Aufregung in Alpbach
Event. Ob und in welcher Form das Forum Alpbach heuer stattfindet, wird nach Ostern entschieden. Bis dahin wird auch feststehen, ob Andreas Treichl Präsident des Forums wird.
Ob das Forum Alpbach stattfindet, weiß man nach Ostern. Ob Andreas Treichl Präsident wird, schon früher.
Es muss weitergehen. Dieses Mantra wiederholt wohl auch Franz Fischler gut und gerne. Nicht nur, weil er gerade in Tirol weilt und das gesamte Bundesland unter Quarantäne ist. Fischler ist Präsident des Europäischen Forum Alpbach. „Wir feiern heuer 75 Jahre Alpbach“, sagt Fischler, „und das können wir nicht übergehen.“Heißt: „Das Forum Alpbach wird es heuer auf jeden Fall geben. Die Frage ist nur, in welcher Form.“Nach Ostern soll es dazu eine definitive Entscheidung geben. Und dann wäre auch noch eine personelle Kleinigkeit zu klären: Franz Fischler will sich von seiner Funktion 2021 zurückziehen. Ein neuer Alpbach-Präsident muss her.
Im Mai findet wie immer die Generalversammlung des Forums statt, und da soll die Nachfolge bereits feststehen. Ein Jahr vor der Übergabe also. „Ich habe nicht vor, die Frage der Nachfolge ein Jahr brodeln zu lassen“, sagt Fischler. Außerdem: Das war schon seinerzeit so, als er die Präsidentschaft von Erhard Busek übernahm – der „Neue“soll ja schließlich auch genügend Zeit haben, sich einzuarbeiten, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Und dass es ein
Neuer sein wird, steht außer Zweifel: Die Kandidaten, die genannt werden, sind allesamt Männer:
Matthias Strolz ist zumindest medial genannt worden, allerdings ist diese Variante höchst unwahrscheinlich: Der Alpbach-Präsident arbeitet ehrenamtlich, außerdem soll er über die Grenzen einen doch ansehnlichen Bekanntheitsgrad haben. Nichts für ungut: Aber dieses Kriterium erfüllt Strolz nicht unbedingt.
Bei der Suche hat also das Alpbach-Präsidium zwei Kandidaten in die engere Wahl genommen. Das ist einerseits Wilhelm Molte
rer, der als einstiger Landwirtschaftsminister (so wie Fischler auch) und ehemaliger ÖVP-Chef politisch gut vernetzt ist, und als jahrelanger Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank EIB auch brauchbare internationale Kontakte hat. Es gibt aber noch einen zweiten Kandidaten, der im Präsidium die absolute Favoritenrolle hat: Ex-Erste-Chef Andreas
Treichl.
Treichl ist selbstverständlich politisch mindestens so gut vernetzt wie jeder Ex-Politiker. Er hat als ehemaliger Chef einer Bank, die über die Grenzen aktiv ist, auch international ein gutes Standing. Und er hat natürlich reichlich Managementerfahrung. Fischler sagt denn auch: „Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Treichl für Alpbach gewinnen könnten.“
Kleine Interpretationshilfe: Fischler würde eine Aussage dieser Art wohl nicht machen, wäre er sich nicht ziemlich sicher, dass die
Variante Treichl in Reichweite ist. Selbst wenn der Ex-Banker noch nicht offiziell zugesagt hat, er will noch mit den Gremien der ErsteStiftung, die er präsidiert, beraten. Vor Ostern will er aber Fischler Bescheid geben, sagt Treichl.
Dass das Alpbach-Präsidium gar so sehr auf Treichl kapriziert ist, kommt nicht von Ungefähr. Klar: Da gibt es die zuvor genannten Gründe. Aber da gibt es noch einen weiteren Faktor, der nicht außer Acht gelassen werden sollte: Andreas Treichl ist Obmann der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer und hat einen guten, freundschaftlichen Draht zu Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer.
Und zwischen Mahrer und dem Forum Alpbach ist, sagen wir es so: das Auskommen eher nicht so gedeihlich.
Das begann gleich einen Monat nachdem Mahrer Präsident der Wirtschaftskammer wurde. Im Juni 2018 ließ er Parteifreund Fischler jedenfalls wissen, dass die Kammer nicht mehr als Geldgeber und Kooperationspartner in Alpbach zur Verfügung stehe. Und das zwei Monate bevor das internationale Event im Tiroler Bergdorf startete. Aber Mahrer hatte eben seine Entscheidung getroffen. Weil er für die Kammer „keinen Mehrwert“erkennen konnte.
Mehrwert? Schlag nach bei der Industriellenvereinigung: Die hatte schon 2014 Alpbach den Rücken gekehrt. Zuvor hatte das neue Alpbach-Präsidium beschlossen, die Veranstaltung konfrontativer zu gestalten. Es wurden also auch sozialdemokratische Politiker eingeladen. Vor allem aber: Es wurde auch die Arbeiterkammer als Sponsor gewonnen. Der Industriellenvereinigung, die Alpbach lange Zeit exklusiv gesponsert hatte, war das wohl alles zu „links“. Jedenfalls sah sie das Event – zu Recht – nicht mehr als ihre ausschließliche Plattform. Und verabschiedete sich.
Gut möglich, dass die Wirtschaftskammer da ihre Stunde in Alpbach gekommen sah. Doch dort wurde sie nach und nach in die Schranken gewiesen.
Alpbach-Verantwortliche betonen immer wieder, dass keiner der Sponsoren das Event für sich vereinnahmen dürfe. Auch nicht die Wirtschaftskammer. Was angesichts des gewünschten breiten Diskurses absolut nicht von der Hand zu weisen ist. Dem wiederum hält Mahrer im Gespräch mit der „Presse“entgegen: „Wenn man eine Plattform für Gedankenaustausch auf Weltniveau sein möchte, dann muss man sich auch beim Partnermanagement auf Weltniveau bewegen.“Die Wirtschaftskammer fühlte sich also offenbar in Alpbach thematisch bevormundet, jedenfalls nicht entsprechend gewürdigt – und wollte das wohl angesichts jährlicher Zahlungen von sechsstelligen Beiträgen nicht mehr hinnehmen.
Der Karren ist also seit geraumer Zeit ziemlich festgefahren. Franz Fischler sagt, dass er Mahrer zu einem klärenden Gespräch eingeladen habe, aber das Gespräch hat noch nicht stattgefunden. Funkstille also.
Zufall oder nicht: Auch Kanzler
Sebastian Kurz soll mit dem Forum nicht wirklich restlos glücklich sein. In Alpbach machte er sich zuletzt jedenfalls rar. Dafür startete im vergangenen Jahr eine von seiner Vertrauten Gabi Spiegelfeld initiierte „Gegenveranstaltung“– das „Salzburg Summit“, das von der Industriellenvereinigung finanziell stark unterstützt wird.
Derweil hat sich die Lage für Alpbach weiter zugespitzt. Im vergangenen Jänner gab es für das Forum jedenfalls eine neuerliche Hiobsbotschaft: Die Nationalbank zog sich ebenfalls als Sponsor zurück. Dort ist Harald Mahrer, enger Vertrauter von Kurz, bekanntlich Präsident. In Alpbach wird geargwöhnt, dass Mahrer hinter der Entscheidung der Notenbank stehe. Was der wiederum empört dementiert: „Das war eine operative Entscheidung des Direktoriums.“
Jetzt werden also große Hoffnungen in den allseits respektierten Andreas Treichl gesetzt. Mit ihm sollen sich die Wogen wieder glätten.
Das heurige, Corona-bedingt schwierige Jahr muss jedenfalls noch Fischler managen. Das Forum wird unter dem Motto „Fundamentals“über die Bühne gehen. Wie groß die Bühne sein wird, ist halt die Frage.
In Alpbach startet traditionell Mitte August die „Seminarwoche“. Sie gilt als wissenschaftliches Herzstück des Forums: Da werden 700 Stipendien vergeben, für die sich weltweit rund 6500 Studierende bewerben. Fischler: „Da bewerben sich auch immer sehr viele Interessenten aus Afrika“– wo die große Corona-Welle wohl noch bevorsteht. Es sei also denkbar, dass die Seminarwoche mittels Electronic Teaching durchgeführt werde.
Danach kommen traditionell die Gesundheits- und die Technologiegespräche, die politischen, die Rechts- sowie die Wirtschaftsgespräche, zuletzt die Finanzmarktgespräche – allesamt mit international renommierten Vortragenden. Und heuer? „Wir haben vor allem bei den Vortragenden einen beträchtlichen Anteil von Risikogruppen“, räumt Fischler ein. Möglich sei also, dass „nur eine kleine Gruppe von Menschen vor Ort sein wird und wir die Vorträge im Wesentlichen via Live-Stream übermitteln lassen“.
Man wird sehen. Aber zu lang wird man die Entscheidung nicht hinauszögern können, weil die Organisation des Events eine beachtliche Vorlaufzeit benötigt. Fischler: „Nach Ostern werden wir uns deklarieren.“