Hochbetrieb hinter den Kulissen
Österreichs Energieversorger haben ihre Pläne für den Krisenfall aktiviert. Die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgung wurden schon vielfach geübt.
Für die meisten Menschen war das Wort Pandemie bis vor Kurzem ein eher abstrakter Begriff. Anders bei Österreichs Energieversorgern: „Jedes Unternehmen der Energiewirtschaft verfügt über Pläne für Krisensituationen“, erzählt Leonhard Schitter, Präsident von Österreichs Energie, der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft. „Darin wird auf verschiedenste Szenarien wie Cyberangriffe, Naturkatastrophen oder Terroranschläge und natürlich auch auf Seuchen und Pandemien eingegangen.“
Leitstellen als Back-up
Alarmiert von den Meldungen über die Ausbreitung des Coronavirus starteten die Energieversorger bereits Ende Februar auf Basis dieser Krisenpläne mit den Vorbereitungen für die jetzige Situation. In Salzburg etwa, wo im Normalbetrieb eine Leitstelle im Betrieb ist, wurden an drei weit voneinander entfernten Standorten Leitstellen aktiviert, vorgesorgt, dass die Mitarbeiter untereinander keinen direkten Kontakt haben, Hygienemaßnahmen und weitere Vorkehrungen getroffen, berichtet Schitter, der auch Vorstand der Salzburg AG ist. So sollte verhindert werden, dass eine große Anzahl an wichtigen Mitarbeitern erkrankt und dadurch der Betrieb gefährdet ist. Das Szenario war für die Betroffenen nicht neu, betont Schitter:
„Wir haben solche Maßnahmen in Übungen unzählige Male durchgespielt, deshalb lief alles ohne Probleme ab.“Im Hintergrund werde zwar anders gearbeitet als sonst, aber die Stromversorgung sei gesichert und laufe wie gewohnt weiter, betont er. Das gilt neben Strom auch für die anderen Leistungen der Salzburg AG, wie Gas, Fernwärme, Wasser und Internet.
Freiwillige Isolation
Bei der Wien Energie ist für den Krisenstab derzeit Alexander Kirchner verantwortlich, Leiter des Bereichs Betrieb Erzeugungsanlage. Vor vier Wochen wurde das Management für die aktuelle Krise gestartet. „Alle Schritte waren eingeübt, und das hat sich bewährt“, berichtet auch er. Der Energieversorger hat 53 Mitarbeiter an vier Standorten – Kraftwerk Simmering, Müllverbrennung Simmeringer Haide, Spittelau und Flötzersteig – in komplett abgeschlossenen Räumlichkeiten kaserniert. Dadurch soll eine Ansteckung der Teams mit Covid-19 ausgeschlossen werden.
Von den Leitstellen werden die Wiener Kraftwerke und Müllverbrennungsanlagen gesteuert. Wartung und – sofern notwendig – kleinere Reparaturen werden ebenfalls von diesen Teams durchgeführt. „Die isolierten Mitarbeiter wurden aus Freiwilligen ausgesucht, die sich nach einem Aufruf gemeldet haben“, berichtet Kirchner. „Sie sind top motiviert und wissen, wie wichtig ihr Einsatz ist, damit in Wien alles funktioniert.“Die abgeschotteten Räumlichkeiten sind mit allen Einrichtungen ausgestattet, damit ihr Aufenthalt halbwegs angenehm ist. Dazu gibt es arbeitspsychologische Betreuung.
Die hohe Motivation der Beschäftigten sei bei allen österreichischen Energieversorgern beeindruckend, unterstreicht Schitter. Das treffe auf sämtliche Mitarbeiter zu, denn gefordert sind in diesen Wochen nicht nur die Mannschaften in den Leitstellen. Die Teams für die Behebung von Störungen und für die Aufrechterhaltung der notwendigen Wartungsarbeiten stünden österreichweit nach wie vor im Einsatz. Lediglich nicht dringende Instandhaltungen würden nach hinten gestellt. Auch hier wurde vorgesorgt, damit nicht komplette Bereiche durch eine Covid-19-Infektion ausfallen, erklärt Schitter. Verstärkt wurde außerdem die Mannschaft für die telefonische Kundenbetreuung: „Die Kundenanfragen haben deutlich zugenommen“, erzählt er.
Keine Sperren bei Anschlüssen
Ähnlich vorbereitet geben sich auch andere für die Versorgung mit Energie wichtige Unternehmen. Die OMV richtete bereits zu Beginn der Coronakrise ein zentrales Notfallmanagement-Team ein, das sämtliche Maßnahmen koordiniert und den jeweiligen Umständen anpasst. Das gilt besonders für die Raffinerien und Tanklager, für die es ebenfalls langfristig vorbereitete Krisenpläne für die unterschiedlichsten Szenarien gibt. „Die meisten unserer operativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im Schichtbetrieb, und wir vermeiden den direkten Kontakt zwischen den Schichten schon seit Wochen“, heißt es aus der OMV-Presseabteilung.
Die Versorgung mit Energie ist auch vom Angebot her jedenfalls gesichert. Aufgrund der europaweiten Beschränkungen sind alle Energieverbräuche deutlich gesunken, und es gibt derzeit ein Überangebot. Selbst Sorgen wegen offener Rechnung müssen sich viele Kunden derzeit nicht machen. Die großen österreichischen Stromlieferanten haben versprochen, bei Zahlungsrückständen den Anschluss nicht zu sperren. Nachdrücklich versichert das Michael Strebl, Geschäftsführer von Wien Energie: „Es gibt für Kunden, die in Rückstand geraten sind, garantiert keine Abschaltungen, solang wir uns in dieser Krise befinden.“
kritischer Infrastruktureinrichtungen verfügen die Energieversorger über Krisenpläne, in denen Maßnahmen bei Cyberangriffen, Naturkatastrophen, Terroranschlägen oder dem Ausbruch von Seuchen vorgesehen sind. Gewisse Einschränkungen gibt es derzeit beim Kundenservice. Wien Energie etwa hat ihre Servicezentren Spittelau und Guntramsdorf geschlossen, stellt die Kundenbetreuung aber via Telefon sicher.