Die Presse

Rendi stellt Vertrauens­frage

Parteichef­in RendiWagne­r macht sich selbst zum Thema: Bei einer Mitglieder­befragung wird über ihren Verbleib an der Spitze abgestimmt werden.

- VON ELISABETH POSTL

Die SPÖ sprach von einem historisch­en Moment: Die Vorsitzend­e, Pamela Rendi-Wagner, bittet die Parteimitg­lieder zu entscheide­n, ob sie als ihre Chefin bleiben soll. Ob sie bleiben darf. Das gab es noch nie in der Sozialdemo­kratischen Partei.

In einer Mitglieder­befragung sollen die rund 160.000 Genossen in den kommenden Wochen – abgestimmt wird anonym, zwischen 4. März und 2. April per Post oder online – nicht nur entscheide­n, wie sie es mit roten Projekten wie einer Vier-Tage-Arbeitswoc­he oder dem Grundsatz „Integratio­n vor Zuzug“halten, sondern auch, „ob ich Bundespart­eivorsitze­nde bleiben soll“, wie Rendi-Wagner am Freitag erklärte.

Die Schwere der Stunde sah man ihr an, als sie in der Wiener Löwelstraß­e vor die Presse trat. Sie war ernst. Sie wolle die Frage ganz bewusst stellen, wie sie sagte, „weil es Vertrauen braucht, um gestärkt in die politische Auseinande­rsetzung“zu gehen: „Die tragfähigs­te Unterstütz­ung ist die der Basis.“Immerhin: Sie wolle das, was sie tue, „ohne Angst“tun, auch ohne Angst „vor den Mitglieder­n“. Sie habe sich die Vertrauens­frage „in den vergangene­n Tagen gut überlegt“und werde in den kommenden Tagen und Wochen „intensiv für dieses Vertrauen werben“.

SPÖ-Spitzen wie die Landeshaup­tmänner Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser waren von Rendi-Wagners Schritt überrascht; einen Präsidiums­beschluss zur Vertrauens­frage gibt es nicht, ebenso wenig einen bestimmten Abstimmung­swert, bei dem Rendi-Wagner abtritt oder im Amt bleibt. „Je höher die Zustimmung, desto besser für mich“, sagte sie am Freitag. Eine weitere von ihr vorgeschla­gene Frage an die Mitglieder – nach einer Direktwahl des Parteichef­s – wurde vom Präsidium abgelehnt.

Die Mitglieder­befragung ist Teil des Reformproz­esses, den Rendi-Wagner nach der Nationalra­tswahl im Vorjahr initiierte – nach dem historisch schlechten Abschneide­n der SPÖ. 15 politische Themen sollen die Genossen also nun bewerten – die Skala geht von „sehr wichtig“bis zu „nicht wichtig“–, gegliedert in die Blöcke Fairness, Arbeit und Sicherheit. Dabei handle es sich um eine Schwerpunk­tsetzung durch die Mitglieder, erklärte die Parteichef­in am Freitag. Wie die Themen von der Basis gewichtet werden, solle letztlich inhaltlich­er Kompass der SPÖFührung werden. Eine der letzten Fragen lautet dann: „Soll Pamela Rendi-Wagner Bundespart­eivorsitze­nde bleiben, um für diese wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen?“

Auch Kern befragte Basis

Gewisserma­ßen heißt es also zurück an den Start für Rendi-Wagner. Bei ihrem Amtsantrit­t im Herbst 2018 erbte sie von Christian Kern und Max Lercher eine Parteirefo­rm. Auch diese wurde durch eine Mitglieder­befragung legitimier­t, an der sich damals 37.000 Genossinne­n und Genossen beteiligte­n. Nachdem Rendi-Wagner den damaligen Bundesgesc­häftsführe­r Lercher durch ihren Vertrauten Thomas Drozda ersetzt hatte, schwächte sie anschließe­nd auch Kerns Reform ab. Radikalere Projekte – etwa verpflicht­ende Mitglieder­befragunge­n zu Koalitions­beteiligun­gen der SPÖ – sistierten Rendi-Wagner und Drozda quasi als erste Amtshandlu­ng.

Eineinhalb Jahre später gibt es RendiWagne­rs eigene Reform, ihre eigene Mitglieder­befragung. Ob es ihre letzte sein wird? „Um gut kämpfen zu können, braucht man Rückhalt. Ich bin überzeugt davon, dass ich diesen Rückhalt bekommen werde.“

Erst der bescheiden­e Peter Kaiser (mit seinem Sohn als Kandidaten für die EU-Wahl), dann Korruption­sjäger Hans Peter Doskozil (mit seiner Verlobten im Landesdien­st, zuständig für Sozialmärk­te und die Wahl des Burgenländ­ers des Jahres). Wäre Josef Cap noch jung, könnte er wieder einmal Fragen an einen burgenländ­ischen Landeshaup­tmann richten: „Stimmt es, dass du deine künftige Frau bei dir im Büro angestellt hast?“

Offensicht­lich fehlt den roten Landesfürs­ten auch heute noch das Gespür dafür, was im eigenen Umfeld geht und was nicht. Man glaubt es kaum, aber es ist offensicht­lich so: Macht macht unsensibel, schränkt das Wahrnehmun­gsvermögen ein, vor allem, wenn man von der eigenen Umgebung ständig suggeriert bekommt, dass man ohnehin der Größte sei. L’etat´ c’est moi, Edition Eisenstadt.

Und es wäre nicht die SPÖ, wenn nicht ausgerechn­et am Tag der Präsentati­on der Mitglieder­befragung, für die sich die SPÖ-Führung etwas Besonderes hat einfallen lassen, Hans Peter Doskozil der Bundespart­ei mit seiner semiprivat­en Postenbese­tzung die „Show“gestohlen hätte. Ein wenig zumindest. Denn dass Pamela Rendi-Wagner in dieser Mitglieder­befragung von sich aus die Vertrauens­frage stellen lässt, stellte dann wiederum sogar das Burgenland in den Schatten.

In der Löwelstraß­e, jedenfalls in der bundespoli­tischen Abteilung (die Wiener Partei ist ebenfalls dort angesiedel­t), wird man das Vorhaben höchstwahr­scheinlich wohldurchd­acht haben – und von weitgehend loyalen Mitglieder­n an der Basis ausgehen. Sodass Pamela Rendi-Wagner eine satte Mehrheit sicher sein sollte. Dennoch ist es ein Wagnis – es kann auch nach hinten losgehen. Die Befragung ist anonym, und der Genosse von heute ist keinesfall­s mehr der loyale Weggefährt­e von gestern, der alles mitträgt, was von oben kommt.

Der Zweck des Unterfange­ns ist offensicht­lich: Pamela Rendi-Wagner, erst vor über einem Jahr zur Parteichef­in gewählt, will sich nachträgli­ch noch einmal legitimier­en lassen. Nach all den Querelen, Auseinande­rsetzungen und dem versuchten „Putsch“von Ende November, der in

Niederöste­rreich seinen Ausgang genommen hat, schon nach Oberösterr­eich übergeschw­appt ist, dann aber von den wahren Mächtigen in der Partei im Burgenland und in Kärnten, von Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser, gestoppt worden ist.

Pamela Rendi-Wagner hofft nun wohl auf den AKK-Effekt in Briefform. Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat auf dem CDU-Parteitag im November 2019 ebenso überrasche­nd die Vertrauens­frage gestellt: „Wenn euch mein Weg nicht gefällt, dann lasst es uns hier und jetzt und heute beenden.“Das Ende kam allerdings trotzdem. Nur ein wenig später.

Einen Unterschie­d gibt es allerdings: Bei AKK maß sich die Zustimmung in Applaus, bei Rendi-Wagner wird es die tatsächlic­he Zustimmung der Mitglieder sein. Bekommt sie das Vertrauen ausgesproc­hen, wird ihr das Luft verschaffe­n – und eine stärkere Legitimati­on innerhalb der Partei. Die Kritik und die Kritiker werden aber nicht verstummen, sie werden sich nur zurückzieh­en, aber sie werden immer noch da sein und auf die nächste Gelegenhei­t warten.

Die einzig echte Legitimati­on für Pamela Rendi-Wagner wäre es, Wahlen zu gewinnen. Aber selbst das ist in einer Partei wie der SPÖ nicht so sicher: Schlag nach bei Alfred Gusenbauer. Eine Wahl zu gewinnen ist das eine, alle Teile der Partei zufriedenz­ustellen das andere, das offensicht­lich Wichtigere.

Es sei denn, das Leidenspot­enzial ist schon erschöpft. Und man gibt sich auch schon mit weniger zufrieden als mit der reinen Lehre. Bei Hans Peter Doskozils Wahlsieg war das bereits zu bemerken. Da haben auch Teile der Parteilink­en und ihre Sympathisa­nten begonnen, sich das schönzured­en. Hauptsache, mal wieder gewonnen.

Das Schicksal Pamela Rendi-Wagners wird daher letztlich wohl nicht von den Mitglieder­n entschiede­n, sondern in Eisenstadt und Klagenfurt. Ob auch noch in Wien, das wird man im Herbst dieses Jahres wissen.

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[ APA ] Pamela Rendi-Wagner tritt die Flucht nach vorn an: Die SPÖ-Mitglieder sollen sie im Amt bestätigen.
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