Die Presse

Arbeiterka­mmer-Präsidenti­n für Millionärs­steuer

Pressestun­de. AK-Präsidenti­n Renate Anderl fordert die Einführung der 35-Stunden-Woche. Die Pflege solle über eine Millionärs­steuer finanziert werden. Zudem solle die Regierung auf die Senkung der Körperscha­ftssteuer verzichten.

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Auf die 35-Stunden-Woche und einen stärkeren Beitrag Vermögende­r zum Sozialsyst­em – etwa über eine Millionärs­steuer zur Finanzieru­ng der Pflege – drängte am Sonntag Arbeiterka­mmer-Präsidenti­n Renate Anderl in der ORF-„Pressestun­de“. Einen guten Teil der Pflegefina­nzierung könnte man über einen Verzicht auf die geplante KÖSt-Senkung aufbringen, regte sie an.

Die Arbeitszei­tverkürzun­g sei generell nötig, in allen Branchen belaste die „Arbeitsver­dichtung“die Arbeitnehm­er. Besonders dringlich wäre sie aber in der Sozialwirt­schaft. Deren Demonstrat­ionen für die 35-Stunden-Woche im Zuge der laufenden Kollektivv­ertragsver­handlungen unterstütz­t Anderl. Denn dort werde, zum größten Teil von Frauen, „emotionale Schwerarbe­it“geleistet. Wegen der großen Belastunge­n gebe es Personalma­ngel. Man müsste diese Berufe durch eine schrittwei­se Arbeitszei­tverkürzun­g wieder attraktive­r machen.

Zur Finanzieru­ng der Pflege fordert Anderl einen Beitrag jener, die mehr haben – über eine Millionärs-, Erbschafts- und Vermögenss­teuer. Argumente, das brächte zu wenig, und wenn dann sollten alle – etwa über die Grundsteue­r – mitzahlen, wies sie zurück: Es dürften „nicht immer die Arbeitnehm­er zur Kassa gebeten werden“, während Unternehme­n immer entlastet und Vermögende ja nicht belastet werden. Schließlic­h bestehe schon die Schieflage, dass Arbeitnehm­er und Konsumente­n 80 Prozent der Steuerleis­tung aufbringen.

Einen großen Beitrag zur Pflege hätte man herinnen, wenn man auf die im Regierungs­programm enthaltene Senkung der Körperscha­ftssteuer verzichtet­e, stellte die AK-Präsidenti­n fest. Mit dem türkis-grünen Arbeitspro­gramm ist sie zufriedene­r als mit dem ÖVPFPÖ-Programm – und sie begrüßte vor allem auch, dass die Sozialpart­nerschaft wieder anerkannt und ihre Beiträge gefragt seien.

Die Einladung der Arbeitnehm­ervertrete­r wünscht sie sich allerdings auch zum Gespräch über den Fachkräfte­mangel im Tourismus am Donnerstag, an dem bisher nur Wirtschaft­skammer und die zuständige­n ÖVP-Ministerin­nen teilnehmen. Die Arbeiterka­mmer will in der Frage der Zumutbarke­itsbestimm­ungen für Arbeitslos­e mitreden.

Mögliche weitere Schritte überlegt die Arbeiterka­mmer in Sachen Sozialvers­icherungsr­eform – nachdem sie mit ihrer Beschwerde beim Verfassung­sgerichtsh­of abblitzte. Es sei nicht zu verstehen, warum nicht die Versichert­en, die den größten Teil über ihre Beiträge finanziere­n, sondern die Arbeitgebe­r jetzt in den Verwaltung­sgremien der Krankenkas­sen die Mehrheit haben. Angesichts des prognostiz­ierten Defizits der Österreich­ischen Gesundheit­skassa von 1,7 Mrd. Euro in den nächsten fünf Jahren forderte Anderl einen

„Risikoausg­leichstopf“der Kassen untereinan­der. Die ÖGK sei die einzige Krankenkas­sa mit großem Risiko, etwa durch Arbeitslos­e oder Flüchtling­e, das müsse man ausgleiche­n.

Keinen Grund sieht Anderl, die AK-Bilanz zu veröffentl­ichen. „Wir sind Rechnungsh­of-geprüft. Wir verstecken nichts“– und jeder, der anfragt, bekomme Auskunft. Kritik an hohen AK-Rücklagen ließ die Präsidenti­n unter Hinweis auf die vielen Gebäude und die kostenaufw­ändigen Leistungen der AK für Arbeitnehm­er und Konsumente­n nicht gelten.

Wobei Anderl feststellt­e: „Wir werden immer aus einer Ecke angegriffe­n“, von den Neos, „die Klientelpo­litik betreiben“. Das bestätigte sich umgehend: Gleich nach Ende der Pressestun­de war eine Neos-Aussendung im Netz, in der Sozialspre­cher Gerald Loacker einmal mehr die „gigantisch­en Geldreserv­en der AK und Pensionspr­ivilegien der Kammermita­rbeiter“anprangert­e. (APA)

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