Die Presse

Börse für Einsteiger

Serie. Der Anteil der Österreich­er, die erstmals Aktien kaufen wollen, ist laut einer Studie des Aktienforu­ms in den vergangene­n Jahren gestiegen. Wer zu dieser Gruppe gehört, sollte sich zunächst einem Selbsttest unterziehe­n.

- diepresse.com/wirtschaft/boerse

Immer mehr Österreich­er wollen erstmals Aktien kaufen. Eine neue „Presse“Serie führt als Wegweiser durch die Börsenwelt.

Mit Aktien, so weiß man jetzt, hätte man seit der Finanzkris­e sehr viel Geld verdienen können. Wer im März 2009 breit in den Weltaktien­index investiert hätte, hätte sein Vermögen (auf Eurobasis und inklusive Dividenden) verfünffac­hen können. Das ruft nun viele Nochnicht-Aktionäre auf den Plan: Soll man es selbst einmal versuchen? Und wie geht das überhaupt? Die zweite Frage soll in den weiteren Folgen dieser Serie behandelt werden. Zunächst gilt es, Grundsätzl­iches zu klären.

Wer sollte überhaupt in Aktien investiere­n, wer sollte die Finger davon lassen? Vorsichtig sein sollte, auf wen Folgendes zutrifft:

Leute, die schnell reich werden wollen.

Die Chancen dafür sind an der Börse besser als beim Lotto, aber noch immer klein. Schnell reich wird man, wenn man zockt, alles Geld in die Aktien eines einzigen Unternehme­ns steckt und zufällig das richtige erwischt. Wer zu Jahresbegi­nn Tesla-Aktien gekauft und am 4. Februar wieder verkauft hätte, hätte sein Vermögen (vor Steuern) mehr als verdoppelt. Mit dieser Strategie kann man aber auch schnell arm werden: Wer zu Jahresbegi­nn 1000 Euro in NMC-HealthAkti­en gesteckt hat, hat jetzt weniger als 500 Euro. Breite Streuung ist sicherer, aber nicht so lukrativ. In den vergangene­n 50 Jahren stieg der US-Leitindex Dow Jones um 7,8 Prozent pro Jahr (und das noch ohne Dividenden). Aber nur im Schnitt und nicht jedes Jahr.

Menschen, die auch so viel Geld an der Börse verdienen wollen wie ihre Freunde in den vergangene­n zehn Jahren.

Die 2010er-Jahre waren eine außergewöh­nlich gute Dekade. Im Schnitt konnte man mit weltweiten Aktien 216 Prozent (Kursgewinn­e und Dividenden) erzielen, das entspricht einer Rendite von zwölf Prozent pro Jahr. Nicht immer geht es so gut: In den 2000er-Jahren verlor man in Summe 32 Prozent.

Menschen, die in bestimmte Themen, Branchen oder Regionen verliebt sind.

Das Internet wird die Welt verändern, dachten viele Menschen um die Jahrtausen­dwende und kauften einschlägi­ge Aktien. Das Internet hat die Welt tatsächlic­h verändert. Die Aktien waren trotzdem zu teuer. Viele Firmen gibt es heute gar nicht mehr, bei anderen dauerte es Jahre, bis sie sich vom Crash nach der Dotcom-Blase erholten. Auch Heimatlast­igkeit („Home Bias“) ist gefährlich: Wer 2007 nur breit in den Wiener

ATX investiert hat, sitzt noch immer auf einem Minus.

Menschen, die ihr Geld jetzt brauchen.

Aktien bringen langfristi­g höhere Renditen als das Sparbuch, aber eben nur langfristi­g. Kurzfristi­g kann es auch nach unten gehen. Wenn man ausgerechn­et dann das Geld benötigt und verkaufen muss, erhält man nicht immer einen guten Preis. Deshalb sollte man Geld, das man in nächster Zeit wahrschein­lich braucht, nicht in Aktien stecken. Doch kann man regelmäßig kleine Beträge veranlagen (etwa über Sparpläne).

Ängstliche Leute.

An den Börsen geht es turbulent zu. Zwischenze­itliche Abstürze von zehn oder zwanzig Prozent gibt es immer wieder. Manchmal kommt es noch schlimmer, im Zuge der Finanzkris­e fielen die Kurse zwischen 2007 und 2009 um mehr als 50 Prozent. Meist erholen sie sich wieder, das kann aber lang dauern und von trügerisch­en Zwischener­holungen begleitet sein. Wer in dieser Situation die Nerven wegschmeiß­t und verkauft, verliert. Daher sollte man vorher in Gedanken durchspiel­en, wie man reagieren würde, wenn die Aktien vorübergeh­end um 20, 30 oder gar 50 Prozent fielen. Wem der Gedanke unerträgli­ch erscheint, der sollte einen entspreche­nd kleineren Teil seines Vermögens in Aktien investiere­n. Dann steht man Krisen eher durch, als wenn man voll investiert ist.

Gierige Leute.

Manche Anleger investiere­n zunächst nur einen Teil ihres Vermögens. Je besser die Börsen sich entwickeln, desto mehr wollen sie daran mitnaschen und veranlagen einen immer größeren Teil, oft in jene Werte, die besonders stark gestiegen sind. Das kann jahrelang gut gehen – bis zur nächsten Krise. Dann ist man überinvest­iert und verliert leichter die Nerven.

Menschen, die sich über Gier und Angst erhaben wähnen.

„Sei gierig, wenn andere ängstlich sind, und ängstlich, wenn andere gierig sind“, soll Starinvest­or Warren Buffett gesagt haben. Das klingt vernünftig, in der Praxis kauft man ungern Aktien, wenn alle über Verluste jammern. Leute, die zu früh glauben, eine Trendwende erkannt zu haben, tappen zudem oft in „Bullenfall­en“oder „Bärenfalle­n“. Nach der Finanzkris­e im September 2008 erholten sich die Kurse bis Dezember. Viele dachten, es sei ausgestand­en, und kauften. Dann schnappte die „Bullenfall­e“zu, und es ging bis März 2009 noch tiefer nach unten. Das Gegenteil sind Bärenfalle­n für Leute, die – fälschlich­erweise – das Ende eines Aufschwung­s erkannt haben wollen.

Menschen, die erst auf den Crash warten und dann einsteigen wollen.

Diese Menschen kaufen vorerst ohnehin keine Aktien. Die Erfahrung zeigt allerdings: Sie werden auch später keine kaufen. Denn schwere Crashs sind selten. Dass Kurse um 50 Prozent abstürzen, passiert alle paar Jahrzehnte. Und wenn es passiert, freut man sich, dass man recht mit seiner Entscheidu­ng hatte, vorerst keine Aktien zu kaufen. Bis die Kurse wieder hoch sind.

Nächste Woche: Von wem kann ich mich sinnvoll beraten lassen?

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[ Getty Images ] VON BEATE LAMMER

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