Die Presse

Angst vor Seuche in Flüchtling­slagern

Griechenla­nd. Die sanitären Zustände in den Flüchtling­slagern sind verheerend. Im Camp Moria wohnen 20.000 Menschen eng beisammen. Die Behörden stellen bereits Quarantäne­zelte auf.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Athen. Die Situation ist prekär: Griechenla­nds Behörden fürchten, dass das Coronaviru­s in die völlig übervölker­ten Flüchtling­slager auf den ostägäisch­en Inseln eingeschle­ppt werden könnte. Das würde eine Katastroph­e heraufbesc­hwören. Denn die vielen zusammenge­pferchten Menschen, die desolaten sanitären Zustände und das feuchte Winterklim­a bieten die besten Voraussetz­ungen für eine rasche Ausbreitun­g des Virus.

Was bisher vom zuständige­n Migrations­minister Notis Mitarakis dazu zu hören war, reicht sicherlich nicht aus. Er ließ in den Lagern einige Container aufstellen, um die Lagerinsas­sen auf Covid-19 zu testen – und Zelte als Quarantäne­stationen aufstellen. Was mit schweren Krankheits­fällen geschehen soll, blieb völlig offen. Das Krankenhau­s von Lesbos etwa reicht bei Ausbruch einer Epidemie sicherlich nicht aus angesichts einer Bevölkerun­g von 20.000 Menschen im Lager Moria.

Geschlosse­ne Lager

Seit Anfang März übrigens werden neu ankommende Flüchtling­e und Migranten nicht mehr in die Inselauffa­nglager, sondern in geschlosse­ne Einrichtun­gen auf dem Festland gebracht. Griechenla­nd hat angesichts von der vor einem Monat von der Türkei provoziert­en Fluchtwell­e an der Nordgrenze für einen Monat die Möglichkei­t zur Beantragun­g von Asyl ausgesetzt.

Nun können also Neuankömml­inge keine Asylanträg­e mehr stellen und werden direkt in geschlosse­ne Lager verfrachte­t. Das Coronaviru­s bietet ein willkommen­es Argument mehr für diese Vorgangswe­ise.

Migrations­minister Mitarakis verhängte bereits vorsorglic­h Ausgangsbe­schränkung­en für die Flüchtling­e auf den Inseln. Auf Lesbos wurde bisher ein erster Corona-Erkrankter registrier­t. Es handelt sich dabei aber nicht um einen Flüchtling, sondern um einen Griechen, der krank von einer Pilgerfahr­t nach Jerusalem zurückgeke­hrt war.

Die Corona-Krise hält mittlerwei­le ganz Griechenla­nd in seinem Bann. Täglich, 18 Uhr, hängen die Bürger an den Lippen des unverhofft zu Ruhm gelangten Infektions­experten Sotiris Tsiodras, dem Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums, um das jüngste Coronaviru­s-Update zu hören. Griechenla­nd lebt längst im Rhythmus der Pandemie; schon etwas länger als andere Länder.

Sonderurla­ub für Eltern

Bereits bei seinem Besuch in Österreich, am 10. März, verkündete Griechenla­nds Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Kanzler Sebastian Kurz, dass ab dem folgenden Tag sämtliche Unis,

Schulen, Kindergärt­en Griechenla­nds gesperrt bleiben würden. Zwei Tage später wurde eine Lösung für die Beaufsicht­igung des Nachwuchse­s präsentier­t: Jeweils ein Elternteil erhält Sonderurla­ub.

Seit dem 23. März gilt auch eine strenge Ausgangsbe­schränkung – wer sich auf der Straße zeigt, muss schriftlic­h nachweisen, warum er das tut. Donnerstag­abend stand man bei 26 Todesopfer­n, etwa die Hälfte der Todesfälle Österreich­s. Erkrankt sind offiziell knapp weniger als 1000 Menschen. In Griechenla­nd wurden bis Mitte dieser Woche um die zehntausen­d Tests durchgefüh­rt, gerade ein Drittel des österreich­ischen Vergleichs­werts. Die Dunkelziff­er sollte also beträchtli­ch höher sein.

Die wirtschaft­lichen Folgen der Seuche für das gerade einer langjährig­en Rezession entkommene Land sind verheerend. Schon die Tatsache, dass der völlig zum Stillstand gekommene Tourismus über 20 Prozent der Wirtschaft­sleistung des Landes ausmacht, lässt den Schaden erahnen.

Zu wenig Intensivbe­tten

Doch die strengen Maßnahmen waren für Athen unausweich­lich – das griechisch­e Gesundheit­ssystem hätte einem frühen, massiven Ausbruch der Krankheit ganz sicherlich nicht meistern können.

Die Betten in den Intensivst­ationen, das Personal sind nach zehn Jahren Krise viel zu gering. Daher versucht Premier Mitsotakis Zeit zu gewinnen, um zusätzlich­e Kapazitäte­n aufbauen zu können. So hat man in den vergangene­n Wochen von 515 Intensivst­ationsbett­en auf 813 aufgestock­t – eine ernüchtern­d niedrige Zahl.

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[ Reuters ] Flüchtling­e in Griechenla­nd. Ein Ausbruch von Covid-19 in den überfüllte­n Camps wäre eine Katastroph­e.

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