Absichern hilft nur, wenn man weiß, was man will
Stop-Loss-Orders nehmen einem die Entscheidung ab, ob man eine gefallene Aktie verkaufen soll. Was man dann tun soll, sagen sie aber nicht. Wenn man mit Verlust verkauft, muss man endgültig zugeben, dass der Kauf ein Fehler war.
Niemals handeln ohne Stop, lautet ein häufiger Rat. „Stops“oder Stop-Loss-Orders sind automatische Verlustbegrenzungen. Dabei wird automatisch verkauft, wenn eine Aktie unter eine bestimmte, selbst gewählte Schwelle gerutscht ist. Diese Strategie, bei der man kleinere Verluste in Kauf nimmt, soll vor großen Verlusten schützen.
Oder Gewinne absichern. Zuletzt wurde auf sozialen Medien oft die Tesla-Aktie als Beispiel bemüht. Diese ist in den ersten Februar-Tagen regelrecht emporgeschossen. Wäre es für Aktionäre nicht ratsam, einen Stop zu setzen, falls sie wieder fallen sollte?
Die Frage, ob es eine gute Idee ist, Tesla-Aktien zu halten oder gar zu kaufen, obwohl in ihren Kurs extrem viel Zukunftshoffnung eingepreist ist, sei einmal dahingestellt. Vielleicht ist es eine gute Idee, Gewinne mitzunehmen. Doch das kann man auch ohne Verlustbegrenzung tun. Die Wahrscheinlichkeit, einen besseren Preis zu erhalten, als man mit einer automatischen Verlustbegrenzung erreicht hätte, ist hoch.
Eine häufig gewählte Marke für Stops liegt 20 Prozent unter dem jeweiligen Höchststand. Nach den steilen Anstiegen rutschte die Tesla-Aktie tatsächlich kurzfristig in einen Bärenmarkt, fiel also um mehr als 20 Prozent. Hier wäre dann automatisch verkauft worden. Nach dieser Korrektur erholte sich die Aktie aber und stieg wieder. Nun könnte man einwenden, dass Stops bei sehr volatilen Aktien, die sich gerade in einem Aufwärtstrend befinden, ziemlich kontraproduktiv sind. Entweder man glaubt an die Story und hält die Schwankungen aus, oder man lässt es bleiben.
Doch was ist mit Aktien, die sich in einem Abwärtstrend befinden? Sollte man diese nicht gegen allzu tiefe Abstürze absichern? Auch hier gilt: Wenn man glaubt, dass die Abstürze gerechtfertigt sind, sollte man das Papier verkaufen. Ganz aktiv. Setzt man eine automatische Verlustbegrenzung und die Aktie stützt über Nacht ab, kann es zudem passieren, dass der erste Kurs in der Früh weiter unter der gewünschten Stop-Marke liegt. Dann wird erbarmungslos verkauft, zu einem schlechten Preis. Oft erfolgt dann eine Gegenbewegung, die man als aktiver Verkäufer abwarten kann. (Es gibt auch Limit-Orders, die dazu führen, dass bei einem allzu starken Absturz dann doch nicht verkauft wird. Diese helfen in so einem Fall aber auch nicht wirklich weiter.)
Ein Kursrückgang kann alles Mögliche bedeuten: Die Aktie kann wirklich schlecht sein – oder aber durch den Kursrückgang wieder attraktiv geworden sein. Das wissen automatische Verlustbegrenzungen nicht. Im Herbst 2018 hätten sie wohl Apple-Aktien aus jedem Depot geschmissen, 2019 war Apple dann der beste Dow-Jones-Wert.
Nun gibt es auch Aktien, die sich nie mehr so richtig erholen. Diese sind aber selten über Nacht abgestürzt. Bei General Electric etwa zog sich der Absturz seit der Jahrtausendwende jahrelang hin, es gab immer wieder Zwischenerholungen. Ob und wann man wieder hätte einsteigen sollen, sagt einem die automatische Verlustbegrenzung übrigens auch nicht.
Es gibt jedoch ein Argument für Stop-Loss-Orders, und zwar ein psychologisches. Mitunter zögern Anleger, eine gefallene Aktie zu verkaufen, obwohl sie der Überzeugung sind, dass diese kein großes Potenzial mehr hat. Denn wenn man mit Verlust verkauft, muss man endgültig eingestehen, dass der Kauf ein Fehler war. Eine Verlustbegrenzung kann einem diese schwere Entscheidung abnehmen. Man kann sich selbst austricksen, um sich zu rationalem Handeln zu zwingen. Doch auch das hilft nur begrenzt: Denn danach muss man erst recht die Nerven behalten und die Aktie nicht nachkaufen, auch wenn sie zu einer Zwischenerholung ansetzt.