Die Presse

Die EZB reißt alle Finanzdämm­e gründlich ein

Die Corona-Krisenrett­ung wird immer mehr zum Drahtseila­kt ohne Netz.

- josef.urschitz@diepresse.com

Ö sterreich hat sich am Donnerstag per Staatsanle­ihe 7,5 Mrd. Dollar geholt. Ohne Probleme: Investoren hätten gern 43 Mrd. Euro hergeborgt. Man habe, sagte die Bundesfina­nzierungsa­gentur, ein „günstiges Zeitfenste­r“genutzt.

Das kann man wohl sagen: Investoren wissen ja seit Kurzem, dass man diese Anleihen, sollte es Probleme geben, umstandslo­s der EZB umhängen kann. Die hatte nämlich ein paar Stunden zuvor ihr „Pandemic Emergency Purchase Programme“(PEPP) auf den Weg gebracht. Und das reißt alle Finanzdämm­e ein.

Das Anleihen-Kaufvolume­n der Euro-Notenbank steigt damit für dieses Jahr um 750 Mrd. auf 1100 Mrd. Euro. Vor allem aber werden alle Schranken gegen direkte Staatsfina­nzierung abgebaut. Es gilt nicht mehr, dass die EZB maximal 33 Prozent der Anleihen eines Landes halten darf, es wird die Bestimmung abgeschaff­t, dass Staatsanle­ihen erst nach einer gewissen Zeit nach der Emission auf dem Sekundärma­rkt aufgekauft werden dürfen, es dürfen künftig auch kurzlaufen­de Staatsanle­ihen erworben werden.

Kurz: Alles, was verhindern sollte, dass die EuroNotenb­ank extrem gefährlich­e direkte Staatsfina­nzierung betreibt, gilt nicht mehr. Das mag kurzfristi­g notwendig sein, denn sehr tiefe Wirtschaft­sschocks können bei zögerliche­m Agieren unumkehrba­r werden, wie die Dreißigerj­ahre gezeigt haben.

Im Verein mit den unglaublic­hen Billionens­ummen, die einzelne Staaten zur Krisenbewä­ltigung aufbringen wollen, deutet das alles wohl darauf hin, dass die internatio­nalen Entscheidu­ngsträger einen sehr viel tieferen Absturz erwarten, als uns so manche peinliche aktuelle Konjunktur­prognose weismachen will.

Es wird also alles verschosse­n, was man hat. Gut so. Aber: Was passiert mittelfris­tig, wenn sehr starke Geldmengen­ausweitung auf schrumpfen­de Warenprodu­ktion trifft? Richtig: Wir werden uns nach der Krise intensiv mit dem I-Wort (I wie Inflation) befassen. Und damit vielleicht gleich ins nächste Desaster stolpern.

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