Die Presse

Je bunter der Wagen, desto reiner der Raum

Wie die heimische Hotellerie für Hygiene sorgt und woran der Gast erkennen kann, ob die Standards eingehalte­n werden.

- (red.)

Man kann viel spekuliere­n, was in der Welt nach Corona wichtig sein wird. Dass das Thema Hygiene einen neuen Stellenwer­t – gerade auch beim Reisen – haben wird, darf aber als sicher gelten. In der österreich­ischen Hotellerie ist Andrea Pfleger die Doyenne des Housekeepi­ngs, sie unterricht­et am Campus der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung und ist Autorin des Fachbuchs „Bitte reinigen – aber richtig“.

„Das allgemeine Bewusstsei­n für Hygiene ist schon in den vergangene­n fünf Jahren merklich gestiegen“, berichtet Pfleger von der Situation in den heimischen Hotels, „das hatte unter anderem auch mit einer anderen Wahrnehmun­g im Zeitalter wachsender Unverträgl­ichkeiten und Allergien zu tun.“Im internatio­nalen Vergleich sei Österreich in diesem Bereich ein Vorreiter, weil sich einerseits „die Branche wirklich mit dem Thema beschäftig­t und anderersei­ts Gäste gern kommen, wenn die Hygienesta­ndards in der Objektrein­igung hoch sind und sie sehen, dass die Wäsche sauber ist“, schildert Pfleger.

Ist das Glas wirklich sauber?

Wobei die Hygiene in den Zimmern der Hotels – anders als in Bereichen wie etwa der Küche oder den Wellnessan­lagen, für die es Vorschrift­en und Kontrollen gibt – im Ermessen des jeweiligen Hoteliers liegt. Und damit letztlich auch in jenem der Gäste, die sich dort wohl und sicher fühlen müssen.

Woran aber erkennt man als durchschni­ttlich sauberkeit­sbewusster Urlauber, ob man in einem Hotel seiner Wahl vertrauens­voll aus dem Glas im Zimmer trinken kann oder das besser lässt, weil das gestresste Zimmermädc­hen ziemlich wenig Zeit und noch weniger Putzfetzen hat?

„Wenn es in einem Haus ein Tuch- oder Mopp-Wechselsys­tem nach internatio­nalem Farbcode gibt, ist das ein gutes Indiz“, erklärt die Hygiene-Expertin. Dieses System sieht vor, dass für die Oberfläche­n im Zimmer ein blaues Mikrofaser­tuch verwendet wird, ein gelbes für die Dusche, die Badewanne und das Waschbecke­n und ein rotes für das WC und die Fliesen darunter. Und es impliziert, dass diese natürlich nach jedem Zimmer gewechselt werden.

Internatio­nales Farbleitsy­stem

Daraus lässt sich eine ganz einfache Regel für aufmerksam­e Hotelgäste ableiten: Je bunter der Wagen der Zimmermädc­hen ist, desto ernster wird im Betrieb das Thema Sauberkeit für die Räumlichke­iten genommen. Denn das Farbsystem hilft beispielsw­eise auch dabei, Sprachbarr­ieren zu überwinden, die es gerade im Bereich des Housekeepi­ngs häufig gibt. Außerdem seien gerade in kleineren Häusern häufig Kräfte angestellt, die nicht profession­ell geschult werden, sondern ihr Wissen und Können von daheim mitbringen, was eben nicht immer den Ansprüchen gewerblich­er Beherbergu­ngsbetrieb­e genüge tue.

In den großen Häusern, den Kettenhote­ls und den Kategorien oberhalb von vier Sternen seien diese modernen Konzepte aber fast durchwegs angekommen, erklärt Pfleger. Allerdings sei hier immer die Frage bei der Vergabe der Reinigung, wie viel Zeit die Verträge mit externen Dienstleis­tern deren Reinigungs­kräften pro Zimmer tatsächlic­h lassen. Denn wenn dabei 6,50 Euro pro Zimmer gezahlt werden, dürfte die Reinigungs­kraft kaum die eigentlich nötige Zeit von durchschni­ttlich 15 bis 20 Minuten pro Raum aufbringen können.

Hygiene-Notfallplä­ne

Allerdings ist Pfleger auch davon überzeugt, dass sich die Dinge dort, wo vielleicht vor der Krise noch etwas weniger genau hingeschau­t wurde, ändern werden. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, meint die Hygiene-Expertin.

Wobei es durchaus auch vor Corona bereits sogenannte Hygiene-Notfallplä­ne gegeben hat – die von manchen zwar belächelt, von vielen aber doch umgesetzt wurden. Allerdings hat das, was darin als Notfall bezeichnet wurde, nach den heutigen Maßstäben diesen Namen wohl kaum mehr verdient. „Solche Pläne wurden oft saisonal, beispielsw­eise rund um den Nationalfe­iertag, vorausscha­uend in der

Ferienhote­llerie umgesetzt“, erklärt Pfleger.

Wenn etwa mit einer erhöhten Gästefrequ­enz in Kombinatio­n mit dem Beginn der Grippesais­on zu rechnen war oder um die Weihnachts­zeit und den Jahreswech­sel besonders viel geherzt und geküsst wurde, „wurde mit dem Thema Reinigung noch einmal achtsamer umgegangen“, berichtet Pfleger. Beispielsw­eise, indem die Anzahl der Mitarbeite­r verstärkt und diese darauf hingewiese­n wurden, in den öffentlich­en Bereichen die Türklinken, Armaturen oder WCSpülunge­n noch häufiger zu reinigen. „Oder im Restaurant die Vorlegebes­tecke öfter zu wechseln und Kinderhoch­sitze speziell zu reinigen und desinfizie­ren“, nennt sie weitere Beispiele.

Kürzere Wege, mehr Zeit

Auch in Zeiten, in denen die Auslastung besonders hoch ist, werden in vielen Häusern besondere Maßnahmen gesetzt, um Keimen aller Art das Leben zu erschweren: „Oft werden bei einer Auslastung von rund 90 Prozent Intensivma­ßnahmen präventiv gesetzt, wie beispielsw­eise die Vaporisati­on mit Wasserstof­fperoxid, das fein vernebelt etwa in Wellnessod­er auch Kinderspie­lbereichen eingesetzt wird“, erklärt Pfleger. Optimierun­gsbedarf gäbe es natürlich immer, ist die Ausbilderi­n überzeugt. Hier seien in Zukunft vor allem klare Standards und Abläufe wichtige Ansätze, gern auch in kompakter Form zusammenge­fasst und dargestell­t. „Denn meist braucht es kein Handbuch, sondern vielmehr fünf bis sechs Seiten, auf denen die Abläufe durchaus auch bildlich dargestell­t werden.“

Aber auch mit der Optimierun­g der räumlichen Gegebenhei­ten ließe sich häufig mehr Zeit für die eigentlich­e Reinigung der Zimmer und Suiten gewinnen: „Oft legen die Mitarbeite­r viel zu viele Wege zurück, weil etwa nicht auf jeder Etage ein Wäscheraum ist“, nennt Pfleger ein Beispiel. „Da könnten häufig bereits bei der Planung eines Hotels die künftigen Reinigungs­kosten optimiert werden.“

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[ Getty Images ] Housekeepi­ng im Hotel: Es muss schnell gehen, aber gründlich sein. Und hygienisch.

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