„Pflegerinnen sind systemrelevant und brauchen Tests“
Altenbetreuung. 24-Stunden-Pflegerinnen werden zwar mit Sonderflügen nach Österreich gebracht, Corona-Tests sind für sie nicht vorgesehen.
Wien. Rund 33.0000 Menschen werden in Österreich im Rahmen der 24-Stunden-Pflege betreut. Nach den Grenzschließungen zu Ungarn, der Slowakei und Tschechien fürchten nun viele, dass die Pflegerinnen nicht mehr ins Land kommen. In vielen Fällen ist das bereits der Fall. Wo Angehörige da sind, müssen diese nun für die Betreuung sorgen. Pflegebedürftige, die niemanden haben, werden „natürlich vordringlich behandelt“, sagt Robert Pozdena. Er ist Obmann der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Pozdena betreibt selbst ein Unternehmen, das 24-Stunden-Betreuung anbietet.
Allein in Niederösterreich gibt es 8000 Pflegebedürftige in der 24-Stunden-Betreuung. „Wir haben etwa 70 Fälle, wo es in absehbarer Zeit ein Betreuungsproblem geben wird, das wir lösen müssen“, sagt er. Von einem Pflegenotstand könne also keine Rede sein. Auch wenn Pozdena die angespannte Lage ins Gesicht geschrieben steht. Maximal drei Stunden schläft er täglich, die
Telefone in seiner Schwechater Firma laufen heiß. Besorgte Angehörige wollen wissen, wie es weitergeht. Ab Montag organisieren Kammer und Land Niederösterreich sogar eine Art „Pflege-Luftbrücke“.
Sonderflüge aus Rumänien
Und die Maßnahmen sind äußerst unorthodox und umfangreich. Am Montag werden Flugzeuge aus dem rumänischen Temeswar und der bulgarischen Hauptstadt Sofia etwa 250 Pflegerinnen nach Österreich bringen. Der Flug wird vom Land Niederösterreich bezahlt. Die Wirtschaftskammer kommt für die Kosten der 14-tägigen Quarantäne auf, die die Pflegerinnen in einem niederösterreichischen Hotel verbringen werden.
„Dann haben wir wieder Ersatz für jene knapp 9000 ausländischen Pflegerinnen, die mittlerweile schon viele Wochen da sind und die Menschen rund um die Uhr betreuen.“Pozdena will, dass diesen Pflegerinnen, die zum Teil schon einen Monat ihren Dienst verrichten, ähnlich wie den Mitarbeitern im Lebensmittelhandel eine Bonifikation zuteil wird. „Wir sind da mit Land und anderen Stellen im Gespräch“, sagt er.
Vor allem die wichtige Gruppe der rumänischen Betreuerinnen kann derzeit nicht über den Landweg nach Österreich. Flüge zu organisieren, gestalte sich auch immer schwieriger. Viele Fluglinien haben den Betrieb eingestellt.
Pflegerinnen aus Ungarn und der Slowakei können hingegen die Grenze passieren. Hier sind allerdings die Quarantänebestimmungen zu berücksichtigen. Insgesamt gibt es in Österreich 70.000 bis 80.000 Pflegerinnen, die meisten kommen aus Osteuropa.
Eines der wichtigsten Anliegen an die Regierung sei allerdings, dass auch bei den Pflegerinnen in der 24-Stunden-Betreuung so bald wie möglich Corona-Tests durchgeführt werden. „Pflegerinnen sind auch systemrelevante Personen und brauchen Tests“, betont Pozdena. Derzeit seien prophylaktische Tests für medizinisches Personal, Polizei und andere Einsatzkräfte vorgesehen. Gerade in der Altenbetreuung seien aber derartige Maßnahmen ein Gebot der Stunde, appelliert WKO-Funktionär Pozdena an die Regierung und hofft, dass es bei den Testungen im Gesundheits- und Pflegebereich keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben wird. Noch sei in Niederösterreich zum Glück keine Pflegerin am Virus erkrankt. „Aber wir müssen gewappnet sein. Die Wirtschaftskammer hat mittlerweile ein Hotel als Quarantänestation eingerichtet, in dem künftige infizierte Pflegerinnen auch medizinisch betreut werden können.
Dass nun auch Zivildiener für die 24-Stunden-Pflege herangezogen werden, begrüßt der WKO-Obmann. Für die Tagesbetreuung und für Botengänge könne man Zivildiener heranziehen. Sicher nicht für die Pflege von Demenzkranken.
Personen, die nun wieder selbst die Pflege ihrer Angehörigen übernehmen müssen, bittet Pozdena um Geduld. „100 Prozent Abdeckung werden wir nicht schaffen“, sagt er. In Niederösterreich könnten Personen, die besonders intensive Betreuung benötigen, bald auch vorübergehend in Rehazentren und Kuranstalten untergebracht werden.
Ob die Corona-Krise langfristig dazu führen werde, dass sich die Pflege von zu Hause in Pflegeeinrichtungen verlagert? Pozdena glaubt, dass das Gegenteil der Fall sein wird. „Jetzt in der Krise zeigt sich, wie wertvoll die 24-Stunden-Betreuung ist.“