Angst vor Seuche in Flüchtlingslagern
Griechenland. Die sanitären Zustände in den Flüchtlingslagern sind verheerend. Im Camp Moria wohnen 20.000 Menschen eng beisammen. Die Behörden stellen bereits Quarantänezelte auf.
Athen. Die Situation ist prekär: Griechenlands Behörden fürchten, dass das Coronavirus in die völlig übervölkerten Flüchtlingslager auf den ostägäischen Inseln eingeschleppt werden könnte. Das würde eine Katastrophe heraufbeschwören. Denn die vielen zusammengepferchten Menschen, die desolaten sanitären Zustände und das feuchte Winterklima bieten die besten Voraussetzungen für eine rasche Ausbreitung des Virus.
Was bisher vom zuständigen Migrationsminister Notis Mitarakis dazu zu hören war, reicht sicherlich nicht aus. Er ließ in den Lagern einige Container aufstellen, um die Lagerinsassen auf Covid-19 zu testen – und Zelte als Quarantänestationen aufstellen. Was mit schweren Krankheitsfällen geschehen soll, blieb völlig offen. Das Krankenhaus von Lesbos etwa reicht bei Ausbruch einer Epidemie sicherlich nicht aus angesichts einer Bevölkerung von 20.000 Menschen im Lager Moria.
Geschlossene Lager
Seit Anfang März übrigens werden neu ankommende Flüchtlinge und Migranten nicht mehr in die Inselauffanglager, sondern in geschlossene Einrichtungen auf dem Festland gebracht. Griechenland hat angesichts von der vor einem Monat von der Türkei provozierten Fluchtwelle an der Nordgrenze für einen Monat die Möglichkeit zur Beantragung von Asyl ausgesetzt.
Nun können also Neuankömmlinge keine Asylanträge mehr stellen und werden direkt in geschlossene Lager verfrachtet. Das Coronavirus bietet ein willkommenes Argument mehr für diese Vorgangsweise.
Migrationsminister Mitarakis verhängte bereits vorsorglich Ausgangsbeschränkungen für die Flüchtlinge auf den Inseln. Auf Lesbos wurde bisher ein erster Corona-Erkrankter registriert. Es handelt sich dabei aber nicht um einen Flüchtling, sondern um einen Griechen, der krank von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem zurückgekehrt war.
Die Corona-Krise hält mittlerweile ganz Griechenland in seinem Bann. Täglich, 18 Uhr, hängen die Bürger an den Lippen des unverhofft zu Ruhm gelangten Infektionsexperten Sotiris Tsiodras, dem Sprecher des Gesundheitsministeriums, um das jüngste Coronavirus-Update zu hören. Griechenland lebt längst im Rhythmus der Pandemie; schon etwas länger als andere Länder.
Sonderurlaub für Eltern
Bereits bei seinem Besuch in Österreich, am 10. März, verkündete Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler Sebastian Kurz, dass ab dem folgenden Tag sämtliche Unis,
Schulen, Kindergärten Griechenlands gesperrt bleiben würden. Zwei Tage später wurde eine Lösung für die Beaufsichtigung des Nachwuchses präsentiert: Jeweils ein Elternteil erhält Sonderurlaub.
Seit dem 23. März gilt auch eine strenge Ausgangsbeschränkung – wer sich auf der Straße zeigt, muss schriftlich nachweisen, warum er das tut. Donnerstagabend stand man bei 26 Todesopfern, etwa die Hälfte der Todesfälle Österreichs. Erkrankt sind offiziell knapp weniger als 1000 Menschen. In Griechenland wurden bis Mitte dieser Woche um die zehntausend Tests durchgeführt, gerade ein Drittel des österreichischen Vergleichswerts. Die Dunkelziffer sollte also beträchtlich höher sein.
Die wirtschaftlichen Folgen der Seuche für das gerade einer langjährigen Rezession entkommene Land sind verheerend. Schon die Tatsache, dass der völlig zum Stillstand gekommene Tourismus über 20 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes ausmacht, lässt den Schaden erahnen.
Zu wenig Intensivbetten
Doch die strengen Maßnahmen waren für Athen unausweichlich – das griechische Gesundheitssystem hätte einem frühen, massiven Ausbruch der Krankheit ganz sicherlich nicht meistern können.
Die Betten in den Intensivstationen, das Personal sind nach zehn Jahren Krise viel zu gering. Daher versucht Premier Mitsotakis Zeit zu gewinnen, um zusätzliche Kapazitäten aufbauen zu können. So hat man in den vergangenen Wochen von 515 Intensivstationsbetten auf 813 aufgestockt – eine ernüchternd niedrige Zahl.