Die Presse

„Diejenigen, die zu Hause bleiben, dürfen nicht die Dummen sein“

Maßnahmen. Am Montag will die Koalition eine erste Bilanz über die Lage in Österreich ziehen. Davor gibt sie „persönlich­e Prognosen“ab.

-

Wien. Man kann es als Informatio­nsoffensiv­e für die Öffentlich­keit sehen, als Angebot für Transparen­z in unsicheren Zeiten, auch als Beschäftig­ungstherap­ie für Daheimgebl­iebene. In der Opposition drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass gute PR womöglich auch eine Rolle spielt: Jedenfalls bemüht sich die türkis-grüne Bundesregi­erung, täglich im Bundeskanz­leramt aufzutrete­n. In unterschie­dlichen Konstellat­ionen, aber zumindest einmal täglich.

Freitag waren es also Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP). Das Duo ist schon eingespiel­t, die Rollen klar verteilt: Auf der einen Seite Anschober, ruhig im Ton und in der Botschaft. Und auf der anderen Seite Nehammer, mit durchaus harscher Wortwahl.

Zunächst aber zu den nüchternen Zahlen, die Anschober präsentier­te. Mit Stand Freitagfrü­h sind 58 Personen in Österreich an Covid-19 gestorben. 6962 Erkrankte wurden um acht Uhr gezählt – zum gleichen Zeitpunkt am Donnerstag waren es noch 5888. Das ist ein Anstieg um 1074 Fälle oder 18,24 Prozent innerhalb von 24 Stunden – also weniger als zuvor. Rund 800 Betroffene befanden sich in Krankenhäu­sern, davon 128 auf Intensivst­ationen. Offiziell gibt es 225 Personen, die genesen sind.

Vorerst ist der geringere prozentuel­le Anstieg der Erkrankten daher eine gute Nachricht. Anschober versucht den Menschen in Österreich Mut zu machen. Sie sollen motiviert werden, auch weiterhin daheim zu bleiben. Gleichzeit­ig will er aber auch die Erwartunge­n der Bevölkerun­g heruntersc­hrauben. Allzu schnell wird sich an der jetzigen Situation wohl nichts ändern.

Anschober formuliert es so: Die Zahlen würden zeigen, „dass die Maßnahmen zu wirken beginnen“. „Ja, das ist ein Hoffnungsf­aktor: Wenn wir handeln, hat es positive Auswirkung­en.“Dann folgt das Aber: „Es ist viel, viel, viel zu früh, dass wir irgendeine Form von positivem Signal setzen.“Man müsse ein „mittleres einstellig­es Anstiegswa­chstum“erreichen. Derzeit – und auch das sei positiv – befinde sich Österreich „punktgenau dort, wo es uns die Institute prognostiz­iert haben“. Man könne sich auf die Berechnung­en also verlassen.

Anschober wagte selbst eine „vorsichtig­e, persönlich­e Prognose“. Der Höhepunkt bei den Infektione­n könnte „zwischen Mitte April und Mitte Mai erreicht sein“. Ob das tatsächlic­h so eintrete, hänge aber von sehr vielen Faktoren ab. „Da kann sich durchaus noch viel bewegen.“Wie lang die Maßnahmen gelten und ab wann die Schulen wieder öffnen, stehe daher nicht fest. Eine erste Bilanz, wie die Maßnahmen in Österreich greifen, wird es erst am kommenden Montag geben. Denn am Wochenende werden Experten und Bundesregi­erung die Lage in Österreich evaluieren.

„Gibt uneinsicht­ige Lebensgefä­hrder“

Innenminis­ter Nehammer appelliert­e wieder einmal an die Menschen in Österreich: „Bitte halten Sie durch.“Auch, wenn es schon einen Hoffnungss­chimmer gebe. „Um Lebensrett­erinnen und Lebensrett­er zu sein, muss das hohe Niveau der Disziplin weiter aufrechter­halten werden.“Der Großteil der Bevölkerun­g halte sich ohnehin auch vorbildlic­h daran. Doch auch hier folgt das Aber: „Es gibt uneinsicht­ige Lebensgefä­hrder.“Und die würden zu gefährlich­en Einsätzen für die Polizei führen. „Ich habe mir angewöhnt, beim Polizeifun­k mitzuhören.“Da gebe es Spuckattac­ken von Menschen, die behaupten, mit dem Coronaviru­s infiziert zu sein. (Laut Innenminis­terium handelt es sich um eine „Handvoll Fälle“.) Oder aber auch „Coronapart­ys“. „Allein der Name ist ja schon an Schwachsin­nigkeit nicht zu überbieten“, sagt Nehammer. Bei diesen Regelverst­ößen gebe es Strafen. „Diejenigen, die zu Hause bleiben, dürfen nicht die Dummen sein.“(ib)

 ?? [ APA ] ?? Freitag traten Nehammer und Anschober auf.
[ APA ] Freitag traten Nehammer und Anschober auf.

Newspapers in German

Newspapers from Austria