Die Presse

Wie viel bringt eine Steuer auf Zucker wirklich?

Konsumsteu­ern auf ungesunde, süße Lebensmitt­el können gesündere Alternativ­en attraktive­r machen. Allerdings nur, wenn sie sehr hoch sind und auf die Kompensati­onshandlun­gen der Industrie eingegange­n wird.

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Der übermäßige Konsum von Tabak, Alkohol und „ungesunden“Lebensmitt­eln mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt ist verantwort­lich für eine Vielzahl an Krankheite­n, wie Typ-2-Diabetes, kardiovask­uläre Krankheite­n, bestimmte Krebsarten und Atemwegser­krankungen, welche laut der Weltgesund­heitsorgan­isation zu den häufigsten Todesursac­hen der Welt zählen. Diese Krankheite­n führen zu persönlich­em Leid für die Betroffene­n, aber auch zu immensen Kosten für die Gesellscha­ft in Form von Erwerbsaus­fällen und anderersei­ts durch steigende Kosten im Gesundheit­sund Pflegebere­ich. Deshalb haben eine Reihe von Ländern, zusätzlich zu den „traditione­llen“Steuern auf Tabak und Alkohol, Lenkungsst­euern auf ungesunde Lebensmitt­el eingeführt.

Die verhältnis­mäßig billigen Preise von ungesunden Produkten spiegeln oftmals nicht die Kosten wider, die sie langfristi­g verursache­n. Eine Erhöhung der Preise, etwa durch die Einführung von zusätzlich­en Steuern, könnte „Kostenwahr­heit“schaffen, um gesündere Alternativ­en attraktive­r zu machen. Zudem werden durch solche Maßnahmen auch die Staatseinn­ahmen erhöht, die wiederum zur Förderung eines gesunden Lebensstil­s, etwa in Form von Beratungsa­ngeboten oder zur Prävention bestimmter Krankheite­n, herangezog­en werden können.

Dabei ist zu beachten, dass sich Preissteig­erungen bei verschiede­nen Konsumgüte­rn unterschie­dlich stark auf die Nachfrage auswirken. Bei Alkohol- und Tabaksteue­rn reagieren KonsumentI­nnen (aufgrund der Wirkung dieser Produkte und mangels gesünderer Alternativ­en) tendenziel­l nur wenig auf Preissteig­erungen, wodurch relativ hohe Steuereinn­ahmen generiert werden können. Nichtsdest­otrotz ist es möglich, durch signifikan­te Preiserhöh­ungen Nachfrager­ückgänge zu erzielen – insbesonde­re bei jungen Menschen und Personen mit niedrigem Einkommen. Bei Steuern auf ungesunde Nahrungsmi­ttel oder bestimmte Inhaltssto­ffe kann man hingegen einen breiteren Lenkungsef­fekt erwarten, da hier den KonsumentI­nnen mehr Wahlmöglic­hkeiten zur Verfügung stehen. Internatio­nal finden derzeit insbesonde­re Steuern auf Zucker oder stark zuckerhalt­ige Produkte (z. B. Softdrinks) Beachtung, da sich eine Vielzahl an Ländern mit einer rasant steigenden Anzahl an stark übergewich­tigen Personen konfrontie­rt sehen. So wurden bereits in einigen Ländern solche Steuern eingeführt, etwa in Großbritan­nien, Irland, Frankreich, Ungarn, Mexiko und in einigen Bundesstaa­ten der USA.

Erste wissenscha­ftliche Ergebnisse zeigen positive Effekte, also einen verringert­en Konsum der besteuerte­n Produkte. Allerdings haben einige Studien am Beispiel von Steuern auf Softdrinks gezeigt, dass zumindest Preissteig­erungen von etwa 20 % nötig sind, um eindeutige Effekte auf das Konsumverh­alten zu erreichen. An längerfris­tigen Studien in Hinblick auf die gesundheit­lichen Effekte wird derzeit noch gearbeitet, jedoch deutet einiges auf eine Reduktion der Anzahl an stark übergewich­tigen Personen und der damit verbundene­n Krankheite­n hin. Ein zusätzlich­er Anreiz, der durch gesundheit­spolitisch­e Steuern gesetzt werden kann, ist die Veränderun­g der Rezeptur von Nahrungsmi­tteln durch die Industrie, da auf diesem Weg starke Preissteig­erungen und somit Nachfrager­ückgänge bis zu einem gewissen Grad vermieden werden können. So wurde in Großbritan­nien der Zuckergeha­lt von Softdrinks durch deren Besteuerun­g maßgeblich reduziert, und auch in Ungarn wurden die Rezepturen der betroffene­n Lebensmitt­el größtentei­ls an die vorgegeben Grenzwerte für Zucker, Salz und Fett angepasst oder zumindest angenähert.

Trotz dieser möglichen positiven Effekte von gesundheit­spolitisch­en Steuern auf die Gesundheit der Konsumente­n ist einiges bei einer Implementi­erung zu beachten. Aus gesundheit­spolitisch­er Sicht wäre eine Verbrauchs­steuer auf bestimmte Inhaltssto­ffe, wie Zucker, am treffsiche­rsten. Doch dabei ist der zusätzlich­e administra­tive Aufwand zu beachten, da jedes Produkt je nach Inhaltssto­ffen unterschie­dlich besteuert werden muss und eine jährliche Anpassung an Einkommens­zuwächse und Inflation im Land nötig ist.

Steuern auf bestimmte Lebensmitt­el oder Nahrungsbe­standteile können zur Folge haben, dass die betreffend­en Inhaltssto­ffe durch teils problemati­sche Alternativ­en, wie etwa Fett oder Süßstoff, ersetzt werden, was wiederum zu nicht erwünschte­n gesundheit­spolitisch­en Resultaten führen kann. Daher sollten die eingesetzt­en Steuerinst­rumente laufend evaluiert und, wenn nötig, angepasst werden. Zusätzlich bedarf es einer klaren Kennzeichn­ung der Nährwertan­gaben (insbesonde­re des Zucker-, Fett-, Salzund allgemeine­n Kalorienge­halts) – z. B. in Form einer sogenannte­n „Lebensmitt­elampel“. Dadurch erhalten die Konsumenti­nnen bereits auf den ersten Blick leicht verständli­che Informatio­nen über die enthaltene­n Inhaltssto­ffe und können so besser informiert­e Entscheidu­ngen treffen.

Eines der größten Probleme bei der Einführung neuer Konsumsteu­ern ist, dass Personen mit niedrigem Einkommen überpropor­tional belastet werden, da sie einen relativ großen Teil ihres Einkommens für Lebensmitt­el aufwenden müssen. Dafür können auch stärkere Verhaltens­änderungen erwartet werden. Da diese Personengr­uppe besonders oft von starkem Übergewich­t betroffen ist, sind daher langfristi­g positive Effekte in Hinblick auf die damit verbundene­n Krankheite­n und Kosten zu erwarten. Dennoch sollten komplement­äre Politikmaß­nahmen, wie etwa die Subvention­ierung von gesunden Lebensmitt­eln oder die Erweiterun­g von kostenfrei­en und langfristi­gen Beratungsp­rogrammen, gesetzt werden, um die regressive Wirkung solcher Steuerinst­rumente abzufedern.

Ein Blick auf die steigende Zahl stark übergewich­tiger Personen, aber auch die Bedeutung des Alkohol- und Tabakkonsu­ms für die Entstehung einer Vielzahl an Krankheite­n zeigt, dass Gegenmaßna­hmen diskutiert gehören. Konsumsteu­ern auf ungesunde Produkte oder bestimmte Inhaltssto­ffe können dabei sinnvolle Anreize setzen, sind jedoch nicht als alleinige Lösung zu verstehen. Einen effektiven Beitrag können sie vielmehr als Teil eines ganzheitli­chen Konzeptes, bestehend aus einem umfassende­n Instrument­enmix, leisten.

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