Mehr Todesfälle in Tirol: Gibt es eine hohe Dunkelziffer?
Corona. Bestatter berichten von mehr Todesfällen in den vergangenen Wochen in Tirol. Posthum getestet oder obduziert wird bisher kaum.
Wien. Sechs Menschen sind in Tirol bereits im Zusammenhang mit dem Coronavirus verstorben. Offiziell – denn als Corona-Toter gilt, wer positiv auf das Virus getestet wurde –, inoffiziell könnten es auch mehr sein. Zumindest gehen derlei Spekulationen derzeit in Tirol um, schließlich berichten Bestatter von einer Häufung von Todesfällen in den vergangenen Wochen.
Das bestätigt Christine Dellemann von der Bestattung Dellemann in Landeck, dem österreichweit am stärksten von Corona-Infektionen betroffenen Bezirk: „Wir haben in den vergangenen ein bis zwei Wochen mehr Todesfälle.“Die Spitze, das zeigen Traueranzeigen der Bestattung, war bisher der 23. März mit vier Todesfällen – durchwegs Menschen im höheren oder hohen Alter. Über einen längeren Zeitraum betrachtet gibt es meist ein oder zwei Todesfälle.
„Woran die Häufung liegt, können wir natürlich nicht sagen“, sagt Dellemann. Ein weiterer Bestatter bestätigt diese Beobachtung, aber auch er sagt, er wolle da nicht spekulieren oder Angst schüren. Und wieder ein anderer, Bestatter Bernhard Schöpfer aus Imst, meint, ihm seien in den vergangenen Wochen keine Besonderheiten aufgefallen – auch weil derzeit, ganz abgesehen von der Pandemie, eine „Zeit des Sterbens“sei: „In den Wochen des Übergangs vom Winter zum Frühjahr, da gehen viele.“
Natürliche Abläufe, Zufall – oder versteckte Corona-Tote? Ausschließen kann man das nicht, schließlich werden Menschen, die zu Hause, vielleicht nach langer Vorerkrankung, im Alter sterben, weder auf das Coronavirus getestet noch obduziert. „Im Gegenteil, es wird jetzt weniger obduziert. Wir gehen nach der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts vor, Corona-Tote möglichst gar nicht zu obduzieren, es sei denn, es ergibt einen Nutzen im Sinne der Forschung“, sagt Johannes Schwamberger von den Tirol Kliniken. Bisher seien ihm weder Obduktionen von Corona-Toten in der Pathologie noch posthume Tests bekannt.
Schon gar nicht von alten Menschen, die zu Hause, ohne Corona-Verdacht verstorben sind. Ist es möglich, dass jemand so schwer an Covid-19 erkrankt, stirbt, ohne dass einschlägige Symptome auffallen? Hier sei vieles im Unklaren, immer wieder gebe es unvorhersehbare Verläufe, plötzliche auftretende Komplikationen, die auch Mediziner nicht erklären könnten, sagt Schwamberger.
In der Innsbrucker Gerichtsmedizin, die für plötzliche Todesfälle mit unklarer Ursache zuständig ist, gab es schon Obduktionen und posthume Tests mit Corona-Verdacht: Getestet wurde etwa ein im Bezirk Kufstein tot aufgefundener Lkw-Fahrer. Wie bei zwei bis drei weiteren Obduktionen mit CoronaVerdacht fiel der Test negativ aus.
Bestatter treffen Schutzmaßnahmen
Vom Gesundheitsministerium gibt es bisher keine Vorgaben, posthum zu testen oder zu obduzieren. Sollte in einer Region eine Häufung von Todesfällen (ohne Corona-Konnex) auffallen, sei es Sache von Landes- oder Bezirksbehörden, Testungen anzuordnen.
Bei Bestattern gelten angesichts der Gefahr, dass unentdeckte Corona-Patienten zu Hause versterben, nun höchste Sicherheitsstandards: Beim Abholen Verstorbener sei nun stets eine komplette Schutzausrüstung, Maske, Anzug und Brille zu tragen, berichtet Bestatterin Dellemann aus Landeck. Ähnliches erzählt ihr Imster Kollege Schöpfer. Auch dürfe nun nur noch eine Person anwesend sein, wenn der Leichnam abgeholt wird. Dass sich Angehörige am offenen Sarg verabschieden, sei aus Gründen des Infektionsschutzes nicht mehr möglich. Denn ob ein Leichnam infektiös ist, wisse auch der Arzt, der die Totenbeschau macht, nicht. Und auch die Bestatter erfahren nicht, ob sie mit Corona-Toten zu tun hatten: Von Tests älterer, daheim Verstorbener weiß man in den besonders betroffenen Regionen nichts.