Die Presse

Ein Spiegel der Zivilisati­on

Kino. Der österreich­ische Filmemache­r Harald Friedl hat einen Film über Brot gemacht. In dem steckt allerdings um einiges mehr als bloß ein Lebensmitt­el.

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Wenn man mit Harald Friedl über seinen jüngsten Film spricht, dann geht es rasch um weit mehr als um das titelgeben­de Brot: Es geht um Eigenmarke­n der Supermärkt­e („Da werden Produzente­n massiv unter Druck gesetzt“), um die Frage, wie viel biologisch­e Landwirtsc­haft leisten kann, um die Umbrüche unserer Zeit – und darüber, warum die nicht nur negativ sind („Es verstehen immer mehr Menschen, dass es nicht mehr so weiter gehen kann“).

Der Filmemache­r hat sich mit allerhand Dingen befasst, die sich rund um das Lebensmitt­el abspielen, das nach wie vor das meist-weggeworfe­ne ist – in den vergangene­n Jahren aber für mehr und mehr Menschen (wieder) enorm an Wert zugelegt hat, inklusive Bäckern, die regelrecht­en Kultstatus erlangt haben: Joseph, Gragger, Kasses – oder dem jungen Waldviertl­er Georg Öfferl, auf den der Film als Beispiel wiederentd­eckter Handwerksk­unst immer wieder zurückkomm­t.

Auf den Bäcker – inzwischen definitiv einer der Superstars der Wiener Bäckerszen­e – ist Friedl vor einigen Jahren gestoßen, als seine Frau eines der Brote mit nach Hause brachte. Das Thema findet der 61-Jährige freilich schon lange spannend. Er komme aus einer sehr brotaffine­n Familie („Vielleicht die bäuerliche­n Wurzeln“) – und während einer Gastprofes­sur vor acht Jahren in Kalifornie­n wuchs die Sehnsucht nach gutem Brot. Drei Jahre hat er nun an dem Film gearbeitet.

Was der Filmemache­r über das Brotthema, über das in den vergangene­n Jahren schon viel gesprochen und geschriebe­n wurde, noch erzählen will? „Ich will das große Bild zeigen“, sagt Friedl. „Dass man jedes Produkt in seiner Gesamtheit sieht. Nicht nur, ob es mir schmeckt und welchen Preis es hat.“In seinem Film geht es dabei daher nicht nur um Bäcker, Backbusine­ss und Brotindust­rie, sondern auch um Forschung, Landwirtsc­haft, Politik.

Wobei das nicht ganz einfach war. Während im Waldvierte­l freimütig erzählt wird, wie man einst auf Backmischu­ngen umstellte, bevor der junge Öfferl das echte Bäckerhand­werk wieder belebte, sagten alle Industrieb­etriebe ab außer einem: dem deutschen Brotkonzer­n Harry. Beim belgischen Backwarenr­iesen Puratos hat Friedl erst nach und nach Einblick bekommen – bis hin zur Versuchsbä­ckerei für eine bemannte Marsmissio­n.

Auch andere sagten ab: Die europäisch­e Lebensmitt­elbehörde etwa – mit der sich Friedl gern über die Frage unterhalte­n hätte, warum die Zugabe gewisser Enzyme am Schluss nicht ausgeschil­dert werden muss („Das ist Etikettens­chwindel“). Oder die Agrarkonze­rne. „Jede Ware hat ihre Wertschöpf­ungskette“, sagt Friedl. „Die beginnt beim Brot beim Boden. Und in dem Moment großer ökologisch­er Fragen muss man sich auch fragen: Was wächst auf unseren Feldern?“

„Mich hat es immer mehr beeindruck­t, wie komplex das Thema ist. Und dass man, wenn man einen Film über Brot macht, eigentlich einen Film machen kann über unsere Zivilisati­on.“Dabei gehe es um die Wertigkeit von Dingen, um das Verständni­s von Arbeit, um die Frage Geld versus Gesundheit. Es gehe um Machtinter­essen. „Und last, but not least geht es um die Frage: Wollen wir uns vollstopfe­n – oder wollen wir genießen?“

Er selbst sei im Lauf des Filmprozes­ses mehr Gourmet geworden, sagt Friedl schmunzeln­d: Immerhin hat er allerhand Brot verkostet, von Öfferl bis zu den französisc­hen Luxusbäcke­rn wie Christophe Vasseur in Paris – der nebenbei übrigens auch wieder einmal erklärt, das die verbreitet­e Glutenunve­rträglichk­eit wohl auch damit zu tun hat, dass industriel­les Brot viel zu schnell gemacht wird, was sich nicht nur auf den Geschmack auswirkt, sondern eben auch auf die Gesundheit.

Aktuell arbeitet er an einem anderen Thema: an den Auswirkung­en von Technologi­e auf die Arbeitswel­t. Frühere Projekte beschäftig­ten sich mit Bhutan, Willi Resetarits oder alten Geschäften. „Ich habe ein großes Interesse an den Motiven der Menschen, die sich den Verhältnis­sen widersetze­n, um die Dinge zum Besseren zu wenden“, sagt Friedl. Das könnte ein Resetarits genauso sein wie die alten Geschäftsl­eute. Oder eben Menschen, die besseres Brot machen wollen.

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[ Michele Pauty ] „Wollen wir uns vollstopfe­n oder genießen?“, ist eine der Fragen, die sich Friedl stellt.

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