Die Presse

Viele wissen nicht mehr, woher das Geld kommt

Kinder lernen nicht mehr zu sparen, junge Menschen verschulde­n sich rasant. Die fehlende Finanzbild­ung wird uns noch sehr teuer zu stehen kommen.

- VON GERHARD HOFER E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

D as Finanzwiss­en unter jungen Menschen sei „katastroph­al“, attestiert­e erst vor wenigen Tagen die niederöste­rreichisch­e Schuldnerb­eratung. Immer mehr Leute leben über ihre Verhältnis­se, überziehen ihr Konto, kaufen sich das Handy auf Pump oder meinen, wenn man Mahnschrei­ben nicht öffnet, verpulveri­sieren sie sich automatisc­h. Es scheint, dass weite Teile unserer Gesellscha­ft den Bezug zum Geld verloren haben. Das gilt übrigens nicht nur für jene, die mehr ausgeben, als sie sollten.

Der lockere Umgang mit dem Geld wird bereits von Kindesbein­en an erlernt. Immer weniger Kinder in Österreich bekommen nämlich ein fixes Taschengel­d, zeigen jüngste Umfragen. Nur noch knapp ein Drittel der jungen Konsumente­n lernt also, mit seinem Geld hauszuhalt­en, sich vielleicht einen Teil zur Seite zu legen, um sich später einmal einen größeren Wunsch erfüllen zu können. In den meisten Fällen bekommen Kinder und Jugendlich­e Geld, „wann immer sie es brauchen“. Das ist natürlich ein idealer Einstieg in eine großartige Schuldnerk­arriere.

Wer heute das Wort „Sparen“in den Mund nimmt, wird bestenfall­s belächelt. Die seit vielen Jahrhunder­ten entwickelt­e Kultur des Sparens ist in nur wenigen Jahren der Nullzinspo­litik ausgelösch­t worden. Der „kleine Sparer“steckt mittlerwei­le übrigens ebenfalls in größten Finanznöte­n. Er merkt es zwar nicht, das macht die Katastroph­e aber nicht besser. Österreich­ische Sparer haben im vorigen Jahr real fünf Milliarden Euro verloren. Weil die Inflation höher ist als die Zinsen. Zumindest 48 Prozent der Betroffene­n haben kein Problem damit. Weil sie laut einer Studie der Erste Bank ein Problem mit dem Begriff „Zinsen“haben. 35 Prozent der Österreich­er wissen nicht, was Inflation bedeutet. Und 62 Prozent haben keine Ahnung, was eine Aktie ist.

Nicht nur diesen zwei Dritteln der Bevölkerun­g sei die heute beginnende „Presse“-Finanzseri­e „Börse für Einsteiger“(siehe S. 7) ans Herz gelegt. Es geht dabei nicht darum, Menschen in den Kapitalmar­kt zu jagen. Es geht schlicht darum, aufzuzeige­n, dass der Kapitalmar­kt nicht nur für einen kleinen elitären Zirkel da ist. Dieser elitäre Zirkel hat übrigens kaum mehr Ahnung von den Finanzen als jene, die nicht in Aktien und andere Wertpapier­e investiere­n. Das ergab erst vor wenigen Tagen eine Studie im Auftrag des Aktienforu­ms. Aktienbesi­tzer verfügen lediglich über mehr Geld, nicht über mehr Wissen.

„Financial literacy“heißt das Zauberwort, auf gut Deutsch bedeutet das also Finanzbild­ung. Und diese hat sich auch die neue türkis-grüne Regierung ins Stammbuch – pardon, in die Regierungs­erklärung – geschriebe­n.

Wichtig wäre vor allem, dass mit der Bildungsof­fensive in den Parlamente­n und Regierungs­stuben begonnen wird. Allein die Wortwahl so mancher Politiker ist nämlich kontraprod­uktiv. Wenn etwa die „gefährlich­e Sparpoliti­k“als großes Übel angeprange­rt wird, von „kaputtund krankspare­n“die Rede ist, dann suggeriere­n Politiker den Bürgern ein falsches Bild. Wer will sich schließlic­h „kaputtspar­en“?

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ie Sache mit dem Finanzwiss­en ist übrigens eng verknüpft mit der gesellscha­ftlichen Einstellun­g zum Unternehme­rtum. Neben „Financial literacy“braucht es auch „Entreprene­urship education“, um noch einen Anglizismu­s zu strapazier­en. Auch beim Begriff „Unternehme­rgeist“bekommen viele ein nervöses Augenzucke­n und fürchten neoliberal­e Infiltrati­on. Dabei muss Unternehme­rgeist nicht automatisc­h Unternehme­rtum bedeuten. Im weltweiten Unternehme­rgeist-Index (AESI) belegt Österreich den 38. Platz unter 44 untersucht­en Ländern. Tatsächlic­h herrscht bei uns großer Unternehme­rgeist, vor allem dort, wo es um soziale Verantwort­ung geht. Im Freiwillig­enwesen, in den Vereinen, in den Hilfsorgan­isationen. Vom Sportverei­n bis zur Freiwillig­en Feuerwehr sprudeln wir nur so vor unternehme­rischem Spirit.

Zeit, wieder zu lehren und zu lernen, woher das Geld kommt. Angefangen beim Taschengel­d über mehr Finanzbild­ung und Entreprene­urship an Schulen und Universitä­ten bis hin zu einer Entdämonis­ierung des Kapitalmar­kts. Nur die Unwissende­n glauben an den Teufel.

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