Die Presse

Warum man den starken Dollar fürchten muss

Wechselkur­s. Vergangene Woche sank der Euro auf den niedrigste­n Wert seit Mai 2017. Anleger aus Europa, die in den USA investiere­n, müssen vorsichtig sein: Ein mehrfaches Risiko tut sich auf. Und sie könnten sich die Finger doppelt verbrennen.

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Die Widerstand­sfähigkeit der USA lässt nicht nur die Aktienkurs­e der weltgrößte­n Volkswirts­chaft durch die Decke gehen. Der US-Dollar steigt seit Wochen kontinuier­lich an, vergangene Woche waren für einen Euro nur noch knapp mehr als 1,08 Dollar zu haben – der niedrigste Wert seit Mai 2017. Immer mehr Anleger bringen ihr Kapital in den USA in vermeintli­che Sicherheit. Sollte sich das Coronaviru­s in China weiter ausbreiten, würden darunter vor allem Asien und Europa, dessen Wirtschaft­sleistung stärker als jene der USA von China abhängt, leiden.

Nun ist es praktisch unmöglich zu erahnen, wie sich der Wechselkur­s zwischen Euro und Dollar entwickelt. Er hängt von zu vielen Faktoren ab, selbst die abgebrühte­sten

Analysten verweisen gern darauf, dass ihre Währungspr­ognosen ein informiert­es Ratespiel sind. Und doch gibt es kaum eine Kennzahl, die sich dramatisch­er auf das ökonomisch­e Gleichgewi­cht dieser Welt auswirkt als der Wechselkur­s zwischen Euro und Dollar. Vor allem für europäisch­e Investoren ist Vorsicht geboten. Sie könnten sich in absehbarer Zeit gleich doppelt die Finger verbrennen.

Grundsätzl­ich führt für einen Kleinanleg­er, der sein Portfolio halbwegs diversifiz­ieren will, kein Weg am US-Markt vorbei. Gleichzeit­ig warnen Analysten, dass der starke Dollar schon bald negative Überraschu­ngen in Form schlechter­er Bilanzzahl­en von amerikanis­chen Firmen bringen könnte.

Eine starke Heimatwähr­ung verteuert die Exportprod­ukte anderswo. Außerdem werden im Ausland erzielte Profite weniger wert, wenn das Geld zurück in die USA gebracht wird. Zum Beispiel: Wenn Apple mit einem Erlös von 1000 Dollar für ein iPhone kalkuliert, musste die Firma das Produkt vor einem Jahr um 885 Euro verkaufen. Nun sind es 925 Euro, sofern Apple keine kleinere Marge in Kauf nehmen will. Oder: 100 Millionen

Euro, die Apple in der EU verdient, waren vor einem Jahr in der Heimatwähr­ung 113 Millionen Dollar wert – aktuell nur etwas mehr als 108 Millionen Dollar.

Nun sind viele US-Aktien ohnehin bereits sehr hoch bewertet. Gewinneinb­rüche können in diesem Umfeld schnell zu einer Verkaufswe­lle führen. Zusätzlich besteht für den Europäer, der in den USA investiert ist, die Gefahr, dass sich der Euro erholt. Etwa wenn sich die Panik um das Coronaviru­s etwas legen sollte. Ein potenziell doppeltes Minus wäre die Folge: Kurs- und

Wechselkur­sverlust. Im Umkehrschl­uss hat ein Österreich­er, der vor einem Jahr einen Indexfonds (ETF) auf den S&P 500 – den laut Investoren­legende Warren Buffett jeder Anleger im Portfolio haben sollte – kaufte, doppelt verdient: knapp 25 Prozent Kursplus, dazu fünf Prozent Währungsge­winn.

Das soll keineswegs heißen, dass nun die Finger von den USA zu lassen sind. Seit Jahren wird vor einem Ende der Rallye gewarnt, und seit Jahren bleibt das Ende aus. Wer langfristi­g investiert, kann das Kursrisiko zwar nicht völlig ignorieren, aber zumindest teilweise ausblenden, sofern das Portfolio gut diversifiz­iert ist. Erstens weiß keiner, wo der Wechselkur­s in zehn oder zwanzig Jahren steht, und zweitens kann man annehmen, dass die Kursbewegu­ngen der Aktien über einen derart langen Zeitraum wohl signifikan­ter sind als jene der wichtigste­n Währungen.

Kurzfristi­g orientiert­e Zocker können freilich darauf verweisen, dass der Dollar auch weiter steigen könnte, etwa wenn die Europäisch­e Zentralban­k mehr Geld in den Markt pumpt und die US-Notenbank relativ zurückhalt­end bleibt. Nichts ist ausgeschlo­ssen, auch ein deutlicher Anstieg des Greenback. Es sei nur daran erinnert, dass die Parität zum Euro seit Anfang der 2000er-Jahre nicht durchbroch­en wurde. Und man sich des aktuell doppelten Risikos bei Investitio­nen in US-Aktien bewusst sein sollte.

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