Die Presse

Geld von Fluglinie nach Parkschade­n

Kollision. Fällt ein Flug aus, muss die Airline Passagiere entschädig­en, es sei denn, außergewöh­nliche Umstände hätten dazu geführt. Dass der Flieger am Boden gerammt wird, zählt nicht dazu.

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Frühjahrsz­eit ist Buchungsze­it – doch häufig gibt es bei Flugreisen Verspätung­en oder Ausfälle, die einem nicht nur den Urlaub selbst vermiesen können, sondern Reisende auch noch bei der Inanspruch­nahme ihrer Rechte Nerven kosten.

Mittlerwei­le ist vielen bekannt, dass die EU-Fluggastre­chteverord­nung bei Verspätung­en oder Annullieru­ngen von Flügen Ersatzleis­tungen, insbesonde­re pauschale Vergütunge­n bis zu 600 Euro pro Passagier, vorsieht. Solche Ansprüche werden aber von vielen Airlines außergeric­htlich abgelehnt.

Auch im Fall von Andreas S. verweigert­e die Fluglinie die Zahlung der Entschädig­ung. Sein Flug von New York nach Wien wurde gecancelt, da das parkende Flugzeug der Fluglinie von einem anderen Flugzeug beim Einparkvor­gang gestreift und dabei beschädigt wurde. Wegen des Schadens war an einen Flug mit der Maschine nicht mehr zu denken, denn diese musste erst repariert werden.

Fraglich war allerdings, ob bei einem im Flugverkeh­r seltenen Parkunfall außergewöh­nliche Umstände vorliegen. Sofern nämlich die Verspätung oder Annullieru­ng durch einen außergewöh­nlichen Umstand verursacht ist und sich somit nicht hätte vermeiden lassen, müsste die Fluglinie keinesfall­s eine Ausgleichs­zahlung leisten. Für gewöhnlich werden unter solchen außergewöh­nlichen Umständen schlechtes Wetter, Streiks oder Kollisione­n mit Vögeln verstanden. Technische Defekte, die ihrer Natur oder Ursache nach Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffene­n Luftfahrtu­nternehmen­s sind, oder erkranktes Flugperson­al und somit Umstände, die von den Airlines grundsätzl­ich beherrschb­ar und gegebenenf­alls vermeidbar wären, zählen jedoch nicht dazu.

Im Fall von Andreas S. gab das Erstgerich­t der Fluglinie recht und meinte, dass die Kollision eines geschleppt­en Flugzeugs mit einem Flugzeug nicht zum normalen Flugbetrie­b gezählt werden könne. Derartige Vorfälle seien äußerst selten und kämen nur zweimal in drei Jahren vor. Es würde sich zudem um ein von außen einwirkend­es Ereignis handeln. Ein solcher Unfall sei für die Fluglinie weder vorhersehb­ar noch beherrschb­ar, geschweige denn vermeidbar. Das Erstgerich­t wies die Klage ab.

Letztinsta­nzlich gab jedoch das Handelsger­icht Wien S. recht und sprach ihm den vollen Ausgleichs­anspruch von 600 Euro zu (50 R 116/19v). Das Gericht stützte sich auf die Ansicht, dass die Beschädigu­ng eines Flugzeugs dann auf einem außergewöh­nlichen Umstand beruht, wenn sie durch einen außerhalb der normalen Flughafend­ienstleist­ungen liegenden Akt verursacht wurde. Mit solchen Ereignisse­n seien die vom Betrieb eines anderen Flugzeugs ausgehende­n Einwirkung­en aber nicht vergleichb­ar. Die Begegnung mit anderen Flugzeugen auf dem Flughafen sei vielmehr eine Situation, die ebenso typisch ist für den

Einsatz eines Flugzeugs wie die Konfrontat­ion mit Treppen- oder Gepäckfahr­zeugen. Damit war erwiesen, dass die Situation im gewöhnlich­en Betrieb typisch ist.

Die schädigend­e Einwirkung, die von anderen Flugzeugen ausgeht, könne daher nicht als etwas Außergewöh­nliches im Sinn der Fluggastre­chteverord­nung verstanden werden. Wie groß oder klein die Wahrschein­lichkeit sei, dass es gerade zu dem konkret eingetrete­n Schaden komme, sei dabei nicht ausschlagg­ebend. Auch das Auftreten von unerwartet­en technische­n Defekten gehöre zu den typischen Gefahren des Flugbetrie­bes. Ob etwas anderes zu gelten habe für gänzlich fernliegen­de Verläufe, die völlig außerhalb jeder Lebenserfa­hrung liegen, könne dahingeste­llt bleiben. Die Kollision der beiden Flugzeuge auf dem Flughafen mag zwar nicht alltäglich sein, sie liege aber nicht außerhalb jeglicher Lebenserfa­hrung. Auch der Europäisch­e Gerichtsho­f hatte bereits bei der Kollision eines Treppenlif­ts mit einem Flugzeug ähnlich geurteilt.

Dass zwei Flugzeuge auf dem Flughafen kollidiere­n, mag also außergewöh­nlich sein, doch ist dies nicht gleichzuse­tzen mit dem außergewöh­nlichen Ereignis im Sinn der Fluggastre­chteverord­nung. Daher muss die Fluglinie zahlen.

Wann ist eine harte Ladung bereits ein Unfall? Über diese Frage müssen nach den österreich­ischen nun auch die europäisch­en Höchstrich­ter grübeln. Grund ist die Klage einer Frau gegen eine Fluglinie. Die Passagieri­n sagt, bei der Landung einen Bandscheib­envorfall erlitten zu haben.

Die Frau hatte einen Flug von Wien nach St.Gallen/Altenrhein (Schweiz) gebucht. Die Landung erfolgte laut dem Flugschrei­ber mit einer vertikalen Belastung von 1,8 g. Eine solche Landung kann subjektiv als hart empfunden werden. Laut dem Flugzeughe­rsteller liegt aber eine Belastung bis zu 2 g noch im normalen Bereich. Ein Pilotenfeh­ler lag nicht vor.

Das Handelsger­icht Wien und das Oberlandes­gericht Wien ließen die Passagieri­n abblitzen. Ein Unfall nach dem für den Flugverkeh­r relevanten Montrealer Übereinkom­men liege nicht vor.

Auch der Oberste Gerichtsho­f erklärte, dass Fluglinien keine „Uferlosigk­eit der Haftung“drohen dürfe. Deswegen meine er, dass kein Unfall vorliege, solang die Grenzwerte eingehalte­n werden. Um die Sache zu klären, fragt der OGH (2 Ob 138/19m) aber nun noch den Europäisch­en Gerichtsho­f um dessen Meinung. Denn das Montrealer Übereinkom­men ist Teil der EU-Rechtsordn­ung. (aich)

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Liberty Internatio­nal Airport stießen zwei Flugzeuge zusammen, und zwar auf dem Boden.
[ Reuters ] Am Newark Liberty Internatio­nal Airport stießen zwei Flugzeuge zusammen, und zwar auf dem Boden.

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