgesprochen, wird ihr das Luft verschaffen – und eine stärkere Legitimation innerhalb der Partei. Die Kritik und die Kritiker werden aber nicht verstummen, sie werden sich nur zurückziehen, aber sie werden immer noch da sein und auf die nächste Gelegenheit warten.
Die einzig echte Legitimation für Pamela Rendi-Wagner wäre es, Wahlen zu gewinnen. Aber selbst das ist in einer Partei wie der SPÖ nicht so sicher: Schlag nach bei Alfred Gusenbauer. Eine Wahl zu gewinnen ist das eine, alle Teile der Partei zufriedenzustellen das andere, das offensichtlich Wichtigere.
Es sei denn, das Leidenspotenzial ist schon erschöpft. Und man gibt sich auch schon mit weniger zufrieden als mit der reinen Lehre. Bei Hans Peter Doskozils Wahlsieg war das bereits zu bemerken. Da haben auch Teile der Parteilinken und ihre Sympathisanten begonnen, sich das schönzureden. Hauptsache, mal wieder gewonnen.
Das Schicksal Pamela Rendi-Wagners wird daher letztlich wohl nicht von den Mitgliedern entschieden, sondern in Eisenstadt und Klagenfurt. Ob auch noch in Wien, das wird man im Herbst dieses Jahres wissen.