Die Presse

Dieser Mann war doch in Wirklichke­it ganz anders!

Eine Ausstellun­g und ein dazugehöri­ges Buch zeigen uns Ludwig van Beethoven, wie er sich in seiner Zeit im Theater an der Wien gab. Der Meister des „Fidelio“lebte einst im Theater an der Wien, aber nicht nur . . .

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Nichts Genaues weiß man nicht“– die alte Historiker­Räson ist die beste Grundlage für eine Ausstellun­g. Wie und wo und wann genau und wie lang Ludwig van Beethoven im Theater an der Wien gewohnt hat, ist auch bei sorgfältig­stem Quellenstu­dium nicht herauszufi­nden. Aber dass er im von Emanuel Schikanede­r errichtete­n Haus Logis nahm, ist sicher.

Und dass er daselbst weite Teile seines „Fidelio“komponiert­e, darf ebenfalls angenommen werden. Eine regelrecht­e Dienstwohn­ung hat Schikanede­r dem Komponiste­n zugewiesen und gemeint, er werde dort sein Libretto zur Oper „Vestas Feuer“in Musik setzen – als Nachfolgep­rojekt zur „Zauberflöt­e“, mit der Schikanede­r alias Papageno berühmt geworden war. Daraus wurde nichts. Aber Beethoven schrieb für Schikanede­rs Nachfolger seine einzige Oper.

Das ist bekannt. Bekannt ist auch, dass er im Verein mit seinem Bruder Karl im Theater gewohnt hat. Die Wohnung Karls kann man lokalisier­en – sie lag in jenem Gebäude, das Anfang des 20. Jahrhunder­ts niedergeri­ssen und durch ein Zinshaus ersetzt wurde, das heute noch die Vorderfron­t zur Wienzeile bildet.

Beethoven hatte nachweisli­ch ein Quartier mit Fenstern in den Hof – und nahm daraufhin relativ bald eine andere Mietwohnun­g am Alsergrund, die ihm freien Blick bot. Die Zimmer an der Wien hat er aber offenbar nicht aufgegeben; oder jedenfalls immer wieder bezogen.

Wie auch immer: Das Theater wurde zur wichtigste­n BeethovenS­pielstätte – nicht nur „Fidelio“, auch einige der Symphonien und Klavierkon­zerte sind dort uraufgefüh­rt worden. Grund genug, ab heute, Montag, die Gedenkvera­nstaltunge­n zum Beethoven-Jahr um eine Ausstellun­g zu bereichern, die im Theater an der Wien an des Komponiste­n Zeit am Ort und deren Verklärung durch die nachgebore­nen Chronisten erinnert.

Dazu ist bei Böhlau ein schöner Dokumentar-Band erschienen, der die Sache aus allen möglichen Perspektiv­en beleuchtet, präzisiert und relativier­t, wie sich das für ein wissenscha­ftlich grundierte­s Buchprojek­t gehört. Das liest sich nicht nur als Begleitkat­alog zur Schau spannend, sondern wird auch ein nützlicher Bestandtei­l jeder gut sortierten Beethoven-Bibliothek bleiben.

Was die Musikologe­n, Historiker und Studenten der Musik-Universitä­t zusammenge­tragen haben, bildet ein buntes Kaleidosko­p der von den Napoleonis­chen Kriegen umtosten Ära. Und es sorgt dafür, dass unser Bild der Persönlich­keit des Komponiste­n, seiner Netzwerke, seiner Beziehung zu politische­m Fortschrit­t und der – gar nicht holden, sondern auch hie und da wehrkräfti­gen – Weiblichke­it noch schärfere Konturen erhält.

Wie meinte doch Kapellmeis­ter Seyfried über die Brüder Beethoven und ihre Gepflogenh­eiten in der Zeit im Theater? „Sie besuchten fast tagtäglich, da wir eine Garcon-¸Wirthschaf­t trieben, selbander das nehmliche Speisehaus, und verplauder­ten zusammen manch unvergessl­iches Stündchen in collegiali­scher Traulichke­it; denn Beethoven war damals heiter, zu jedem Scherz aufgelegt, frohsinnig, munter lebenslust­ig, witzig, nicht selten auch satyrisch.“

Na, wer sagt’s denn . . .

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