Viele wissen nicht mehr, woher das Geld kommt
Kinder lernen nicht mehr zu sparen, junge Menschen verschulden sich rasant. Die fehlende Finanzbildung wird uns noch sehr teuer zu stehen kommen.
D as Finanzwissen unter jungen Menschen sei „katastrophal“, attestierte erst vor wenigen Tagen die niederösterreichische Schuldnerberatung. Immer mehr Leute leben über ihre Verhältnisse, überziehen ihr Konto, kaufen sich das Handy auf Pump oder meinen, wenn man Mahnschreiben nicht öffnet, verpulverisieren sie sich automatisch. Es scheint, dass weite Teile unserer Gesellschaft den Bezug zum Geld verloren haben. Das gilt übrigens nicht nur für jene, die mehr ausgeben, als sie sollten.
Der lockere Umgang mit dem Geld wird bereits von Kindesbeinen an erlernt. Immer weniger Kinder in Österreich bekommen nämlich ein fixes Taschengeld, zeigen jüngste Umfragen. Nur noch knapp ein Drittel der jungen Konsumenten lernt also, mit seinem Geld hauszuhalten, sich vielleicht einen Teil zur Seite zu legen, um sich später einmal einen größeren Wunsch erfüllen zu können. In den meisten Fällen bekommen Kinder und Jugendliche Geld, „wann immer sie es brauchen“. Das ist natürlich ein idealer Einstieg in eine großartige Schuldnerkarriere.
Wer heute das Wort „Sparen“in den Mund nimmt, wird bestenfalls belächelt. Die seit vielen Jahrhunderten entwickelte Kultur des Sparens ist in nur wenigen Jahren der Nullzinspolitik ausgelöscht worden. Der „kleine Sparer“steckt mittlerweile übrigens ebenfalls in größten Finanznöten. Er merkt es zwar nicht, das macht die Katastrophe aber nicht besser. Österreichische Sparer haben im vorigen Jahr real fünf Milliarden Euro verloren. Weil die Inflation höher ist als die Zinsen. Zumindest 48 Prozent der Betroffenen haben kein Problem damit. Weil sie laut einer Studie der Erste Bank ein Problem mit dem Begriff „Zinsen“haben. 35 Prozent der Österreicher wissen nicht, was Inflation bedeutet. Und 62 Prozent haben keine Ahnung, was eine Aktie ist.
Nicht nur diesen zwei Dritteln der Bevölkerung sei die heute beginnende „Presse“-Finanzserie „Börse für Einsteiger“(siehe S. 7) ans Herz gelegt. Es geht dabei nicht darum, Menschen in den Kapitalmarkt zu jagen. Es geht schlicht darum, aufzuzeigen, dass der Kapitalmarkt nicht nur für einen kleinen elitären Zirkel da ist. Dieser elitäre Zirkel hat übrigens kaum mehr Ahnung von den Finanzen als jene, die nicht in Aktien und andere Wertpapiere investieren. Das ergab erst vor wenigen Tagen eine Studie im Auftrag des Aktienforums. Aktienbesitzer verfügen lediglich über mehr Geld, nicht über mehr Wissen.
„Financial literacy“heißt das Zauberwort, auf gut Deutsch bedeutet das also Finanzbildung. Und diese hat sich auch die neue türkis-grüne Regierung ins Stammbuch – pardon, in die Regierungserklärung – geschrieben.
Wichtig wäre vor allem, dass mit der Bildungsoffensive in den Parlamenten und Regierungsstuben begonnen wird. Allein die Wortwahl so mancher Politiker ist nämlich kontraproduktiv. Wenn etwa die „gefährliche Sparpolitik“als großes Übel angeprangert wird, von „kaputtund kranksparen“die Rede ist, dann suggerieren Politiker den Bürgern ein falsches Bild. Wer will sich schließlich „kaputtsparen“?
D
ie Sache mit dem Finanzwissen ist übrigens eng verknüpft mit der gesellschaftlichen Einstellung zum Unternehmertum. Neben „Financial literacy“braucht es auch „Entrepreneurship education“, um noch einen Anglizismus zu strapazieren. Auch beim Begriff „Unternehmergeist“bekommen viele ein nervöses Augenzucken und fürchten neoliberale Infiltration. Dabei muss Unternehmergeist nicht automatisch Unternehmertum bedeuten. Im weltweiten Unternehmergeist-Index (AESI) belegt Österreich den 38. Platz unter 44 untersuchten Ländern. Tatsächlich herrscht bei uns großer Unternehmergeist, vor allem dort, wo es um soziale Verantwortung geht. Im Freiwilligenwesen, in den Vereinen, in den Hilfsorganisationen. Vom Sportverein bis zur Freiwilligen Feuerwehr sprudeln wir nur so vor unternehmerischem Spirit.
Zeit, wieder zu lehren und zu lernen, woher das Geld kommt. Angefangen beim Taschengeld über mehr Finanzbildung und Entrepreneurship an Schulen und Universitäten bis hin zu einer Entdämonisierung des Kapitalmarkts. Nur die Unwissenden glauben an den Teufel.