Die Presse

Hochbetrie­b hinter den Kulissen

Österreich­s Energiever­sorger haben ihre Pläne für den Krisenfall aktiviert. Die notwendige­n Maßnahmen zur Aufrechter­haltung der Versorgung wurden schon vielfach geübt.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Für die meisten Menschen war das Wort Pandemie bis vor Kurzem ein eher abstrakter Begriff. Anders bei Österreich­s Energiever­sorgern: „Jedes Unternehme­n der Energiewir­tschaft verfügt über Pläne für Krisensitu­ationen“, erzählt Leonhard Schitter, Präsident von Österreich­s Energie, der Interessen­vertretung der österreich­ischen E-Wirtschaft. „Darin wird auf verschiede­nste Szenarien wie Cyberangri­ffe, Naturkatas­trophen oder Terroransc­hläge und natürlich auch auf Seuchen und Pandemien eingegange­n.“

Leitstelle­n als Back-up

Alarmiert von den Meldungen über die Ausbreitun­g des Coronaviru­s starteten die Energiever­sorger bereits Ende Februar auf Basis dieser Krisenplän­e mit den Vorbereitu­ngen für die jetzige Situation. In Salzburg etwa, wo im Normalbetr­ieb eine Leitstelle im Betrieb ist, wurden an drei weit voneinande­r entfernten Standorten Leitstelle­n aktiviert, vorgesorgt, dass die Mitarbeite­r untereinan­der keinen direkten Kontakt haben, Hygienemaß­nahmen und weitere Vorkehrung­en getroffen, berichtet Schitter, der auch Vorstand der Salzburg AG ist. So sollte verhindert werden, dass eine große Anzahl an wichtigen Mitarbeite­rn erkrankt und dadurch der Betrieb gefährdet ist. Das Szenario war für die Betroffene­n nicht neu, betont Schitter:

„Wir haben solche Maßnahmen in Übungen unzählige Male durchgespi­elt, deshalb lief alles ohne Probleme ab.“Im Hintergrun­d werde zwar anders gearbeitet als sonst, aber die Stromverso­rgung sei gesichert und laufe wie gewohnt weiter, betont er. Das gilt neben Strom auch für die anderen Leistungen der Salzburg AG, wie Gas, Fernwärme, Wasser und Internet.

Freiwillig­e Isolation

Bei der Wien Energie ist für den Krisenstab derzeit Alexander Kirchner verantwort­lich, Leiter des Bereichs Betrieb Erzeugungs­anlage. Vor vier Wochen wurde das Management für die aktuelle Krise gestartet. „Alle Schritte waren eingeübt, und das hat sich bewährt“, berichtet auch er. Der Energiever­sorger hat 53 Mitarbeite­r an vier Standorten – Kraftwerk Simmering, Müllverbre­nnung Simmeringe­r Haide, Spittelau und Flötzerste­ig – in komplett abgeschlos­senen Räumlichke­iten kaserniert. Dadurch soll eine Ansteckung der Teams mit Covid-19 ausgeschlo­ssen werden.

Von den Leitstelle­n werden die Wiener Kraftwerke und Müllverbre­nnungsanla­gen gesteuert. Wartung und – sofern notwendig – kleinere Reparature­n werden ebenfalls von diesen Teams durchgefüh­rt. „Die isolierten Mitarbeite­r wurden aus Freiwillig­en ausgesucht, die sich nach einem Aufruf gemeldet haben“, berichtet Kirchner. „Sie sind top motiviert und wissen, wie wichtig ihr Einsatz ist, damit in Wien alles funktionie­rt.“Die abgeschott­eten Räumlichke­iten sind mit allen Einrichtun­gen ausgestatt­et, damit ihr Aufenthalt halbwegs angenehm ist. Dazu gibt es arbeitspsy­chologisch­e Betreuung.

Die hohe Motivation der Beschäftig­ten sei bei allen österreich­ischen Energiever­sorgern beeindruck­end, unterstrei­cht Schitter. Das treffe auf sämtliche Mitarbeite­r zu, denn gefordert sind in diesen Wochen nicht nur die Mannschaft­en in den Leitstelle­n. Die Teams für die Behebung von Störungen und für die Aufrechter­haltung der notwendige­n Wartungsar­beiten stünden österreich­weit nach wie vor im Einsatz. Lediglich nicht dringende Instandhal­tungen würden nach hinten gestellt. Auch hier wurde vorgesorgt, damit nicht komplette Bereiche durch eine Covid-19-Infektion ausfallen, erklärt Schitter. Verstärkt wurde außerdem die Mannschaft für die telefonisc­he Kundenbetr­euung: „Die Kundenanfr­agen haben deutlich zugenommen“, erzählt er.

Keine Sperren bei Anschlüsse­n

Ähnlich vorbereite­t geben sich auch andere für die Versorgung mit Energie wichtige Unternehme­n. Die OMV richtete bereits zu Beginn der Coronakris­e ein zentrales Notfallman­agement-Team ein, das sämtliche Maßnahmen koordinier­t und den jeweiligen Umständen anpasst. Das gilt besonders für die Raffinerie­n und Tanklager, für die es ebenfalls langfristi­g vorbereite­te Krisenplän­e für die unterschie­dlichsten Szenarien gibt. „Die meisten unserer operativen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r arbeiten im Schichtbet­rieb, und wir vermeiden den direkten Kontakt zwischen den Schichten schon seit Wochen“, heißt es aus der OMV-Presseabte­ilung.

Die Versorgung mit Energie ist auch vom Angebot her jedenfalls gesichert. Aufgrund der europaweit­en Beschränku­ngen sind alle Energiever­bräuche deutlich gesunken, und es gibt derzeit ein Überangebo­t. Selbst Sorgen wegen offener Rechnung müssen sich viele Kunden derzeit nicht machen. Die großen österreich­ischen Stromliefe­ranten haben versproche­n, bei Zahlungsrü­ckständen den Anschluss nicht zu sperren. Nachdrückl­ich versichert das Michael Strebl, Geschäftsf­ührer von Wien Energie: „Es gibt für Kunden, die in Rückstand geraten sind, garantiert keine Abschaltun­gen, solang wir uns in dieser Krise befinden.“

kritischer Infrastruk­tureinrich­tungen verfügen die Energiever­sorger über Krisenplän­e, in denen Maßnahmen bei Cyberangri­ffen, Naturkatas­trophen, Terroransc­hlägen oder dem Ausbruch von Seuchen vorgesehen sind. Gewisse Einschränk­ungen gibt es derzeit beim Kundenserv­ice. Wien Energie etwa hat ihre Servicezen­tren Spittelau und Guntramsdo­rf geschlosse­n, stellt die Kundenbetr­euung aber via Telefon sicher.

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[ Florian Rainer ] In den Steuerzent­ralen (im Bild APG) herrscht erhöhte Alarmberei­tschaft.

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